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schmitzkatze 04 - Schmitz Buch

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carpe diem - nutze<br />

Dienstag, 24. September, 19.00 Uhr. In meiner kleinen Küche sitzen Gabi und Ditmar<br />

Zimmermann und freuen sich, dass ich tatsächlich daran gedacht habe, ein bisschen Käse<br />

und eine Flasche Wein auf den Tisch zu stellen. Wir plaudern miteinander, ich rede viel<br />

zu schnell und viel zu viel. Eigentlich, denke ich, bin ich sonst souveräner. Aber heute<br />

fühle ich mich unsicher. Gabi und Ditmar Zimmermann sitzen bei mir, um über ihren<br />

Sohn Benjamin zu erzählen. Er ist seit zwei Jahren tot. Er wurde nur 21 Jahre alt<br />

Benjamin war gerade zwanzig Jahre alt, als die Ärzte ein Hypernephrom,<br />

einen Nierentumor, den eigentlich nur Männer<br />

über sechzig bekommen, diagnostizieren.<br />

»Mir war sofort klar, wie dramatisch die Krankheit verlaufen<br />

würde. Ich sah die Tränen in den Augen unseres Hausarztes. Da<br />

wusste ich Bescheid.«, erzählt Gabi Zimmermann.<br />

Noch am selben Tag kommt Benjamin ins Krankenhaus. In der<br />

darauf folgenden Woche wird er operiert.<br />

»Wenn ich wach werde,« fragt er seinen Vater. »Sagst du mir<br />

dann die Wahrheit?« Ditmar Zimmermann verspricht es ihm.<br />

»Ich konnte ihn tatsächlich zunächst beruhigen. Die Operation<br />

war erfolgreich verlaufen, Metastasen hatte man keine gefunden.«<br />

Stark geschwächt, aber guten Mutes wird Benjamin kurze Zeit<br />

später aus dem Krankenhaus entlassen. Bei der ersten Kontrolluntersuchung<br />

scheint auch noch alles gut zu sein.<br />

»Ich habe aber da schon an dem Blick und der Stimme des<br />

Arztes erkannt, dass irgendetwas nicht stimmte.« erzählt Gabi.<br />

Und tatsächlich kommt zwei Tage später der niederschmetternde<br />

Anruf des Operateurs. Nichts sei gut, aber das hätte er<br />

Benjamin nicht sagen können. »Der Junge sah doch so glücklich<br />

aus.«<br />

»Breaking Bad News. Das Überbringen von schlechten Nachrichten<br />

haben die meisten Ärzte doch nicht gelernt.« Ditmar<br />

Zimmermann mischt sich jetzt vehement in das Gespräch ein.<br />

»Da kann man den Ärzten nicht einmal einen Vorwurf machen.<br />

Aber ich hatte doch meinem Sohn ein Versprechen gegeben. Da<br />

fühlst du dich auf einmal ziemlich alleine gelassen.«<br />

Ein alternativer Therapieversuch scheitert, der Gesundheitszustand<br />

von Benjamin verschlechtert sich rapide. Die Metastasen<br />

haben seine Wirbelsäule angegriffen, ihm drohen Wirbel zu<br />

brechen, Querschnittslähmung, er hat permanent Schmerzen.<br />

In dieser Phase haben sie den ersten Kontakt zum Zentrum für<br />

Palliativmedizin an den Kliniken Essen-Mitte.<br />

Dort fühlen alle drei sich zum ersten Mal gut aufgehoben.<br />

Obwohl, eigentlich stimmt es nicht ganz.<br />

»Benjamin lehnte die Ärztin zunächst ab.« erzählt Ditmar.<br />

Aus gutem Grund. Die Frau schont ihn nämlich nicht. Sie<br />

erklärt Benjamin wohl nur soviel, wie er hören möchte (und das<br />

ist an dem ersten Tag nicht sehr viel), aber sie sagt ihm die Wahrheit.<br />

Immerhin versöhnen die Medikamente ein wenig, die sie<br />

ihm verabreicht. Zum ersten Mal seit langem ist er einigermaßen<br />

schmerzfrei.<br />

Jedoch ahnt Benjamin langsam, was für seine Eltern seit einiger<br />

Zeit Gewissheit ist. Er befindet sich in seinem letzten Lebensabschnitt.<br />

– Und er richtet sich darin ein.<br />

Er hat seine Lena. Für beide ist es die Liebe ihres Lebens.<br />

Er bereitet sich auf sein Abitur vor und möchte auf keinen Fall<br />

etwas geschenkt bekommen.<br />

Aus Sorge, zu spät zu kommen, lässt er sich von seinem Vater<br />

jeden Morgen zu den schriftlichen Prüfungen fahren.<br />

Die Klausuren absolviert er, voll gepumpt mit Medikamenten,<br />

aber noch ohne Krücken. Die mündliche Prüfung besteht er im<br />

Krankenhaus auf der Palliativstation – mit Krücken.<br />

Das Gymnasium sei ungeheuer entgegenkommend gewesen<br />

und hat uns alle Freiheiten gegeben, sagt Gabi Zimmermann.<br />

Nicht nur, dass Benjamin in die Schule konnte und kommen<br />

durfte, wann immer es ging. Auch Lena, die zwei Stufen unter<br />

ihm war, wurde freigestellt, wann immer sie wollte. Benjamin<br />

war eben wichtiger als Schule. Das akzeptierte das ganze Kollegium.<br />

Die beiden unternehmen noch eine gemeinsame Reise – eine<br />

Mittelmeer-Kreuzfahrt. Da er vom Palliativzentrum medikamentös<br />

gut eingestellt wurde, kann Benjamin die Zeit genießen. Es<br />

gibt keine Komplikationen.

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