gesamt 12 - Evolutionsfehler.de
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Konservatismus<br />
Im Gegensatz zum Liberalismus und erst recht<br />
zum Marxismus ist es <strong>de</strong>m Konservatismus nie<br />
gelungen, eine geschlossene Gesellschaftstheorie<br />
zu entwickeln, in <strong>de</strong>r sich alle Konservativen<br />
wie<strong>de</strong>rerkennen könnten. Konservative,<br />
die die bestehen<strong>de</strong> Gesellschaft in ihren Strukturen<br />
o<strong>de</strong>r Werten erhalten wollten, haben<br />
immer auf die Herausfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rer<br />
(Liberale, Sozialisten, Reaktionäre, Faschisten)<br />
reagieren müssen; da sie selbst Gesellschaft<br />
nicht verän<strong>de</strong>rn wollen, fehlt ihnen <strong>de</strong>r Zukunftsbezug,<br />
die große Utopie, auf die hin Gesellschaft<br />
gestaltet wer<strong>de</strong>n soll. Je<strong>de</strong> gesellschaftliche<br />
Verän<strong>de</strong>rung, wenn sie <strong>de</strong>nn stattgefun<strong>de</strong>n<br />
und sich bewährt hat, gilt als bewahrens-<br />
und erhaltenswert. So verteidigt <strong>de</strong>r Konservative<br />
von heute gesellschaftliche Strukturen,<br />
die er gestern noch bekämpfte. Liberale<br />
Positionen, im 19. und frühen 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
von Konservativen noch erbittert abgelehnt,<br />
sind heute von ihnen ebenso entschie<strong>de</strong>n besetzt.<br />
Es gibt daher keine konservative Tradition<br />
o<strong>de</strong>r Schule. Es ist nicht einmal klar, wer<br />
konservativ ist: <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokrat, <strong>de</strong>r konservative<br />
Werte verteidigt, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Grüne, <strong>de</strong>r<br />
Unkrautvernichtungsmittel ablehnt, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Philosoph, <strong>de</strong>r die Technokratie verherrlicht?<br />
Es wur<strong>de</strong> daher auch darauf verzichtet, konservative<br />
Texte aus <strong>de</strong>r Geschichte (mit Ausnahme<br />
<strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> von Burke [S. 2411, die eine<br />
Tradition darstellt) in die Textsammlung aufzunehmen,<br />
da uns heute die damals zu bewahren<strong>de</strong>n<br />
gesellschaftlichen Strukturen fremd<br />
sind. Der interessierte Schüler sei auf Hegel,<br />
Stahl, Görres u. a. verwiesen.<br />
Trotz fehlen<strong>de</strong>r Tradition und Theorie gibt es<br />
jedoch Grundpositionen, die – über Abneigung<br />
gegen Neuerungen und Hängen am Alten hinaus<br />
<strong>de</strong>n meisten Konservativen gemeinsam<br />
sind. - ein Menschenbild und ein Geschichtsverständnis,<br />
die sich von <strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>rer I<strong>de</strong>ologien<br />
unterschei<strong>de</strong>n und von <strong>de</strong>nen sich Abwehrstrategien<br />
gegen Neuerungen, so unterschiedlich<br />
sie auch sein mögen, ableiten lassen<br />
(vgl. dazu die Thesen von Kaltenbrunner,<br />
S. 241 ff).<br />
(Walter Kappmeier)<br />
Begriffsbestimmungen<br />
Was heißt heute konservativ?<br />
24<br />
Konservativ ist es, <strong>de</strong>m Gewachsenen und<br />
Gewor<strong>de</strong>nen zu vertrauen, seine ihm innewohnen<strong>de</strong><br />
Vernunft höher zu schätzen als die Logik<br />
<strong>de</strong>s Machbaren und Planbaren. Konservativ<br />
ist die Überzeugung, dass die Institutionalisierbarkeit<br />
<strong>de</strong>s menschlichen Glücks eine Illusion<br />
ist, dass es eine vollkommene, gerechte Gesellschaft<br />
nicht geben kann, dass wir äußeren<br />
Zufällen und <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r individuellen<br />
Verfassung nicht entgehen können, dass<br />
unser Glück vor <strong>de</strong>m unauslöschbaren Hintergrund<br />
von Unglück und Tod steht. Konservativ<br />
ist die Überzeugung, dass die Menschen durch<br />
Verwöhnung moralisch korrumpiert und infantilisiert<br />
wer<strong>de</strong>n, dass Arbeit und das Ertragen<br />
von Unlust und Verzicht Bedingungen unserer<br />
Existenz sind. ( ... )<br />
Konservativ ist aber auch <strong>de</strong>r kritiklose Glaube<br />
an Autoritäten und eine gewisse Härte und<br />
Achtlosigkeit gegenüber menschlichen Lei<strong>de</strong>n<br />
und Bedürftigkeiten. Konservativ sein kann<br />
heißen, normativ statt sachlich und situationsbezogen<br />
zu <strong>de</strong>nken, neue Entwicklungen und<br />
Möglichkeiten grundsätzlich abzulehnen und<br />
sich <strong>de</strong>fensiv auf Reservate verklärter Vergangenheit<br />
und die eigenen Privilegien zurückzuziehen.<br />
Heute, da wir mit <strong>de</strong>n katastrophalen Folgen<br />
<strong>de</strong>s industriellen Wachstums und <strong>de</strong>r Fortschrittsi<strong>de</strong>ologen<br />
konfrontiert sind, stecken im<br />
konservativen Denken Potenzen für eine notwendige<br />
Neuorientierung unseres Lebens. Soll<br />
das nicht rein nostalgisch o<strong>de</strong>r reaktionär ausfallen<br />
und in sentimentaler Ohnmacht en<strong>de</strong>n,<br />
muss sich die konservative Kulturkritik in praktisches<br />
Denken verwan<strong>de</strong>ln, das ausgeht von<br />
<strong>de</strong>n gegenwärtigen Bedingungen und Möglichkeiten<br />
und das in die kritische Wertediskussion<br />
die eigenen ungeprüften Axiome einbezieht.<br />
(Dieter Wellershoff [Schriftsteller] in: Die Zeit Nr. 43<br />
v. 16.10.1981, S. 42)<br />
Nicht die Erstarrung, son<strong>de</strong>rn die Instabilität.<br />
unserer Lebensverhältnis se ist es, die uns<br />
heute zu schaffen macht. Nicht verkrustete<br />
Traditionen drücken uns, vielmehr das ungelöste<br />
Problem, wie sich in einer dynamischen<br />
Zivilisation Traditionen, das heißt orientierungspraktische<br />
kulturelle Selbstverständlichkeiten<br />
überhaupt bil<strong>de</strong>n lassen. Die Menge <strong>de</strong>r<br />
Reformen, die sich als Realisierung gen "konkreter<br />
Utopien" feiern ließen, nimmt ständig ab.<br />
Dafür nimmt <strong>de</strong>r Anteil solcher "Reformen" zu,<br />
die ihrer Struktur nach nichts an<strong>de</strong>res als nötige<br />
Kompensationen von Schädlichkeitsnebenfolgen<br />
eines Fortschritts sind, <strong>de</strong>r nicht erst frei