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Februar 2012 - EU-Koordination

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Service<br />

REzENSIoNEN<br />

Reissaatgut. Die Eröffnung einer Farm<br />

folgte fünf Jahre später. Dort werden seitdem<br />

700 bedrohte Reissorten bewahrt.<br />

Die neun Kapitel des Buches zerlegen<br />

Entstehung und Wirkung des herrschenden<br />

Entwicklungsideals und entwerfen<br />

Alternativen. Der Autor prüft vor allem<br />

Beiträge aus Ökologie, Umweltgeschichte,<br />

Ethnologie und Ökologischer Ökonomie.<br />

Von seinen eigenen Forschungen profitieren<br />

die Passagen zur Forst- und Landwirtschaft<br />

und zum ökologischen Wissen<br />

indigener Gemeinschaften. Aufschlussreich<br />

sind Referate zum Eurozentrismus,<br />

zur technisch-militärischen Expansion des<br />

Westens und zu den Unzulänglichkeiten<br />

des ökonomischen Modells vom rationalen<br />

Nutzenmaximierer.<br />

Deb untersucht zahlreiche Einrichtungen,<br />

mittels derer indigene Gemeinschaften<br />

die nachhaltige Nutzung ihrer Umwelt<br />

überliefern konnten, zum Beispiel Schonzeiten,<br />

Jagdtabus und heilige Haine. Charakteristisch<br />

sei, so der Autor, dass dieses<br />

„traditionelle ökologische Wissen“ auf gemeinschaftlichen<br />

Entscheidungen beruhe.<br />

Einer übermäßigen Bereicherung Einzelner<br />

auf Kosten von Umwelt und Gemeinschaft<br />

werde so vorgebeugt. Eindrucksvoll<br />

schildert Deb, wie die Industrialisierung<br />

diese Einrichtungen verdrängt – zugunsten<br />

einer profitorientierten Nutzung natürlicher<br />

Ressourcen.<br />

Deb empfiehlt jedoch nicht, vorindustrielle<br />

Lebensweisen schlicht zu kopieren.<br />

Er prüft Institutionen, mit deren Hilfe<br />

eine „lebendige Demokratie“ traditionelle<br />

ökologische Einsichten umsetzen kann:<br />

Umweltbildung, ökologische Ethik, bürgerliche<br />

Verantwortung, Generationengerechtigkeit<br />

und die gemeinschaftliche Verwaltung<br />

der Ressourcen – ohne staatliche<br />

und private Einmischung.<br />

Industrielle Modelle eines „nachhaltigen<br />

Wachstums“ weist Deb zurück. Im Mittelpunkt<br />

stehen stattdessen Überlegungen,<br />

den Verbrauch erneuerbarer Ressourcen<br />

an deren Wachstum zu koppeln, während<br />

nicht erneuerbare Ressourcen unangetastet<br />

bleiben müssen. Am Beispiel traditioneller<br />

Landwirtschaft zeigt Deb, wie eine solche<br />

„Nullwachstumswirtschaft“ möglich ist –<br />

bei Gewährleistung der Nahrungssicher-<br />

heit. Er stellt weitere Schritte vor, um den<br />

Wandel einzuleiten, beispielsweise die Förderung<br />

„kleiner Wissenschaft“, die lokal arbeitet<br />

und mit geringen finanziellen und<br />

materiellen Mitteln auskommt.<br />

Beeindruckend sind nicht in erster<br />

Linie die Befunde und Vorschläge, die<br />

uns teils geläufig sind. Wahrhaft originell<br />

ist, wie konsequent und detailliert Deb<br />

den „Mythen und Fehlentwürfen“ unseres<br />

Entwicklungsdenkens folgt. Dabei<br />

bleiben Fragen offen: Wohl zeichnet Deb<br />

vielversprechende Alternativen, und seine<br />

Beschreibung der Kräfteverhältnisse in<br />

Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft<br />

ist ausgewogen. Sie eignet sich<br />

als Grundlage, um unseren Übergang in<br />

eine ökologische Gesellschaft näher zu<br />

besprechen. Doch diese Fragen stehen im<br />

Hintergrund. Dazu passt, dass Deb seinen<br />

eigenen Entwurf lediglich zwanglos „ökosozialistisch“<br />

nennt. Das betont die Rolle<br />

der gemeinschaftlichen Ressourcenverwaltung;<br />

eine politische Zuordnung ist es<br />

nicht.<br />

Deb hält fest, es gehe ihm „gewiss nicht“<br />

darum, den „künftigen Kurs globaler Entwicklung“<br />

umfassend vorzuzeichnen. Vielmehr<br />

wolle er eine begriffliche Grundlage<br />

schaffen für einen Wandel in der Developmentality.<br />

Diese Offenheit können wir<br />

als Einlösung seines demokratischen Anspruchs<br />

begrüßen. Denn wir haben gelernt,<br />

Prognosen zu misstrauen, die alle kulturelle<br />

Praxis unerbittlich ihren Imperativen<br />

unterzuordnen suchen. Der Philosoph<br />

Konrad Ott fordert für die Umweltethik,<br />

sie „sollte in analytischer, nicht in missionarischer<br />

Einstellung betrieben werden“.<br />

Wer diesen Anspruch teilt, findet in Debal<br />

Deb einen beeindruckenden, einen wichtigen<br />

Gesprächspartner. Er verfolgt sein<br />

Thema radikal und sachlich. Und mit tiefer<br />

Anteilnahme. [Dino Kosjak]<br />

X Deb, D.: Beyond Developmentality. Constructing<br />

Inclusive Freedom and Sustainability, Earthscan,<br />

London 2009, 605 S., 30,99 €, ISBN 978-1-84407-<br />

711-3. www.kurzlink.de/developmentality<br />

Überarbeitete Auflage in Vorbereitung.<br />

Eine Langfassung dieser Rezension ist<br />

unter www.kurzlink.de/kosjak zu finden.<br />

Do it yourself<br />

Alle Welt zeigt<br />

auf die Treibhausgasemissionen.<br />

Die<br />

Zukunft sieht düster<br />

aus. Von Umweltschutz<br />

reden<br />

viele, doch kaum<br />

jemand tut etwas.<br />

Viel zu bequem<br />

sind Fortschritt<br />

und Luxus der Ersten<br />

Welt. Von Menschen, die sich aufraffen<br />

und etwas Neues ausprobieren, handelt<br />

dieses Buch. Annette Jensen, frühere Wirtschafts-<br />

und Umweltredakteurin der Taz,<br />

berichtet von Einzelnen, Gruppen und<br />

Vereinen aus Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz, die eine besondere Idee hatten<br />

– und den Mut, diese auch umzusetzen. Sie<br />

kommen aus den Bereichen Energie, Verkehr,<br />

Produktion, Landwirtschaft und Finanzen<br />

und haben unterschiedliche Motivationen:<br />

Die einen wollen lediglich ihre<br />

Idee verwirklichen, andere durch Energiesparmaßnahmen<br />

Geld sparen oder sich<br />

Unabhängigkeit von Großkonzernen verschaffen<br />

und wieder andere haben tatsächlich<br />

den Umweltschutz und das Allgemeinwohl<br />

im Sinn.<br />

So investierte ein Rentner viel Geld, um<br />

den Bau seines Hauses energieeffizient zu<br />

gestalten. Im Sommer produziert nun die<br />

Fotovoltaikanlage auf dem Dach so viel<br />

Strom, dass fast die Hälfte davon ins öffentliche<br />

Netz eingespeist werden kann. Eine<br />

Dorfgemeinschaft in Baden-Württemberg<br />

wollte nicht für jeden Einkauf zehn Kilometer<br />

weit zum nächsten Geschäft fahren<br />

und gründete einen genossenschaftlichen<br />

Laden mit Produkten aus der Region. Ein<br />

Agraringenieur beschreibt, wie er die nährstoffreiche<br />

Terra preta aus Küchenabfällen,<br />

Holzkohle und Fäkalien selbst herstellt.<br />

Das sind nur drei von über 90 Initiativen,<br />

die in dem Buch vorgestellt werden.<br />

Jensen schreibt in einer Mischung aus<br />

Theorie mit vielen Informationen und<br />

praktischer Umsetzung. Die Autorin beeindruckt<br />

mit viel Wissen und genauen<br />

Recherchen, die im Quellenverzeichnis<br />

nachvollziehbar sind. Dabei ist das Buch<br />

34 <strong>Februar</strong> <strong>2012</strong> umwelt aktuell

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