rechtsprechung für anwälte - Alpmann Schmidt
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G L O S S E<br />
Entscheidung aber auch Anhaltspunkte, was man als Anwalt alles vortragen muss,<br />
um überhaupt den „Schlaf des Gerechten“ dartun zu können.<br />
So muss man konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters<br />
auf die wesentlichen Vorgänge in der Verhandlung ausschließen. Weiterhin<br />
hat die Besetzungsrüge darzulegen, was während dieser Zeit in der mündlichen<br />
Verhandlung geschehen ist und welchen <strong>für</strong> die Entscheidung wichtigen Vorgänge<br />
der Richter während seines „Einnickens“ nicht habe folgen können.<br />
Es war vorgetragen worden, dass der ehrenamtliche Richter H über einen längeren<br />
Zeitraum ununterbrochen die Augen geschlossen hatte, den Kopf gesenkt auf die<br />
Brust hielt, ruhig und tief atmete und plötzlich hochschreckte. Das genügte dem<br />
BVerwG nicht. Das Schließen der Augen über weite Strecken der Verhandlung sowie<br />
das Senken des Kopfes auf die Brust beweise allein nicht, dass der Richter<br />
schläft. Dies könne auch zur geistigen Entspannung oder zwecks besonderer Konzentration<br />
eingenommen werden. Es müssten vielmehr deutliche Anzeichen <strong>für</strong> die<br />
innere Abwesenheit des Richters hinzukommen, nämlich gleichmäßiges Atmen<br />
oder Schnarchen sowie ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen fehlender Orientierung.<br />
An Letzterem fehlte es hier, weil die Beschwerdeführerin nicht dargestellt<br />
hatte, wie das Hochschrecken mit einem desorientierten Eindruck verbunden war.<br />
Wie hätte sie das tun sollen?<br />
Darüber hinaus muss vorgetragen werden, was zum Zeitpunkt des Schlafes des<br />
Richters in der mündlichen Verhandlung stattgefunden hat. Damit will das Gericht<br />
wohl andeuten, dass es wichtige und unwichtige Teile der mündlichen Verhandlung<br />
gibt und dass man während der unwichtigen durchaus schlafen kann, ohne<br />
das juristische Ergebnis zu gefährden. Hier hatte der Berichterstatter seinen Sachvortrag<br />
gehalten, es waren Vergleichsgespräche geführt worden und sodann die<br />
Verhandlung der Beteiligten zur Sache. Es kam auch zu einer Zwischenberatung.<br />
Der Beschwerdeführerin wird nunmehr vorgehalten, dass sie nicht dargestellt hat,<br />
in welchem der einzelnen Abschnitte der Richter geschlafen hat. Ob dies während<br />
der Beratung der Fall war, erscheint eher zweifelhaft, ist aber <strong>für</strong> die Beschwerdeführerin<br />
ohnehin nicht beweisbar. Wir wissen auch nicht, in welchem Abschnitt er<br />
geschlafen hat. In Zukunft wird man dies aber im Einzelnen darlegen müssen. Der<br />
Schlaf bei Vergleichsgesprächen dürfte jedenfalls nicht ausreichend sein. Wahrscheinlich<br />
wird der Richter schlafen müssen, wenn man als Anwalt plädiert.<br />
Schließlich bemängelt das BVerwG noch, dass die Beschwerdeführerin das Schlafen<br />
des Richters nicht in der Verhandlung gerügt hat. Man kann deshalb dem Anwalt<br />
nur empfehlen, eine Glocke oder einen Gong mitzunehmen und gelegentlich<br />
durch lautes Lärmen die Richter von ihrem Schlaf zu erwecken.<br />
Der Schlaf des Richters ist kein gutes Argument. Das kann jedem passieren, und<br />
deshalb sind die obersten Bundesgerichte wenig geneigt, sich darauf überhaupt<br />
einzulassen. Für den Anwalt bedeutet dies, dass seine Argumentation so spannend<br />
sein muss, dass selbst der müdeste Richter davon aufgeweckt wird.<br />
Drum merke: Der Revisionsgrund der fehlenden Besetzung des Gerichts durch<br />
schlafende Richter hat so gut wie nie Erfolg.<br />
RA Martin Matzat<br />
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JP JANUAR 2002