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ühne ><br />

Baal ist ein unglaublicher Fiesling. Er pöbelt, verführt die<br />

Freundin eines Kumpels, lässt sie dann fallen, holt sich Huren<br />

ins Haus, verdient kein Geld, stürzt seine Mutter ins Verderben<br />

und bringt seinen besten Freund im Streit um. Achja, und<br />

er schreibt Gedichte. Und liebt die Natur. „Baal“ ist des Bürgertums<br />

überdrüssig und sucht jenseits aller Konventionen<br />

nach dem „echten“ Leben. Hierüber vergisst er alles Soziale,<br />

agiert ausnahmslos narzistisch und egomanisch.<br />

Nach „Romeo & Julia“ im letzten Jahr nun ein sehr viel unzugänglicherer<br />

Stoff, den Martin Goltsch mit dem Projekt<br />

TheaterAusbruch auf die Bühne bringt. Willi Ezilius spielt<br />

den Baal – er lässt keine einzige sympathische Ader an dem<br />

Ungeheuer aufkommen. Ist er alleine mit einer Frau im<br />

Raum, weiß man, dass nichts Gutes passieren wird. Ezilius<br />

erarbeitet sich eine totale Bühnenpräsenz, er ist der, um den<br />

sich alles dreht, keine Szene ohne ihn. Er kitzelt das Böse aus<br />

Baal heraus.<br />

Die freiheitsliebende Seite des Baal vermittelt der Regisseur<br />

primär durch Videosequenzen, die das Bühnenbild bestimmen.<br />

Windräder, die sich auf weiten Feldern drehen, ein<br />

Blätterwald, durch den die Sonne glitzert, ein Maisfeld, durch<br />

das Baal und sein bester Freund Ekart ausgelassen rennen.<br />

Die filmischen Sequenzen vermitteln das Gefühl weiten<br />

Raums, lassen weitere Blicke in Ba<strong>als</strong> Leben zu, die Ezilius<br />

nicht zulässt. Ab und an erzählt er von seinen Gedichten,<br />

aber nur, um direkt danach wieder von „zittrigen Knien“,<br />

„Fleischeslust“ und der Durchschaubarkeit „seiner“ Frauen<br />

anzufangen.<br />

Stefan Dantchev spielt den Ekart, der die Taten seines<br />

Freunds nicht gutheißt, aber dennoch immer hinter ihm<br />

22 <strong>Klenkes</strong> Januar 2011<br />

Was hat er an sich? Baal (Willi Ezilius) verführt auf grobe Art. Auch Sophie (Celina Baluch) kann nur schwer widerstehen<br />

Ein Fiesling. Sonst nichts.<br />

Das TheaterAusbruch bringt in Kooperation mit dem Theater Aachen Brechts „Baal“ auf die Bühne einer leerstehenden<br />

Drogerie in Eilendorf. Regisseur Martin Goltsch und Dramaturg Lucas Popovic kitzeln zusammen mit ihrem Ensemble das<br />

Böse im Menschen hervor. Eine Glanzleistung des Laienensembles, vor allem von Protagonist Willi Ezilius.<br />

steht. Dantchev zeigt die Ohnmacht gegenüber Baal, die alle<br />

Menschen in seinem Umkreis beherrscht – lieben und hassen<br />

und fürchten zur gleichen Zeit. Rosi Platzmann spielt eine<br />

verhärmte Mutter, die mit ansehen muss, wie ihr Sohn sich<br />

und auch sie zugrunde richtet. Ihre ständig geduckte Haltung<br />

zeugt von unterschwelliger Angst. Auch alle anderen, vom<br />

schwulen Barkeeper John (Felix Brokb<strong>als</strong>) bis hin zur schönen<br />

Emilie (Eva Stolper) zittern in Ba<strong>als</strong> Gegenwart– Angstmache<br />

ist seine Macht.<br />

Die völlige Respektlosigkeit, mit der Baal durchs Leben<br />

geht, ist bisweilen schwer zu ertragen. Keine fünf Minuten<br />

vergehen auf der Bühne, ohne dass er physisch oder verbal<br />

handgreiflich wird. Seine Gier nach einem völlig anarchischen<br />

Dasein ist unersättlich.<br />

Die Frage bleibt offen: Warum findet ein solches Ungeheuer<br />

trotzdem immer wieder neue Anhänger? Die Frauen um<br />

ihn herum kommen immer wieder, seine Mutter schmeißt<br />

ihn nicht raus, und sein Freund Ekart bleibt ihm treu, bis dass<br />

er Ba<strong>als</strong> Messer im Bauch hat. Goltsch sucht in seiner Inszenierung<br />

gar nicht erst nach Antworten. Er lässt es nicht zu,<br />

Baal <strong>als</strong> armen Teufel anzusehen, der von der Gesellschaft<br />

vernachlässigt ist. Sondern Goltsch zeigt: Es gibt eben Menschen,<br />

die einfach durch und durch fies sind. Da können auch<br />

Gedichte, Tollereien im Maisfeld und Turteleien zu „How<br />

Deep is your love“ nichts dran ändern. /// Barbara Taxhet<br />

8., 9. (18 Uhr), 14., 15., 28., 29.1.<br />

„Baal“<br />

20 Uhr, Lindenhof (von Coels Str. 167)<br />

im Kapuziner Karree<br />

Stefan Dantchev spielt Ekart<br />

TheaterAusbruch<br />

Regisseur Martin Goltsch hat 1998 das<br />

„TheaterAusbruch“ ins Leben gerufen.<br />

Seit Anfang an geht es darum, in freien<br />

Theaterprojekten genreübergreifend zu<br />

arbeiten. Goltsch arbeitet zum Großteil<br />

mit Laienschauspielern, greift Projekte<br />

mit Menschen aus schwierigen sozialen<br />

Verhältnissen auf, setzte aber eben<br />

auch auf Kooperationen mit profesionellen<br />

Häusern. „Baal“ ist nach Schillers<br />

„Räubern“ und Shakespeares „Romeo<br />

& Julia“ nun schon die dritte Zusammenarbeit<br />

mit dem Theater Aachen. Im<br />

letzten Jahr war die Nadelfabrik Spielort,<br />

diesmal eine leerstehende Drogerie<br />

neben der Gaststätte „Lindenhof“ in Eilendorf.<br />

theaterausbruch.de<br />

Foto: Ludwig Koerfer<br />

Foto: Ludwig Koerfer

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