Repetitorium Erbrecht - Studentenverbindung Concordia Bern
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deshalb verpasst. Ist die Forderung aus öffentlichen Büchern (Grundpfandschulden, Steuerregister) ersichtlich oder aus den<br />
eigenen Dossiers des Erblassers, wird sie von Amtes wegen aufgenommen, ZGB 583 I; selbst vermutete Gläubiger sollen<br />
angeschrieben werden, BGE 79 II 362.<br />
Aufgrund des Inventars hat jeder Erbe die Wahl, sich binnen (verlängerbarer) Monatsfrist für eine der Möglichkeiten zu<br />
entscheiden:<br />
• Annahme der Erbschaft<br />
• Ausschlagung (auch wenn die Frist nach ZGB 567 bereits abgelaufen ist)<br />
• Amtliche Liquidation (unter Vorbehalt von ZGB 593 II)<br />
• Annahme unter öffentlichem Inventar; welche mangels anderweitiger Erklärung gilt, ZGB 588 I.<br />
Diese Option hat jeder Erbe, unabhängig davon, ob er selber Antrag für das öffentliche Inventar gestellt hat. Erklärt ein Erbe<br />
Annahme unter öffentlichem Inventar, so haftet er voll (mit Nachlass und eigenem Vermögen) nur für die inventarisierten Schulden.<br />
Unterblieb die Anmeldung aus entschuldbaren 1 Gründen, so haften die Erben immerhin im Rahmen der Bereicherung aus dem<br />
Nachlass, ZGB 590 II.<br />
Eine entsprechende Kompromisslösung – Haftung der Erben nur im Rahmen der Bereicherung - sieht das Gesetz auch für<br />
Bürgschaften vor, ZGB 591. Im Augenblick, wo der Erbe sich entscheiden muss, kann noch sehr ungewiss sein, ob die<br />
Verpflichtung des Bürgen zum Tragen kommt.<br />
Bsp: Bürgschaft von CHF 300'000<br />
Nachlass von CHF 100'000<br />
Gesamtpassiven betragen 300'000 CHF, Nachlass CHF 100‘000. Verwertungsquote beträgt also 33.3%; also kann<br />
die Bürgschaft mit CHF 100'000 geltend gemacht werden.<br />
Die Annahme unter öffentlichem Inventar verhindert nicht vollständig, dass der Erbe auf eigene Mittel für die Tilgung von<br />
Erbschaftsschulden greifen muss.<br />
• Nachlassobjekte können überbewertet sein und für die Bezahlung der Schulden nicht ausreichen<br />
• Die Bereicherung aus dem Nachlass, auf welche die Haftung für nichtinventarisierte Forderungen nach ZGB 590 II<br />
beschränkt ist, bezieht sich auf den Todestag. Nehmen diese Werte später ab, so kann eine Haftung mit eigenem<br />
Vermögen auch für entschuldbar nicht inventarisierte Forderungen eintreten.<br />
Bereicherung ist nur ein rechnerischer Masstab.<br />
• Steuerausstände sind allenfalls noch nicht erfasst<br />
Amtliche Liquidation<br />
Der Nachlass wird versilbert, soweit es zur Deckung der Erbschaftsschulden erforderlich ist; die Erbschafts- und Erbganggläubiger<br />
werden primär daraus befriedigt, dafür entfällt jede weitere Haftung der Erben ihnen gegenüber.<br />
Die amtliche Liquidation ist also die radikalere Massnahme. Die Abwendung der Gefahr für das Erbenvermögen wird erkauft mit der<br />
Preisgabe der Erbobjekte in natura, wobei die Liquidation auch der Einflussnahme durch die Erben entzogen ist.<br />
Der Unterschied zur Ausschlagung ist nicht gross. Schlagen nicht alle berufenen Erben aus, so entfällt für den Ausschlagenden im<br />
so entfällt für den Ausschlagenden im Gegensatz zur amtlichen Liquidation, ZGB 596 III, jede Beteiligung am Wertsubstrat des<br />
Nachlasses. Schlagen hingegen alle Erbe aus, so ist ihre Stellung doch ähnlich derjenigen bei amtlicher Liquidation.<br />
Bei der Liquidation behalten die Erben formell Erbenstellung, darum haben sie rechtlich eine etwas andere Position<br />
(Naturalanspruch auf die für die Schulden und Legate nicht erforderlichen Objekte).<br />
Der Nachlass wird, sofern nicht überschuldet, nicht durch das Konkursamt (ZGB 573), sondern durch einen speziell bestimmten<br />
Verwalter liquidiert, der eine liebevolle Veräusserung der Objekte garantieren kann.<br />
Der Grundgedanke der amtlichen Liquidation liegt darin, dass der Nachlass und das Erbenvermögen getrennt bleiben sollen, bis<br />
die Nachlasschulden getilgt sind. Jedes Verschmelzen der beiden Vermögensmassen soll verhindert werden. Den Erben wird die<br />
Verfügungsmacht über den Nachlass entzogen, er wird von einem Erbschaftsverwalter inventarisiert und bis zur Schuldentilgung<br />
betreut.<br />
Antragsberechtigt für dieses Verfahren sind<br />
• Jeder Erbe, sofern seine Stellungnahme für eine der anderen Optionen nicht schon präjudiziert ist, jeder Miterbe kann<br />
aber die Liquidation verhindern, indem er die Erbschaft annimmt (vorbehaltlos oder unter öffentlichem Inventar), ZGB 593<br />
I und II.<br />
• Jeder Erbschaftsgläubiger, ZGB 594. Eigentliche Erbgangsschulden sind ausgeschlossen, ausser eigentliche<br />
Massenschulden, die bei der Liquidation selber anfallen.<br />
1 I.d.R. recht grosszügige Praxis. Wohnte der Erblasser nahe der Kantonsgrenze, durfte der Gläubiger im Nachbarskanton annehmen, dass man auch<br />
dort publiziert.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi