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<strong>CREATIX</strong> 1 / 13<br />
beruhigenden Luftwürze füllten. Kein Wunder, dass gerade die jüngeren beiden<br />
unter ihnen vom unregelmäßigen, leisen Knacken des brennenden Holzes<br />
unbemerkt einzunicken drohten, waren sie doch die harte Nachtarbeit noch immer<br />
nicht so recht gewohnt. Sie hatten arge Mühe sich dies nicht anmerken zu lassen.<br />
Bei Ole Harms hingegen, der bereits kurz vor der Gesellenprüfung stand, welche er<br />
kommenden Monat an der altehrwürdigen Kammer zu Hildesheim abzulegen hatte,<br />
war schon eine gewisse Konstitution festzustellen wie sie beim Meister und den<br />
Gesellen zu finden war. Er schien angesichts des herrlich hergerichteten Tisches<br />
sogar unter allen noch der Munterste.<br />
Die Küchentür zum hinteren Teil des Verkaufsraumes stand ebenso offen wie die<br />
Tür der Backstube, welche absichtlich dorthin offen gehalten wurde, damit beide<br />
Räume ihre arômatisch- lieblich duftschwangere Warmluft mit jener des<br />
Kundenbereichs austauschen konnten.<br />
Von hinterwärts zog der frische Feuer- und Kaffeeduft ein, von seiten der typische,<br />
leicht feuchtehaltig Backwarendunst, der jedem der eine freie Nase besaß sofort<br />
das Wasser im Munde zusammentrieb – eine preiswerte aber sehr wirksame<br />
Methode zur Unterstützung der Frage: „Darf's noch etwas mehr sein?“, um<br />
solcherart ganz unaufdringlich die frühen Kundinnen zum Kaufe der einen oder<br />
anderen zusätzlichen Backware zu verleiten. Was nicht einmal die Gesellen<br />
wussten war, dass sogar das Sich-beim-Essen-Zuschauen-lassen eine kleine<br />
Verkaufslist des Meisters darstellte, ausgerichtet darauf, der Kundschaft einen<br />
subtilen Fingerzeig zu geben auf deren eigene alsbaldige, Frühstücksgenüsse und<br />
um zugleich von seiner gesamten Bäcker-Belegschaft einen vertrauten sowie<br />
nahbaren Eindruck zu schaffen. Zudem sah er sich auf solche Weise in der Lage,<br />
zwischendurch hören und beobachten zu können, ob der Verkauf seinen Direktiven<br />
gemäß anlief, denn gleich würde die Ladentür geöffnet werden und die Lehrtöchter<br />
hätten sich um die Erfüllung aller Kundenwünsche sogleich zu bemühen.<br />
Wer sich zu dieser morgendlichen Stunde dort aufhielt wurde mit einem Blick durch<br />
die Küchentür gewahr, wie sich redlich abgearbeitete Bäcker bei Tische bemühten,<br />
ihre Augen offen zu halten, dennoch aber die Zähne genussvoll in das rustikale<br />
Mahl einschlugen. Ab und an folgte ein stiller Grußaustausch zwischen Laden und<br />
Küche, verbunden mit den Wünschen für eine „gesegnete Mahlzeit“ an die Adresse<br />
der Handwerkerrunde, obschon diese zumeist mit sich selbst befasst war.<br />
So also begab sich jeden Morgen das gleiche Ritual einer typisch norddeutschen<br />
Männer-gemeinschaft, die Nacht für Nacht Arbeitsplätze und Aufgaben auf engstem<br />
Raume miteinander teilte. Man verständigte sich durch Blicke, eben so wie es auch<br />
bei der Arbeit nicht anders üblich war. Hier wechselten momentan deutlichere<br />
Informationen den Mann, als dies während der freundlich oberflächlich gehaltenen<br />
Gespräche der Fall war, die man des Nachmittags beim Umgraben des<br />
Gartenbodens oder in ähnlichen Momenten an der Hecke mit zufällig Vorbei-<br />
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