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AKADEMIE -REPORT - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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sei ein Fehler, allein auf Visualisierung<br />

und Personalisierung in den Medien zu<br />

setzen. Man dürfe nicht nur die Bühne<br />

des Nationaltheaters bespielen, Politiker<br />

dürften die dahinter liegende Arbeitsbühne<br />

nicht vergessen.<br />

Oberreuter sieht die Erosion der Parteibindungen<br />

und weitere Differenzierungstendenzen<br />

in der Gesellschaft<br />

noch nicht an ihrem Ende. Insbesondere<br />

in der aktuellen Situation müssten<br />

die großen Volksparteien ihre Verantwortung<br />

wahrnehmen und eine Große<br />

Koalition bilden: „Eine instabile<br />

Minderheitsregierung provoziert die<br />

Extremen von links und rechts und der<br />

ohnehin schon massive Vertrauensverlust<br />

in die politische Führung würde<br />

weiter wachsen.“<br />

Die Medien, insbesondere das Fernsehen,<br />

hatten sich bis dahin schon wie<br />

ein roter Faden durch zahlreiche Diskussionen<br />

und Beiträge gezogen. So<br />

war es gut, dass mit dem Medienforscher<br />

Christian Schicha von der Universität<br />

Marburg und Klemens Mosmann,<br />

dem Redaktionsleiter des ZDF-<br />

Polit-Talks „Berlin-Mitte“, zwei Experten<br />

zu diesem Thema eingeladen<br />

worden waren.<br />

Konfrontation statt<br />

Verständigung<br />

Schicha, der viele empirische Forschungen*<br />

über Talkshows publiziert<br />

hat, kritisierte das „Politainment“, bei<br />

dem häufig Prominenz und Selbstdarstellung<br />

vor Kompetenz gingen. Er<br />

sieht, dass eher Konfrontation statt<br />

Verständigung im Vordergrund steht<br />

und der Zuschauer als Adressat wohl<br />

eher mit Unterhaltung als mit Information<br />

im Quotenwettkampf angelockt<br />

werden soll. Schicha forderte bei der<br />

Gästeauswahl mehr Kompetenz statt<br />

Prominenz und eine klarere Strukturierung<br />

und Verständlichkeit der Sendungen.<br />

Für Klemens Mosmann ist seine Sendung<br />

mit der Moderatorin Maybrit Illner<br />

eine ständige „Baustelle“, die Veränderungen<br />

unterliegt. Mit durch-<br />

*www.schicha.net<br />

6<br />

schnittlich 2,7 Millionen Zuschauern<br />

und einem Marktanteil von 15 Prozent<br />

am Donnerstag um 22.15 Uhr gehört<br />

„Berlin-Mitte“ nach „Sabine Christiansen“<br />

zu den erfolgreichsten politischen<br />

Talkshows im Fernsehen. Man<br />

müsse dem Versuch der Themeninsze-<br />

Klemens Mosmann leitet mit „Berlin-Mitte“<br />

eine der erfolgreichsten<br />

politischen Talkshows.<br />

nierung durch die Parteien entgegen<br />

treten, sagte Mosmann, aber natürlich<br />

gebe es „Muss-Themen“, an denen die<br />

Redaktion nicht vorbei gehen kann.<br />

Mit den Spezialitäten der ostdeutschen<br />

Wähler- und Parteienlandschaft setzte<br />

sich Werner Patzelt von der TU Dresden<br />

auseinander und stellte zunächst<br />

klar, dass er die DVU/NPD sehr wohl,<br />

die PDS/Linkspartei aber nicht zu den<br />

Extremen zählt: „Die PDS hat viel<br />

Radikalismus, aber wenig echten Extremismus.<br />

Sie ist keine extremistische<br />

Partei.“ Auch er ging auf die Unterschiede<br />

zwischen dem östlichen und<br />

dem westlichen Ergebnis der Bundestagswahl<br />

ein: „Im Osten wählen 55<br />

Prozent links und nur 33 Prozent bürgerlich.<br />

Es ist ein anderes Wahlgebiet<br />

mit einer anderen politischen Kultur.“<br />

Im Osten würde vor allem gegen etwas<br />

gewählt. Gleichheit gelte mehr als<br />

Freiheit – was im übrigen eine ganz<br />

normale Einstellung in postkommunistischen<br />

Gesellschaften sei. Der Staat<br />

habe einen höheren Stellenwert, die<br />

Selbstverantwortung einen niedrigeren.<br />

Und schließlich sei die Akzeptanz<br />

von und das Vertrauen in Demokratie<br />

niedriger als im Westen. Die PDS werde<br />

durchaus als staatstragende Partei<br />

angesehen.<br />

Die Folgen <strong>für</strong> Gesamtdeutschland<br />

sieht der Dresdner Politikwissenschaftler<br />

in einer dauerhaften strukturellen<br />

linken Mehrheit und in einer grundlegenden<br />

Spaltung zwischen dem Nor-<br />

Werner Patzelt: „Das Abenteuer<br />

Wiedervereinigung hat spürbare<br />

Folgen.“<br />

den und Osten auf der einen und dem<br />

Süden auf der anderen Seite. „Die<br />

Linkspartei/PDS wird eine nennenswerte<br />

politische Kraft in Deutschland<br />

bleiben.“ Größere Gefahren sieht er<br />

allerdings von Rechts, weil: „Die wollen<br />

eine andere Republik.“ Das Abenteuer<br />

Wiedervereinigung hätte nun<br />

einmal spürbare Folgen, die man aushalten<br />

und ausstreiten müsse: „Die<br />

Leitgedanken der westlichen politischen<br />

Kultur müssen im Osten weiter<br />

implantiert werden.“<br />

Die Zuhörer waren sich in der Diskussion<br />

einig, dass damit eine immerwährende<br />

Aufgabe <strong>für</strong> die politische <strong>Bildung</strong><br />

nicht nur in Ostdeutschland beschrieben<br />

wurde. �<br />

Michael Schröder<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 4/2005

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