AKADEMIE -REPORT - Akademie für Politische Bildung Tutzing
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Nach der Bundestagswahl:<br />
Sind die Volksparteien am Ende?<br />
Vertrauenskrisen, rückläufige Parteibindungen und neue Konfliktlinien in der<br />
Gesellschaft verändern die politische Landschaft<br />
„Die Volksparteien sind nicht am Ende, aber sie sind angekratzt“, so<br />
lautet das Fazit des Berliner Parteienforschers Oskar Niedermayer<br />
fünf Tage nach der Bundestagswahl. Das Thema Volksparteien stand<br />
unmittelbar nach der vorgezogenen Wahl im Mittelpunkt einer Tagung*<br />
und bekam nicht zuletzt durch das bekannte Ergebnis größte<br />
Aktualität.<br />
Zur Eröffnung des Programms<br />
hatte Kultusstaatssekretär<br />
Karl Freller in einem durch die<br />
Aktualität geprägten, parteipolitischakzentuierten<br />
Grußwort bedauert, dass<br />
die bürgerlichen Parteien nun ohne<br />
Mehrheit seien. Die Unionsparteien<br />
hätten sich bereits als Sieger gesehen<br />
und die rot-grüne Regierung zu wenig<br />
angegriffen. „Im Gefühl der Siegesgewissheit<br />
haben wir einen zu ehrlichen<br />
Wahlkampf geführt. Und der Ehrliche<br />
ist offenbar der Dumme!“ sagte Freller.<br />
Er haderte auch mit der wachsenden<br />
Zahl von Kurzentschlossenen, die<br />
ihre Wahlentscheidung erst kurz vor<br />
der Wahl treffen. „Diese Leute sind<br />
schlechter informiert und lassen sich<br />
von aktuellen Stimmungen und Umfragen<br />
treiben“. Freller sah angesichts der<br />
großen programmatischen Gegensätze<br />
keine Chance <strong>für</strong> die so genannte „Jamaika-Koalition“<br />
und meinte, es laufe<br />
auf eine Große Koalition von Union<br />
und SPD hinaus.<br />
Bei der Fehleranalyse der Unionsparteien<br />
konnte ihm der Politikwissenschaftler<br />
Niedermayer zum Teil zustimmen:<br />
er sah die Hauptprobleme <strong>für</strong><br />
CDU/CSU in der Mehrwertsteuerdiskussion,<br />
dem Streit um das Steuerkonzept<br />
von Kirchhof und schließlich auch<br />
die Äußerungen von Edmund Stoiber<br />
und Jörg Schönbohm über die Menschen<br />
in den neuen Bundesländern.<br />
„Zum ersten Mal in der Geschichte der<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 4/2005<br />
deutschen Wahlkämpfe ist es zu einem<br />
Rollentausch gekommen: die Oppositionsparteien<br />
argumentierten wie die<br />
zukünftige Regierungskoalition und<br />
die Regierungspartei SPD kämpfte<br />
defensiv wie aus der Opposition heraus.“<br />
Kultusstaatssekretär Karl Freller:<br />
„Uninformierte Kurzentschlossene<br />
entscheiden die Wahl.“<br />
Fotos: ms/hama<br />
Nicht mehr<br />
repräsentativ<br />
Gemessen am Wählerzuspruch könne<br />
regional nur noch die CSU mit 49 Prozent<br />
als Volkspartei gelten. Besondere<br />
Probleme habe die SPD im Osten generell<br />
und die CDU vor allem in Bran-<br />
denburg. Die Zahl der Mitglieder sei<br />
in allen Parteien stark rückläufig (siehe<br />
Graphik) . Die beste Rekrutierungsfähigkeit<br />
habe noch die CSU mit 1,8<br />
Prozent, SPD und CDU liegen bei 1,0<br />
bzw. 1,1 Prozent der Bevölkerung. Es<br />
gebe dramatische Unterschiede zwischen<br />
den Ländern: im Saarland sei es<br />
am besten, in allen neuen Bundesländern<br />
am schlechtesten.<br />
Parteienforscher Oskar Niedermayer<br />
erklärt den mangelnden Zuspruch<br />
<strong>für</strong> die Volksparteien mit<br />
dem scheinbar unlösbaren Problemdruck<br />
in der Gesellschaft.<br />
Die Parteien bieten längst kein repräsentatives<br />
Abbild der Gesellschaft<br />
mehr: Arbeiter sind überall unterrepräsentiert,<br />
der Öffentliche Dienst in allen<br />
Parteien überrepräsentiert. Auch<br />
Frauen sind immer noch in allen Parteien<br />
nicht gemäß ihrem Bevölkerungsanteil<br />
vertreten. Lediglich Katholiken<br />
sind in der Union stärker vertreten als<br />
es ihrem Anteil an der Bevölkerung<br />
entspricht.<br />
�<br />
*Die Tagung „Volksparteien am Ende?“ wurde durchgeführt in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Bayern der<br />
Deutschen Vereinigung <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong>, der Landeszentrale <strong>für</strong> politische <strong>Bildung</strong>sarbeit und der Fachgruppe<br />
Geschichte/Sozialkunde Oberbayern des Bayerischen Philologenverbands<br />
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