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<strong>CREATIX</strong> 1 / 13<br />

Gogols zieht unbarmherzig gegen die Gnadenlosigkeit einer Zeit vom Leder, die<br />

gesellschaftlichen Stand und Finanzkapital zu zentralen Werten erhoben hat.<br />

Als Sophia einen reichen Staatsrat heiratet, kompensiert Poprischtschin seine<br />

Verzweiflung durch eine Bewusstseinsspaltung – von nun an erwartet er als neuer König<br />

von Spanien seine Inthronisierung. Doch die vermeintlichen Krönungsrituale erweisen sich<br />

als entwürdigende psychiatrische Behandlung des Irrenarztes.<br />

Eine immense Herausforderung für den 29-jährigen Hauptdarsteller Till Florian Beyerbach,<br />

der er in grandioser Weise gerecht wurde. Beyerbach schuf eine unglaubliche<br />

Bühnenpräsenz – 90 Minuten ohne Pause dramatische Hochspannung. Mimik, Gestik und<br />

Sprache changierten von der feinsten inneren Regung über unterdrückte Wollust bis zum<br />

Wutgetobe – ein Verwandlungsreichtum, der keine Kulissen benötigte, um stets neue<br />

Szenen zu erschaffen. Wie auf Kommando riss es nach dem Schlusstableau das<br />

Publikum in die Höhe, um standing ovations zu spenden.<br />

Dass die zur Badenweiler Tschechow-Woche angereiste Kulturbürgermeisterin von<br />

Tschechows Heimatstadt Taganrog, Lisaweta Lipowenko, das Theater mit diesem Stück<br />

zum "Internationalen Tschechow-Theaterfestival" für September nach Südrussland einlud,<br />

bedeutet eine grenzüberschreitende Anerkennung, die diese Inszenierung wahrlich<br />

verdient.<br />

06. April 2010 Badische Neueste Nachrichten von Peter Kohl<br />

Zwischen König und Zwangsjacke<br />

Eindrucksvolle Premiere: „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ im Insel-Theater<br />

Auf dem Boden liegen weiße, unbeschriebene Blätter, sie kleben auch an der Wand im<br />

Hintergrund. Der namenlose Titelheld aus Nikolai Gogols groteskem Monolog „Tagebuch<br />

eines Wahnsinnigen“ liest daraus Botschaften und Nachrichten, die kein anderer<br />

wahrnimmt, schreibt Briefe darauf, die nur er lesen kann. Es ist die angemessene<br />

Endstation der Schreibstubenexistenz eines kleinen Beamten, der im Wahn die Grenzen<br />

seines engen, beschränkten Daseins überschreitet.<br />

Es ist eine komische und zugleich tragische Gestalt, die Gogol da geschaffen hat. Das<br />

studentische Kulturzentrum an der Uni Karlsruhe brachte sie in Zusammenarbeit mit dem<br />

Badischen Staatstheater auf die Bühne der Insel. Mitglieder des Jugendclubs des<br />

Badischen Staatstheaters und der interkulturellen Theatergruppe Cumpania wirkten mit an<br />

Produktion und Technik und traten auch als Nebendarsteller-(innen) in Erscheinung, wobei<br />

sie allerdings als weißgekleidete Wärter zu beiden Seiten der Bühne nicht mehr zu tun<br />

hatten, als den Wahnsinnigen gelegentlich zur Ordnung zu rufen und zurückzuweisen,<br />

wenn er aus seinem Areal ausbrechen wollte.<br />

Die Bühne beherrschte eindeutig Till Florian Beyerbach. Der Profischauspieler, der auch<br />

schon Gastrollen am Badischen Staatstheater gespielt hat, lieferte eine darstellerische<br />

Tour de Force. Über 90 Minuten gab er textsicher den Monolog des sich in immer<br />

absurdere Vorstellungen hineinsteigernden Beamten, mimisch und gestisch exakt<br />

zeichnete er die emotionalen Bewegungen des zwischen Selbstüberschätzung und<br />

Selbsterniedrigung, Wunschvorstellungen und Alpträumen schwankenden Charakters<br />

nach. Mal fegte er unablässig über die Bühne, mal verschanzte er sich hinter einem Tisch<br />

( neben einem Stuhl das einzige Bühnenrequisit), mal kritzelte er mit einem Blatt, das er<br />

zu einem Federkiel geformt hatte, imaginäre Worte auf ein Blatt Papier.<br />

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