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Hamann beginnt seine Untersuchung mit einer Analyse des Grabtypus, auf die eine<br />

allgemeine Gegenüberstellung der Hauptgattungen mittelalterlicher Grabskulptur in<br />

Deutschland und in Frankreich folgt. 85 Seine ikonographische, motiv- und<br />

typengeschichtliche Analyse des Grabtypus ist fundiert und stellt gegenüber den<br />

früheren P<strong>ub</strong>likationen einen wirklich neuen Ansatz dar. In dieser Hinsicht ist Hamanns<br />

Vorgehensweise eine Pionierleistung. Seine These lautet prägnant und aus seiner<br />

typengeschichtlichen Untersuchung inters<strong>ub</strong>jektiv begründet: “Diese Marburger Gräber<br />

sind nicht deutsch; in Frankreich haben sie ihre Heimat und ihre Voraussetzungen. Ihr<br />

Stil, ihr Lebensgefühl, ihre Ikonographie - alle einzelnen Motive haben in Frankreich<br />

ihren Ursprung und ihre Geschichte.“ 86<br />

Auf die Analyse des Grabtypus folgt eine wenig überzeugende Herleitung des Stils aus<br />

der Pariser Grabmalkunst. Ist man sonst Hamanns differenziert stilanalysierendes<br />

Vorgehen gewohnt, dann merkt man deutlich, daß sich die These vom Stilkonsens des<br />

Marburger Einzelgrabes und des Artois-Grabmals auf vagen Argumenten stützt. 87<br />

Hamann geht nicht wirklich stilanalysierend vor, vielmehr analysiert er die geistige<br />

Haltung, die in der motivischen Gestaltung zum Ausdruck kommt. 88 Dementsprechend<br />

begründet er den Stilkonsens mit Formeln wie „die Stärken höfischer Gesten und<br />

Schwächen verblaßter Persönlichkeit.“ 89 An dieser Stelle wird meines Erachtens die<br />

Bedingtheit des Konzepts offensichtlich. Hamanns dargelegter Stilkonsens ist de facto<br />

ein übereinstimmender genetischer Bestand der Motive, die zusammen dieselbe<br />

Ikonographie beinhalten. Diese Ikonographie als Grabmalmodus wird bei Hamann zum<br />

Fundament für seine Stilentwicklung. 90<br />

Von diesem Ausgangspunkt baut Hamann das Grundgerüst seines Systembaus auf,<br />

indem er die Werkstattzusammenhänge der Grabmalgruppe analysiert und eine relative<br />

Chronologie der Grabmäler und der diesem Werkstattkreis zugeschriebenen Skulptur<br />

erstellt. 91 Während seine Kollegen den gemeinsamen Nenner der Grabmalgruppe<br />

hervorheben, isoliert Hamann aus dem Kollektiv die einzelnen Künstlerhände: Der<br />

französische Hauptmeister, von Hamann Cappenberger Meister genannt, steht ganz im<br />

Zeichen des höfisch-hochgotischen Stils. Seine Werke, die Grabplatte des Marburger<br />

Einzelgrabes (Abb. 5), das Cappenberger Denkmal (Abb. 47) und die Cappenberger<br />

Sitzmadonna (Abb. 59), bewahren am reinsten die Klassizität der französischen Gotik.<br />

Der sogenannte Ritterliche, sein unmittelbarer Schüler, ist der Lokaltradition verpflichtet<br />

und für die bodenständige Nuance in der Grabskulptur verantwortlich. Ihm und seinen<br />

Gehilfen schreibt Hamann die Klagefiguren des Marburger Einzelgrabes (Abb. 11-17),<br />

das Marburger Doppelgrab (Abb. 18), die Bielefelder Tumba (Abb. 63) und als Spätwerk<br />

85 R. Hamann 1929, 115-139.<br />

86 R. Hamann ebd., 119.<br />

87 R. Hamann ebd., 136-139.<br />

88 Ich würde Hamanns Stilbegriff so beschreiben: er denkt sich physisch in die Grabfiguren hinein, um an<br />

der seelischen Stimmung teilzuhaben, welche durch die Gesten und Körperhaltung vermittelt wird.<br />

89 Hamann ebd., 136.<br />

90 Eine weitere Antinomie in seinem Konzept sei genannt: Trotz der Typen- und Stilableitung des<br />

Marburger Einzelgrabes von dem Pariser Artois-Denkmal, das in den Jahren von 1317 bis 1320<br />

entstand, setzt er die Entstehung des Marburger Steins rund zehn Jahre früher an. Diese<br />

Widersprüchlichkeit rührt daher, daß Hamann die älteren Identifizierungsvorschläge der Marburger<br />

Tumben von F. Küch, 1903, trotz Bedenken übernimmt.<br />

91 R. Hamann ebd., 139-175.<br />

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