Dresden Discussion Paper Series in Economics - Technische ...
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f<strong>in</strong>anziellen Transfers von seit 1991 unverändert rund 70 Milliarden Euro jährlich<br />
ke<strong>in</strong>e Erfolgsgeschichte im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung.<br />
Sie wird sogar von vielen als e<strong>in</strong> gewaltiges Vergeudungsdesaster angesehen.<br />
Es besteht die realistische Gefahr, daß sich die neuen Bundesländer zu e<strong>in</strong>er Region<br />
mit chronischem Mezzogiornocharakter entwickeln.<br />
E<strong>in</strong> selbsttragender und nachhaltiger ökonomischer Aufschwung <strong>in</strong> den neuen Bundesländern<br />
ist ohne e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Bereitschaft der dort lebenden und <strong>in</strong> der ehemaligen<br />
DDR sozialisierten Menschen offensichtlich nicht zu erreichen. Unternehmensgründungen,<br />
die freie Entfaltung der Kreativität, bürger- und zivilgesellschaftliches Engagement,<br />
Zufriedenheit mit dem Erreichten – all diese D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d nicht zu verordnen,<br />
sondern bedürfen e<strong>in</strong>es von <strong>in</strong>nen getragenen mentalen Wandels im Gesellschaftscharakter.<br />
In den neuen Bundesländern muß sich e<strong>in</strong>e echte <strong>in</strong>nere Distanz<br />
zum alten autoritär-repressiven System der DDR noch entwickeln, um e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />
B<strong>in</strong>dung an die neuen gesellschaftlich-kulturellen Verhältnisse zu ermöglichen.<br />
Das Ergebnis dessen sollte ke<strong>in</strong>e falsch verstandene „verwestlichte“ kopierte<br />
Pseudoidentität für die Menschen aus der ehemaligen DDR se<strong>in</strong>, sondern e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere<br />
Emanzipation, die die eigene Vergangenheit mit ihren Problemen anzunehmen <strong>in</strong><br />
der Lage ist, um e<strong>in</strong>en eigenen selbstbewußten Standpunkt <strong>in</strong> der neuen Gesellschaft<br />
e<strong>in</strong>nehmen zu können und sich nicht selbst zu entfremden.<br />
Die bisherigen wirtschaftspolitischen Strategien zum Transformationsprozeß <strong>in</strong> den<br />
neuen Bundesländern zielen, verkürzt gesagt, auf die Schaffung kurzfristiger ökonomischer<br />
Anreize, um eigennützliche Handlungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gesellschaftlich gewünschte<br />
Richtung zu lenken. Das ist aus der Perspektive orthodoxer Ökonomik<br />
e<strong>in</strong>facher und praktikabler als der Versuch, soziale Verhaltensnormen, Mentalitäten<br />
und Denkgewohnheiten gesellschaftlich zu implementieren und zu <strong>in</strong>ternalisieren.<br />
Das Beharrungsvermögen <strong>in</strong> alten antra<strong>in</strong>ierten und geübten Denkgewohnheiten<br />
ergibt aber e<strong>in</strong> für die Transformationsproblematik Ostdeutschlands hartnäckiges<br />
Problem: Nostalgie, fehlende Veränderungsbereitschaft und Vore<strong>in</strong>genommenheit<br />
gegenüber fremden Lebensstilen und Weltanschauungen speisen sich im Ostteil des<br />
wiedervere<strong>in</strong>igten Deutschlands nach wie vor mental aus der autoritär-repressiv geprägten<br />
Vergangenheit. Das Beharrungsvermögen der Denkgewohnheiten ist <strong>in</strong> dieser<br />
Vergangenheit ideologisch immunisiert worden.<br />
Im S<strong>in</strong>ne Geigers 107 s<strong>in</strong>d die Menschen kraft ihrer statusgeprägten Mentalität für<br />
ganz bestimmte ideologische Doktr<strong>in</strong>en empfänglich. Auf der anderen Seite kann die<br />
Mentalitätsverfassung der Bevölkerung aber nicht unmittelbar ideologisch vorgegeben<br />
werden. Die Mentalität formt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em langfristigen Prozeß <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />
vom Veblenschen ‚Regime of Status‘ und <strong>in</strong> Interaktion mit der (subjektiv empfundenen)<br />
ökonomischen Realität und den Bed<strong>in</strong>gungen der sozialen Umwelt. Wir haben<br />
gezeigt, daß sich die „DDR“-Mentalität im deutsch-deutschen Kontext aufgrund<br />
107 Geiger (1987, S. 78) spricht tatsächlich von der „schichttypischen Mentalität“. Im S<strong>in</strong>ne des Veblenschen<br />
„Regime-of-Status-Ansatzes“ ist es im hier erörterten Kontext gerechtfertigt, die Formulierungen<br />
„schichttypisch“ oder „von e<strong>in</strong>em bestimmten gesellschaftlichen Status geprägt“ äquivalent zu<br />
verwenden.<br />
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