Februar 2012 - EU-Koordination
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umwelt aktuell <strong>Februar</strong> <strong>2012</strong><br />
Umweltpolitik & Umweltrecht<br />
„Junge Menschen müssen kritisch hinterfragen, was ihnen als ‚Wahrheit‘ suggeriert wird“<br />
Aktuell<br />
er hat die Antiatombewegung mit begründet, Bücher über die Grenze geschmuggelt und zahlreiche Bürgerinitiativen unterstützt.<br />
Der langjährige Vorsitzende der Deutschen umweltstiftung fordert die umweltverbände auf, zusammenzurücken und<br />
auch öffentlich Druck zu machen. Anders ist die energiewende nicht zu schaffen, sagt Hans Günter Schumacher.<br />
umwelt aktuell: Herr Schumacher, im November<br />
sind Sie für Ihr lebenswerk mit der Deutschen<br />
Naturschutzmedaille geehrt worden. Sie haben<br />
zahlreiche umweltinitiativen mit angeschoben,<br />
ebenso die Antiatombewegung oder den „Blauen<br />
engel“: Was ist Ihnen davon im Rückblick besonders<br />
wichtig?<br />
hans Günter Schumacher: Bereits im Jahr 1980 habe<br />
ich mich gegen die Nutzung der Atomenergie ausgesprochen<br />
und bin konsequenterweise aus einer partei,<br />
deren Vorsitzender sich damals für die kernenergie<br />
ausgesprochen hat, ausgetreten. ich war mit meiner<br />
entscheidung in guter Gesellschaft, zum Beispiel mit<br />
dem damaligen erzbischof von münchen-Freising.<br />
Ganz wichtig war mir auch, ab ende der 1980er-Jahre<br />
Umwelt- und Schülerbibliotheken in ost und west mit<br />
Natur- und Umweltliteratur auszustatten, auch noch<br />
zu Zeiten der DDr. 1991 und 1996 führte die Deutsche<br />
Umweltstiftung zwei Schulwettbewerbe durch: „modelle<br />
zur erprobung, Demonstration und Anwendung<br />
alternativer energietechniken an Schulen – projekte<br />
zur einsparung von energie“. Besondere erfahrungen<br />
machte ich in den zwölf Jahren als mitglied in der Jury<br />
des Umweltzeichens Blauer engel. hier begegnete<br />
ich unter anderem auch Jurymitgliedern, die damals<br />
lobbyarbeit über die Belange von Natur und Umwelt<br />
stellten. Das waren erkenntnisse, die mir in der Folgezeit<br />
sehr zugutekamen.<br />
Welcher erfolg war denn am schwersten durchzusetzen?<br />
Das ist schwer zu sagen – ganz sicher gehören aber<br />
unsere erfolgreichen Versuche dazu, auf Schleichwegen<br />
Umweltbücher in die ehemalige DDr an Umweltbibliotheken<br />
zu bringen.<br />
Meist macht man sich mit konsequenz nicht nur<br />
Freunde. Was war der größte Aufreger bei Ihrem<br />
langjährigen engagement für die umwelt?<br />
Die unsäglichen öffentlichen Beschimpfungen, Verleumdungen<br />
und Diffamierungen meiner person wie<br />
auch anderer mitstreiter, die für mich unter anderem<br />
ein Disziplinarverfahren sowie gerichtliche Auseinandersetzungen<br />
zur Folge hatten. Den Namen des<br />
oberstleutnants, der die Anzeige gegen mich wegen<br />
angeblicher teilnahme an einer Demonstration gegen<br />
den Schnellen Brüter in kalkar erhoben hatte, habe<br />
ich nie erfahren. ich war allerdings nicht bei der Demonstration<br />
dabei.<br />
Die von Ihnen mit gegründete Deutsche umweltstiftung<br />
ist von staatlichen Geldern unabhängig.<br />
Ist Ihnen das als ehemaligem Regierungsamtsrat<br />
besonders wichtig?<br />
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. mein<br />
Arbeitgeber hat zu keinem Zeitpunkt versucht, auf<br />
meine ehrenamtliche Arbeit einfluss zu nehmen.<br />
Für die Deutsche Umweltstiftung und für mich war<br />
es von allem Anfang an sehr wichtig, auf öffentliche<br />
Gelder zu verzichten, um politisch, wirtschaftlich und<br />
unabhängig sowie ungebunden arbeiten zu können.<br />
Seit der Gründung 1982 haben bis heute fast 1.300<br />
menschen Geld gestiftet. Übrigens sind alle Umweltbewegten,<br />
die über Verbandsgrenzen hinweg denken,<br />
herzlich eingeladen, dem Stifterkreis mit einem beliebigen<br />
Betrag beizutreten.<br />
Sie haben elf Geschwister. kommt daher Ihr Faible<br />
für gemeinschaftliche Aktionen in Bürgerinitiativen?<br />
„Faible“ ist kein kriterium für Arbeit in Bürgerinitiativen.<br />
was mir meine Familie und die Schulaufenthalte<br />
in internaten mitgegeben haben, sind Selbstständigkeit,<br />
Durchsetzungsvermögen, persönliche<br />
und unabhängige mobilität und die Fähigkeit, mich<br />
trotz Blindheit im leben zurechtzufinden.<br />
Aufgrund Ihrer langjährigen erfahrungen im<br />
umweltbereich: Was würden Sie einem jungen<br />
Menschen raten zu tun? Demonstrieren gehen?<br />
Geld spenden? kartoffeln selbst anbauen?<br />
keiner der drei Vorschläge! Junge menschen müssen<br />
mit offenen Augen durchs leben gehen und sich unabhängig<br />
zu den themen, die sie interessieren, informieren,<br />
kritisch hinterfragen, erfahrungen sammeln<br />
und nicht das von vorneherein übernehmen, was<br />
ihnen von gesellschaftlichen Gruppen und medien –<br />
welcher Art auch immer – als „wahrheit“ suggeriert<br />
wird. Sprich: Junge menschen müssen sich eine unabhängige,<br />
eigene meinung bilden. wenn sie das schaf-<br />
fen, brauche ich der Jugend nicht zu raten, was sie<br />
tun soll, sondern kann sie als erwachsene menschen<br />
akzeptieren und behandeln. wenn sie sich dann noch<br />
dazu entschließen, im Dienste von Natur und Umwelt<br />
ehrenamtlich zu arbeiten – was wollen wir mehr?<br />
Der Spiegel hat Sie 1995 als „blinden Seher“ bezeichnet.<br />
In diesem Jahr jährt sich der legendäre<br />
Rioerdgipfel zum 20. Mal. Was halten Sie für die<br />
wichtigsten Aufgaben der umweltpolitik?<br />
Diese Frage ist die schwierigste. Stichworte wie<br />
energiepolitik, klimawandel, ökologischer landbau,<br />
Verkehr, europa und so weiter sind zu plakativ als<br />
Antwort. Sie zu erläutern, würde zu weit führen. Viel<br />
wichtiger ist mir, dass die Naturschutz- und Umweltverbände<br />
noch enger zusammenrücken, ihre Stärke<br />
öffentlich demonstrieren und noch mehr Druck auf<br />
die politik ausüben, insbesondere auf die derzeit zuständigen<br />
minister wie röttgen und rösler. wenn es<br />
diesen nicht gelingt – weil sie es in wirklichkeit nicht<br />
wollen –, die Blockade der energiekonzerne und der<br />
wirtschaft zu brechen, neue energietrassen und den<br />
wechsel zu regenerativen energien durchzusetzen,<br />
dann wird neben dem „restrisiko Atomenergie“ unausweichlich<br />
ein weiteres hinzukommen: das „restrisiko<br />
mensch“.<br />
[Interview: Juliane Grüning]<br />
Hans Günter Schumacher wurde 1934 geboren<br />
und schlug nach dem Abitur eine Beamtenlaufbahn<br />
ein. Seit 1992 ist er im Ruhestand.<br />
Von 1977 bis 2011 war er ehrenamtlich für die<br />
umwelt tätig. Dafür wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz,<br />
dem Verdienstorden des landes<br />
RheinlandPfalz und der DNRNaturschutzmedaille<br />
geehrt.<br />
kontakt: tel. +49<br />
(0)6266 / 23795400,<br />
eMail: info@deut<br />
scheumweltstiftung.de,<br />
www.deutscheumwelt<br />
stiftung.de,<br />
www.umweltstifter.de<br />
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