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schmitzkatze 04 - Schmitz Buch

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Schlechtes Wetter hat schon manchen Besuch einer Metropole<br />

nachhaltig getrübt, doch dieser Dauerregen adelte Venedig noch.<br />

Die Erinnerung lässt mich noch immer so platte Sprüche denken<br />

wie: Venedig ist keine Stadt, sondern ein Gefühl.<br />

Am Ende unseres Aqua Alta-Tages war ich so durchnässt wie<br />

noch nie in meinem Leben und hatte es doch nicht bemerkt.<br />

Venedig war einfach wunderschön... Wurde dieses deutsche<br />

Wort wunderschön nicht ohnehin für Venedig erfunden?<br />

Wie gesagt: Ohne Thomas wäre ich nicht nach Venedig<br />

gekommen. Er wohl auch so schnell nicht, wenn es nicht noch<br />

einige Jahre davor ebenfalls eine Art Wette gegeben hätte. Der<br />

tschechische Künstler Stepan Zavrel war 1992 aus seinem Wahl-<br />

Exil Venetien nach Werden gereist, stellte seine Kinderbücher<br />

vor und erzählte von Le Immagini della Fantasia, der Ausstellung<br />

von Bilderbuchillustratoren aus aller Welt, die in den bedeutendsten<br />

Museen der Welt schon zu sehen gewesen sei, nur nie<br />

in Deutschland. Dieses Land sei offenbar nicht imstande, die<br />

Bedeutung zu erkennen. Damit hatte er bei Thomas <strong>Schmitz</strong> den<br />

richtigen Nerv getroffen. Er widersprach Zavrel und überzeugte<br />

mich mitzumachen. Mehrmals reisten wir zu dem Künstler,<br />

lernten echtes norditalienisches Leben und Verhandeln kennen,<br />

meistens nachts in der einzigen Pizzeria am Platze im touristenfreien<br />

Sarmede in Venetien. Dort gab Stepan uns auch den entscheidenden<br />

Tipp: »Wenn ihr noch einen Tag Zeit habt: Venedig<br />

ist nicht weit und im November ist es dort am schönsten.«<br />

Sogar mein Sohn war schon im Grundschulalter von Venedig<br />

hingerissen, obwohl ihm tagelang nichts zur Verfügung stand,<br />

was die Freizeit eines Kids heute ausmacht. Dazu trug ein Kinderbuch<br />

bei, das ich als ersten Tipp auch erwachsenen Besuchern<br />

ans Herz legen möchte:<br />

»Lavendel in Venedig« von Christina Björk und Inga-Karin<br />

Eriksson ist der beste Reiseführer der Lagunenstadt, den ich kenne.<br />

Das Bildbändchen macht mehr neugierig, als dass es erklärt.<br />

Man sucht die Löwen, sucht die Pferde in der Kirche St. Markus.<br />

Richtige Reiseführer gibt es ohne Ende. Aber so lange Sie nicht<br />

über eine Woche dort bleiben wollen, dürfte eine kleine Karte<br />

reichen. Denn in dem Labyrinth ist das wichtigste, die Grundstruktur<br />

des langen S des Canale Grande zu begreifen; dieses<br />

genialen Wasserwurmes, der an den Vierteln vorbeiführt.<br />

Der lesenswerteste Reiseführer war mir »Gebrauchsanweisung<br />

für Venedig«; der jedoch als Nachschlagewerk ungeeignet ist.<br />

Aber auch dieses Bändchen weckt Neugier.<br />

Großartig ist selbstverständlich »Der Herr der Diebe«. Mit<br />

diesem Roman hat Cornelia Funke ein kleines Meisterwerk<br />

geschaffen.<br />

Wenn ich auch die Spätherbst-Atmosphäre des Badeortes Lido<br />

nicht kenne, so ist die Insel zwischen Lagune und Meer doch<br />

ohne Thomas Manns »Tod in Venedig« halb so interessant.<br />

Die Liste der großen Autoren, die über Venedig geschrieben<br />

haben, nimmt kein Ende. Zur Zeit dürfte Donna Leon die<br />

populärste sein. Ich schätze sie als Kennerin Venedigs mehr, als<br />

für ihre Fähigkeit, Spannung zu erzeugen. Aber Commissario<br />

Brunetti ist schon ein faszinierender Typ, den man sich als Ergebnis<br />

dieser Stadt sehr gut vorstellen kann.<br />

Gutes Handwerk sind auch die historischen Kriminal-Romane<br />

von Nicolas Remin »Schnee in Venedig« und »Venezianische<br />

Verlobung«.<br />

Lieber habe ich aber Patricia Highsmith gelesen, deren »Venedig<br />

kann sehr kalt sein« dorthin führt.<br />

Hier darf ein Hörbuch nicht fehlen: Am besten gefiel mir die<br />

CD »Venedig« von Ulrich Tukur, auch nicht mal schlecht der<br />

Venedig-Führer aus dem Tandem-Verlag. Beide bieten Original-<br />

Töne, in denen Bewohner der Lagunenstadt erläutern, wann, wo<br />

und warum ihre Stadt so ist, wie sie ist.<br />

Vor meinem Arbeitszimmer hängt ein riesiges Bild des bei<br />

einem Unfall verstorbenen Stepan Zavrel: Es zeigt Venedig aus<br />

der Sicht des Lido in der im Westen untergehenden Sonne. Ich<br />

weiß nicht, ob es mich in den Jahren, in denen ich nicht nach<br />

Venedig gekommen bin, traurig gestimmt oder getröstet hat;<br />

wahrscheinlich beides. Wie Venedig eben: wunder- und bitterschön.<br />

Thomas und ich können Venedig im November nur empfehlen.<br />

Die Lagunenstadt ist ja absolut kein Geheimtipp, aber das<br />

mit dem November sagen Sie bitte keinem anderen weiter! Sonst<br />

muss ich zur Strafe doch noch laufen.<br />

Gereon <strong>Buch</strong>holz<br />

<strong>schmitzkatze</strong> <strong>04</strong><br />

07

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