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schmitzkatze 04 - Schmitz Buch

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06<br />

kolumne buchholz<br />

venedig im november<br />

Von Wetten und einer Spätherbstliebe<br />

Seit mittlerweile dreizehn Jahren schulde ich Thomas <strong>Schmitz</strong> einen gemeinsamen Jogginglauf<br />

um den Baldeneysee. Das ist immerhin ein Drittel eines Marathonlaufes und für einen ungeübten<br />

Läufer eine ganze Menge.<br />

November 1994. Damals standen wir am Fuße der Dolomiten und wollten unbedingt einen<br />

Berg erklimmen obwohl sich die Tankanzeige unseres Pickups schon lange im roten Bereich<br />

bewegte. Ich hatte gewettet, das Benzin würde nicht reichen, um mit dem Auto noch auf den<br />

Gipfel zu kommen. Thomas hielt dagegen und gewann. Der Sprit reichte. Wir konnten sogar<br />

noch bei der Abfahrt den Motor laufen lassen.<br />

Dabei hätte ich damals die Wettschuld ohnehin nicht einlösen können. Schon nach einer Seeseite<br />

Joggen wären meine Sehnen eine Woche nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Thomas war<br />

geduldig und bereit abzuwarten, bis ich trainierter sein würde. Nun ja, ich arbeite immer noch<br />

daran, zumindest gedanklich. Und heute, da bin ich mir sicher, hätte auch er so seine Probleme.<br />

Aber einen Marsch haben wir damals trotzdem gemacht und<br />

zwar einen ganz besonderen. Einen arbeitsfreien Tag nutzten wir<br />

um von Sarmede aus ins siebzig Kilometer entfernte Venedig zu<br />

fahren. Wolken zogen sich zusammen, der Himmel verdunkelte<br />

sich und bei strömenden Regen betraten wir die Lagunenstadt;<br />

beide zum ersten aber nicht zum letzten Mal. Sehnsucht geweckt<br />

hatte bei mir zuvor ein Film: Nicolas Roegs »Wenn die Gondeln<br />

Trauer tragen«. Die Geschichte ist so schrecklich schön, so zart<br />

und brutal; und man erkennt sofort: Das kann nur an einem Ort<br />

der Welt so passieren!<br />

Alle so geweckten Erwartungen übertraf, was Venedig nach<br />

der ersten Brücke bot: Hinter dem Piazza di Roma mit seinem<br />

hektischen Verkehr öffnete sich eine neue Welt.<br />

Ich bin seitdem süchtig nach neuen Besuchen und nach Lektüre<br />

über diese Stadt. (Letztere gibt es viele; und am Ende dieses<br />

Artikels folgen einige persönliche Tipps.)<br />

Nach der Brücke war es so, als seien die Uhren abgestellt. Jeder<br />

spätere Besuch hat dieses Gefühl verstärkt: Die Hektik und die<br />

Zeit, die einem ständig durch die Finger zu rinnen scheint, beide<br />

sind offenbar eng mit Autos verbunden.<br />

Natürlich geht es bisweilen hektisch zu auf dem Canale<br />

Grande, aber alles scheint die Eilfertigkeit eines Märchenlandes<br />

zu haben. Die Geschäftigkeit auf dieser Wasserstraße wirkt auf<br />

mich immer wie im besten Sinne absurdes Theater. Damals bei<br />

unserem Erstbesuch regnete es in Venedig, als habe Petrus vor,<br />

die Stadt nun doch zu versenken. Ab Markusplatz war Aqua Alta,<br />

wie so häufig im Jahr. Die Venezianer sind längst daran gewöhnt<br />

und ertragen die damit verbundenen Unannehmlichkeiten mit<br />

Gelassenheit. Laufwege auf Bühnenpodesten neben Polizisten in<br />

Stiefeln im hohen Wasser, die stoppende und staunende Touristen<br />

anpfiffen, als müssten die Ordnungshüter mitten in Rom den<br />

Verkehr retten. Die Überschwemmung wirkte wie eine Katastrophe,<br />

doch die gleichmütigen Genießer in den überschwemmten<br />

Pasticcerien zeigten den Neuankömmlingen klar: Man darf sein<br />

Wohlbefinden doch nicht von solchen Äußerlichkeiten abhängig<br />

machen.

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