schmitzkatze 04 - Schmitz Buch
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den tag<br />
»Nach seinem Urlaub fiel Benjamin dann erst einmal in ein<br />
tiefes Loch.«, berichtet sein Vater. »Aber wir haben gemeinsam<br />
Perspektiven geschaffen. Das ist es! Du musst Perspektiven<br />
schaffen. Sofort. Zeit hast du kaum welche.«<br />
Sein letzter Wunsch war ein Rennrad.<br />
»Damit fahre ich dann in die Schule und zu Lena und alle<br />
sagen, guck mal, da kommt der Benni mit dem Rennrad.«<br />
Er kauft sich sein Rennrad, blau, mit allem was dazugehört.<br />
Sogar eine Probefahrt gibt es noch. 1000 Meter bis zum See<br />
und zurück.<br />
Seine letzten Lebenstage verbringt Benjamin auf der Palliativstation<br />
des Huyssensstiftes, mit im Zimmer: seine Mutter.<br />
Ohne die wäre er dort nicht hingegangen. Bei seinem Vater<br />
entschuldigt er sich. »Jetzt nehme ich dir auch noch deine<br />
Frau weg. Sorry.«<br />
Er stirbt am 10. Oktober 2005.<br />
Warum erzähle ich Ihnen das alles?<br />
Ich habe meine <strong>Buch</strong>handlung hier in der Grafenstraße seit<br />
nahezu zwanzig Jahren und Benjamin wohnte direkt gegenüber.<br />
Wir hatten nie mehr als nachbarschaftlichen Kontakt,<br />
aber mal gab es eine wüste Schneeballschlacht in der Grafenstraße,<br />
mal half Benny in meinem Laden und holte sich vom<br />
eifrigen Prospektestempeln eine Zerrung im Arm, so dass<br />
seine Mutter mich tags darauf entrüstet fragte, was ich mit<br />
ihrem Sohn gemacht hätte. Als Teenie hatte er es meistens<br />
eilig, aber ein freundliches Nicken, ein kurzer Gruß – soviel<br />
Zeit war immer.<br />
Auch während seiner Krankheit sah ich ihn einige Male.<br />
Hinter seiner ernsten Miene erkannte ich immer noch das<br />
fröhliche Kindergesicht. Als er am 15. Oktober 2005 auf dem<br />
Friedhof in Werden begraben wurde, war ich wie gelähmt.<br />
Seine Eltern aber nicht!<br />
»Kurz nachdem Benjamin beerdigt wurde, gab es im Palliativzentrum<br />
eine Gedenkfeier für all die Verstorbenen des<br />
letzten Jahres. Und da haben wir soviel verzweifelte Menschen<br />
gesehen, dass für meine Frau klar war: wir gründen einen<br />
Förderverein.«, sagt Ditmar Zimmermann und fügt hinzu:<br />
»Damit Dinge finanziert werden, die sonst nicht finanziert<br />
werden können. Und aus Dankbarkeit dem Pflegepersonal<br />
gegenüber. Die machen so viel, das ist fast grenzwertig.«<br />
Im Juni 2006 gründeten sie den Verein Carpe Diem – Nutze<br />
den Tag.<br />
»Und jetzt sag bitte nicht, der Name sei aber abgedroschen.<br />
Das haben wir schon einige Male gehört. Es trifft einfach zu.<br />
Jeder Tag ist wichtig. Jeder einzelne. Kein Tag ist umsonst. Für<br />
meinen Sohn hat sich jeder Tag gelohnt, auch der letzte.«<br />
»Wie geht es euch heute, zwei Jahre danach?«, will ich<br />
wissen.<br />
Beide überlegen kurz, Ditmar Zimmermann antwortet:<br />
»Das Leben ohne Benjamin ist immer noch unwirklich. Man<br />
steht morgens auf, reagiert und sieht zu, wie man so manchen<br />
Tag hinkriegt. Einmal geht es besser, einmal schlechter.«<br />
Sie nickt zustimmend.<br />
Thomas <strong>Schmitz</strong><br />
Für mehr Informationen: www.carpediem-essen.de<br />
<strong>schmitzkatze</strong> <strong>schmitzkatze</strong> <strong>04</strong> 02<br />
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