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Preisbücher 2005 62 Textprobe Drei Tage lang gehe ich auf dem Umweg nach Hause, Crille und Matze begleiten mich. … Am vierten Tag bin ich allein, denn die beiden sind nicht zur Schule gekommen. Obwohl die Gang heute nirgendwo zu sehen ist, nehme ich meinen üblichen Umweg. Ich bin nur noch zwei Ecken von der Flughafenstraße entfernt, als ich von hinten gepackt und in einen Hauseingang gezerrt werden. Ich stolpere, falle aber nicht. Die Hände, die mich halten, sind beeindruckend stark. Viel zu stark für meinen Geschmack. Ich schreie nicht, obwohl mir die Angst den Schweiß aus allen Poren drückt. Ich wehre mich nicht. Ich bin gelähmt. „Was glaubst du, kleiner Wichser? Glaubst du, du kannst uns aus dem Weg gehen?“ … Eddie Murphy lässt ein Messer aufschnappen. Es hat eine schmale Klinge und sieht unangenehm scharf aus. „Du bist ein dummes Arschloch. Du kannst nicht vor uns weglaufen. Wir kriegen dich immer. Wann wir wollen und wo wir wollen. Ist das klar?“ Er legt mir die Klinge auf die Wange und sieht mich fragend an. Ich komme mir vor wie im Kino, aber was er meint, ist klarer als klar. Ich nicke ängstlich. Er lächelt zufrieden und sagt: „Ich habe gehört, du kommst aus Zehlendorf. Reiche Arschlochgegend.“ „Wir sind nicht reich“, sage ich und höre mich dabei weinerlich an. Sie lachen und machen Bemerkungen über meine Klamotten. Und natürlich haben sie Recht. Es muss wie ein Witz klingen, dass ich kein Geld habe. Ich trage sogar Designersocken. Dafür hat Klaus gesorgt. Es wäre ihm peinlich gewesen, wenn ich mit No-Name-Kleidung aus seinem Haus gekommen wäre. „Gib mir dein Handy“, sagt Eddie Murphy. „Wenn du ein billiges Handy hast, glaub ich dir.“ Die anderen Jacken nicken, das ist ihnen Beweis genug. „Ich hab gar kein Handy“, sage ich und wieder lachen alle… In Zehlendorf hatte ich natürlich ein Handy, aber das musste ich Klaus zurückgeben. Eddie guckt mich an, als hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt. Er packt mich an den Haaren und steckt mir die Messerspitze in mein linkes Nasenloch. „Du willst uns verarschen, hä? Du hast gewusst, dass wir dich kriegen. Du blöder Wichser.“ Er sticht mir in die Innenseite der Nase. Ich weiß nicht wie tief, aber der Schmerz ist unerträglich. Er zieht sich hoch bis zu meinem Auge, das sofort zu tränen anfängt. Wenn er so weitermacht, wird er jeden Moment mein Gehirn erreichen. Ich schreie und versuche den Kopf wegzuziehen, doch Eddie hält mich an den Haaren. „Morgen bringst du dein Handy mit, klar?“ Ich stoße ein Jaulen aus. „Außerdem zahlst du fünfzig Euro Strafe, weil du uns verarschen wolltest. Wieder ein Jaulen von mir. „Das Handy und die Kohle bringst du mir. Wenn ich dich suchen muss, kommen wir zu dir nach Hause und ficken deine Mutter. Ist das klar?“ Er sticht noch einmal zu, dann zieht er das Messer aus meiner Nase. Jemand tritt mir in die Kniekehlen, ich schreie und falle rückwärts zu Boden. Auf meinen Lippen schmecke ich das Blut, das mir aus der Nase läuft. Seite 18ff.
Preisbücher 2005 63 Tipps für die Bucharbeit Einstieg Das Buch ist Zoran Drvenkar gewidmet, „ohne den dieses Buch nie ein Ende gefunden hätte, ohne den es für mein Schreiben keinen Anfang gäbe, ohne den mein Leben nicht vorstellbar wäre, und Alexandra, die für mich gegen Windmühlen kämpfte“. Zoran Drvenkar, ein anerkannter deutscher Schriftsteller, schreibt in seinem Vorwort über die Bedeutung dieses Buches: „Es gibt Jugendliche, die schon in ähnliche Situationen geraten sind wie der Hauptcharakter – damit meine ich nicht Drogen, Schlägereien und Diebstähle -, damit meine ich Angstzustände und das Gefühl, dass die Welt einem ihre Samthandschuhe um den Hals legt und langsam zudrückt. Diese Jugendlichen zu verstehen, darum geht es in diesem Buch.“ Vor der Lektüre: • Welche Informationen bekommst du von der Widmung, die dem Buch vorangestellt ist, • von dem Vorwort? • Welche Assoziationen/ Gedanken verbindest du mit dem Titel „KNALLHART“? • Wie wirkt das Umschlagbild auf dich? Welche Stimmung wecken die Farben Dunkelblau/ Schwarz in dir, mit welchen Erlebnissen verbindest du sie? Nach der Lektüre: Sprecht über eure Gefühle und Gedanken, die ihr während der Lektüre des Buches hattet, in einer Kleingruppe. Vor dem Klassenplenum braucht ihr über die folgenden Themen nur zu sprechen, wenn ihr wollt. • Hast du ähnliche Angstzustände selbst schon erlebt? • Hast du dich selbst so unter Druck gesetzt gefühlt, dass du bei etwas mitgemacht hast, ohne es wirklich zu wollen? • Kennst du Situationen, bei denen man einfach nicht nein sagen kann, obwohl man es möchte? • Kannst du ein Erlebnis beschreiben, bei dem du das Gefühl hattest, „dass die Welt dir ihre Samthandschuhe um den Hals legt und langsam zudrückt?“ Szenische Darstellung Spielt die 1. Gewaltszene (Textprobe) nach. Überlegt euch • wie die Textpartien zu sprechen sind (Michaels Stimme wechselt von cool zu flehentlich bis zur Sprachlosigkeit; Murphy s Ton ist kalt, enthält Killerphrasen) • die unterschiedliche Körpersprache (Körperhaltung, Gesten, Mimik) der einzelnen Akteure • die Formen der Bewegung
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