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West Papua - Evangelische Kirche von Westfalen

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war nicht in der Lage, sich einen Rechtsanwalt<br />

zu nehmen. Darum ging sie direkt zum Richter, in<br />

der Hoffnung, der Richter werde für sie gleichzeitig<br />

Rechtsanwalt und Richter sein [2].<br />

Es ist schon merkwürdig und schwer zu verstehen,<br />

dass eine Witwe zu einem Richter geht, der<br />

einen ganz schlechten Ruf hat [3]. Sie könnte<br />

doch besser zu einem Gericht gehen, das dem<br />

Volk nahe steht. Denn der Richter kannte offenbar<br />

keine religiösen Grundsätze, und die öffentliche<br />

Meinung scherte ihn nicht. Was Gott sagte,<br />

was die Menschen dachten, all das interessierte<br />

ihn nicht. Und doch ging die Witwe zu ihm, einem<br />

Richter mit schlechtem Ruf. Schade, dass die<br />

Geschichte an dieser Stelle nicht ausführlicher<br />

ist. Wir würden gern wissen, wie alt diese Witwe<br />

war, ob sie reich oder arm war, und warum sie<br />

sich entschied, zu einem Richter zu gehen, <strong>von</strong><br />

dem es heißt „er fürchtete sich nicht vor Gott und<br />

scheute sich vor keinem Menschen“. Es wird leider<br />

nicht gesagt [4].<br />

Als eine Witwe war sie eine Person, die auf der<br />

untersten Stufe der Gesellschaft stand, der man<br />

ungestraft Unrecht tun konnte. Ihre einzige Möglichkeit,<br />

sich zu wehren, bestand darin, dass sie<br />

ihren Fall einem Richter vortragen konnte und<br />

sie diesen Richter bat: „Schaffe mir Recht gegen<br />

meinen Widersacher!“ Die Worte „schaffe<br />

mir Recht“ sind Worte aus dem Sprachgebrauch<br />

des Rechtswesens, der Gerichte. Sie bedeuten<br />

auch: „Nimm meinen Fall entgegen“, oder: „Hilf<br />

mir, dass ich mein Recht bekomme“ [5]. Die Witwe<br />

bittet den Richter, ihr zu helfen, obwohl er<br />

eine schlechte Reputation hat und möglicherweise<br />

gar nicht helfen will. Und natürlich weist der<br />

Richter die Bitte zurück. Wahrscheinlich hat er<br />

sie abgewiesen mit den Worten, die im Gericht<br />

üblich sind: „Der nächste Fall, bitte!“<br />

Die einzige Macht, die diese Frau besitzt, ist ihre<br />

Ausdauer, ihre Zähigkeit. Jeden Tag geht sie<br />

aufs neue zu dem Richter mit der gleichen Bitte:<br />

„Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!“<br />

Die Ausdauer und Zähigkeit dieser Witwe ist ihre<br />

Waffe, die den Richter schließlich nervös macht.<br />

So spricht er schließlich zu sich selbst und sagt:<br />

„Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch<br />

keinen Menschen scheue, will ich doch dieser<br />

Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht<br />

schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir<br />

ins Gesicht schlage!“ Er fürchtet natürlich keinen<br />

körperlichen Angriff der Frau auf sich und hält<br />

sie nach wie vor für unbedeutend. [6] Aber die<br />

Hartnäckigkeit der Frau beeindruckt ihn wirklich.<br />

Vielleicht dachte er, dass die Frau nicht wiederkommen<br />

würde, nachdem er sie einmal wegge-<br />

gerechte gemeinschaft <strong>von</strong> männern und frauen gottesdienst 2011<br />

Materialien für den Gottesdienst<br />

schickt hat, aber sie kam immer wieder mit der<br />

gleichen Bitte. Diese Hartnäckigkeit konnte er<br />

nicht ertragen. Er gibt nach, er übernimmt den<br />

Fall, untersucht ihn oder auch nicht, aber sicherlich<br />

hat er der Frau zu ihrem Recht verholfen.<br />

Die Anwendung:<br />

Liebe Schwestern und Brüder,<br />

Jesus wird im Gleichnis vom ungerechten Richter<br />

noch spezieller als im Gleichnis vom „Freund,<br />

der in Nacht um Brot bittet“ (Lukas 11, 5-8). Im<br />

Gleichnis vom bittenden Freund müssen wir uns<br />

die Bedeutung aus dem Kontext erschließen,<br />

während das Gleichnis vom ungerechten Richter<br />

schon Aussage und Anwendung enthält. Denn<br />

Jesus beendet das Gleichnis mit dem Satz:<br />

„Hört, was der ungerechte Richter sagt!“ [7]. Er<br />

will, dass seine Jünger genau hinhören auf das,<br />

was der Richter gesagt hat. Die Worte des Richters<br />

enthalten das, was Jesus mit dem Gleichnis<br />

sagen will. Wie im Gleichnis vom bittenden<br />

Freund gebraucht Jesus auch hier einen Vergleich:<br />

Er vergleicht das Schlechteste im Menschen<br />

mit dem Besten bei Gott: „Dies hat der<br />

grausame Richter gesagt und getan. Sollte Gott<br />

nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten,<br />

die Tag und Nacht zu ihm rufen?“ Mit andern<br />

Worten: Niemand darf Gott darstellen als einen<br />

Herrn, der keine Gefühle hätte, der sich nicht bewegen<br />

ließe, wie der weltliche Richter in diesem<br />

Gleichnis. Jesus will sagen: Wenn schon dieser<br />

grausame Richter, der nach eigener Aussage<br />

weder auf Gott noch auf Menschen hört, die Bitte<br />

der Witwe schließlich erfüllt, wird nicht Gott viel<br />

eher seiner Gemeinde Gerechtigkeit schaffen,<br />

die Tag und Nacht zu ihm ruft?<br />

Zwischen der Witwe und dem Richter gibt es keinerlei<br />

Beziehung, keine gemeinsame Ebene, weder<br />

im sozialen Bereich, noch gesellschaftlich,<br />

noch in der Religion. Der Richter will die Witwe<br />

nur los sein, nachdem er seine Anwaltstätigkeit<br />

für die Frau beendet hat. Er hat sie angehört, er<br />

hat ihr Recht verschafft. Das war es. Ganz anders<br />

Gott. Er hat sich seine Gemeinde selbst<br />

erwählt. Er wendet sich ihr zu, denn sie gehört<br />

ihm [8]. Wenn seine Gemeinde Tag und Nacht<br />

zu ihm bittet, nimmt Gott ihr Anliegen ernst und<br />

verschafft ihr Gerechtigkeit. Wenn eine Witwe zu<br />

Gott betet und ihn bittet, dann wird sie Gerechtigkeit<br />

erhalten, denn Gott erhört Gebete [9]. Der<br />

Richter erhörte die Frau nur, weil er sie los sein<br />

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