Download - Buchklub der Jugend

Preisbücher 2005 35
Textprobe
Alle Kinder der Lincoln-Grundschule wussten, dass am Ende – in der fünften Klasse
– Mrs. Granger diejenige sein würde, die ihre Rechtschreib- und Lesetests und, was
am schlimmsten war, ihre Vokabeltests benoten würde. Und zwar Woche für Woche,
Monat für Monat.
Jeder Sprachlehrerin der Welt macht es Spaß, Kinder ein Wörterbuch benutzen zu
lassen: „Achtet auf eure Rechtschreibung. Beachtet diese Erklärung. Passt auf die
Silbentrennung auf.“
Doch Mrs. Granger hatte nicht nur Spaß an ihrem Wörterbuch, sie liebte es, ja, sie
verehrte es geradezu. Ihre wöchentliche Wortliste umfasste fünfunddreißig Wörter
und manchmal noch mehr.
Als ob das noch nicht schlimm genug wäre, stand jeden Morgen auch noch „Das
Wort des Tages“ an der Tafel. Wenn man einmal einen Tag aussetzte, das Wort
nicht abschrieb und es auch nicht nachschlug und die Erklärung dazu lernte, so
würde Mrs. Granger das früher oder später herausbekommen. Und dann würde es,
nur für denjenigen allein, zwei „Wörter des Tages“ geben – und zwar eine ganze
Woche lang.
Im hinteren Teil des Raumes bewahrte Mrs Granger auf einem Regal sage und
schreibe dreißig Wörterbücher auf. Doch ihre Freude und ihr ganzer Stolz war eines
dieser riesigen Wörterbücher, das jedes Wort der Welt enthielt, die Art von Buch, für
das man zwei Kinder zum Tragen benötigte. Es lag auf einem kleinen Tisch vorne im
Klassenzimmer, wie der Altar einer Kirche.
Jeder, der in den vergangenen fünfunddreißig Jahren die Lincoln-Grundschule
besucht hatte, konnte sich daran erinnern, wie er an diesem Tisch gestanden hatte
und Mrs. Grangers Schlachtruf zu hören bekam: „Schlag es nach! Deshalb haben
wird das Wörterbuch doch hier!“
(Buch S. 15f.)