Ford135 - June 2013 - Ford Report
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Selbst für Kölner ist er ein echter Geheimtipp. Nur<br />
wenige kennen ihn, den fast vergessenen Garten tief im Kölner<br />
Süden: Geschichte, Kunst und viel Natur – dies alles vereint der<br />
Fritz-Encke-Volkspark in Raderthal. Wie ein Schritt zurück in die<br />
goldenen Zwanzigerjahre – und doch im Hier und Jetzt.<br />
Vom sandfarbenen Brunnentempel mit den kunstvoll gemeißelten<br />
Kinderfi guren geht es durch den Torbogen hinein in die rosenbehangenen<br />
Staudengärten. Der verblasste Charme der „Goldenen<br />
Zwanziger“ umweht den Garten, einer Zeit, in der Kunst allgegenwärtig<br />
war – sogar in der Natur. Die runden Sitznischen laden ein,<br />
noch ein wenig in der Vergangenheit zu verharren, die Ruhe zu<br />
genießen. Hinter dem Rosengarten erstreckt sich die große Volkswiese:<br />
Kinder tollen auf dem Spielplatz, ein Großvater führt seine<br />
Enkel in die Geheimnisse des Drachensteigens ein, zwei Damen<br />
üben sich in der chinesischen Kampfkunst Tai-Chi.<br />
Auf einer Parkbank sitzt Robert Müller und beobachtet das Treiben.<br />
Der 22-Jährige ist im nahegelegenen Viertel „Marienburg“ groß geworden.<br />
„Manchmal komme ich nach Feierabend hierher – einfach<br />
abschalten“, so Robert. Mittlerweile schätzt er vor allem die Idylle,<br />
früher war das anders: „Als Kind war ich jeden Tag hier, um Fußball<br />
zu spielen. Man schwelgt in Erinnerungen.“<br />
Musterbeispiel zeitgenössischer Parkgestaltung<br />
Erinnerungen birgt der Volkspark viele. Der Kölner Gartenbaudirektor<br />
Fritz Encke legte ihn zwischen 1923 und 1926 an. Im<br />
Vordergrund stand die Idee des „sozialen Grüns“: ein Park, die für<br />
alle Bevölkerungsschichten zugänglich sein sollte. Dabei gelang es<br />
Encke – ganz im Sinne der Funktionalismus der 1920er Jahre – die<br />
zweckmäßige Nutzung mit dem Anspruch künstlerischer Qualität<br />
zu verbinden. Der Volkspark galt als Musterbeispiel zeitgenössicher<br />
Parkgestaltung. Dann kam der Krieg – und damit das Vergessen.<br />
Die britischen Besatzer errichteten schließlich eine Wohnsiedlung,<br />
die große Parkfl ächen zerstörte. In den folgenden Jahren verlotterte<br />
die Anlage und Enckes Meisterwerk geriet in Vergessenheit. Marga<br />
Lier führt seit Jahren ihren Mops Max im Grünen aus. Sie bestätigt:<br />
„Jahrzehntelang wurde dieser wunderschöne Park vernächlässigt.<br />
Erst seit einigen Jahren tut sich etwas.“ Und dass das so ist, liegt<br />
größtenteils am Engagement des Rheinischen Vereins für Denkmalschutz<br />
und Landschaftspfl ege. Seit 2001 sammelt der Verein<br />
unterstützt von einer Anliegerinitiative Gelder, um den denkmalgeschützten<br />
Park zu rekultivieren. Mit Erfolg: Beschilderungen wurden<br />
angebracht, die Staudengärten in Stand gesetzt, Bänke hergerichtet.<br />
Vor einigen Jahren hat man den Brunnen im Rundtempel wieder<br />
aufgebaut – betrieben mit Solarenergie und Umwälzpumpe, ein<br />
Hauch Moderne im alten Garten. Ulrich Markert, Vorstandsmitglied<br />
im Rheinischen Verein, war an den Maßnahmen federführend beteiligt.<br />
In seiner Tätigkeit steckt viel Herzblut – verbunden mit einem<br />
klaren Auftrag: „Es geht darum, das Erbe Fritz Enckes angemessen<br />
zu würdigen. Der Park ist mehr als nur Natur, das ist Kunst.“ Im Jahr<br />
2002 wurde das Areal auch offi ziell vom Volkspark Raderthal zum<br />
Fritz-Encke-Volkspark umbenannt.<br />
Marga Lier empfi ehlt, noch in der Leseecke vorbeizuschauen. Eine<br />
Lesecke in einem Naturpark? Tatsächlich: Am rechten Ende der<br />
Wiese befi ndet sich eine Art Lesesaal, umrandet von meterhohen<br />
Platanen. Eine fast schon elfenhafte Atmosphäre. Wahrlich der<br />
richtige Ort, um voll und ganz in einem Buch zu versinken. Auf der<br />
anderen Seite der Wiese stoße ich auf eine kreisrunde, stufenförmige<br />
Lichtung – das historische Naturtheater. Zwar wurde es<br />
vom Wildwuchs befreit, doch bis es wieder bespielt werden kann,<br />
wird wohl noch Zeit ins Land gehen. Dennoch, die Vielseitigkeit<br />
des Parks ist beeindruckend. Genau das macht den Fritz-Encke-<br />
Volkspark zu einem idealen Ausfl usgsziel – ob mit der Familie auf<br />
der Wiese oder allein mit einem Schmöker. In der Linie des Kölner<br />
Grünzugs gelegen, ist er gut mit dem Fahrrad zu erreichen. Dieses<br />
heute nahezu unbekannte Fleckchen Köln verbindet ein Stück<br />
Zeitgeschichte mit erholsamer Naturidylle. Um es in den Worten von<br />
Frau Lier zu sagen: „Et is‘ für jeden wat dabei!“<br />
Infos<br />
Lage: Der Fritz-Encke-Volkspark verbindet den Inneren<br />
Grüngürtel im Süden mit dem Äußeren.<br />
Er liegt zwischen er Brühler- und Bonner Straße, südlich<br />
grenzt er an den Militärring. Er ist sehr gut mit dem Fahrrad<br />
zu erreichen. Grillen nicht gestattet. Eintritt frei.<br />
www.rheinischer-verein.de/projekte/08_volkspark_raderthal.htm<br />
FOTOS: U. NERGER<br />
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