Repetitorium Bundesstaatsrecht - Studentenverbindung Concordia ...
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<strong>Repetitorium</strong> <strong>Bundesstaatsrecht</strong> © by Sandro Rossi, www.stpo.ch<br />
I. Grundrechte<br />
1. Grundrechte im Allgemeinen<br />
Grundrechte sind die von der Verfassung und von internationalen Menschenrechtskonventionen gewährleisteten<br />
grundlegenden Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat;<br />
Träger des Rechts ist der Einzelne<br />
Adressat ist der Staat<br />
Inhaltlich geschützt sind elementar anerkannte Rechte des Individuums, die dem Rechtsstaat im materiellen<br />
Sinne zugerechnet werden.<br />
Rechtsgrundlage ist die BV, die KV, die EMRK und UNO-Menschenrechtspakete.<br />
Es gibt folgende Arten von Grundrechten:<br />
Freiheitsrechte schützen den Einzelnen in seiner Freiheitssphäre gegenüber Eingriffen<br />
des Staates. Sie verpflichten den Staat zu einem Dulden oder<br />
Unterlassen [Abwehrfunktion].<br />
Rechtsgleichheit Beinhaltet den Anspruch des Einzelnen gegenüber dem Staat auf<br />
rechtsgleiche Behandlung.<br />
Soziale Grundrechte In der Verfassung verankerte Ansprüche des Einzelnen auf staatliche<br />
Leistungen, bspw. BV 12, 19.<br />
Grundrechte sind unmittelbar anwendbares Recht, d.h. der Einzelne kann sich direkt auf die Grundrechte<br />
berufen und Gerichte haben Verfassungsnormen, die Grundrechte gewähren, direkt anzuwenden.<br />
BV 189 I lit. a und OG 84 I lit. a sehen eine Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht wegen<br />
Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger vor.<br />
2. Rechtliche Grundlage<br />
BV 7 – 36. Eingeleitet wird der Katalog mit der Garantie der Menschenwürde. Nach Auffassung des<br />
Bundesgerichts ergibt sich das in der nBV nicht mehr ausdrücklich erwähnte Recht auf schickliche<br />
Beerdigung aus der Menschenwürde.<br />
Grundrechte sind somit alle unmittelbar durch die Verfassung gewährleisteten grundlegenden Rechte<br />
des Einzelnen im Staat und gegenüber dem Staat; somit nebst Freiheitsrechten und Rechtsgleichheit<br />
auch Verfahrensgarantien und soziale Grundrechte wie politische Rechte.<br />
Auch die Kantonsverfassungen gewähren Grundrechte, solchen Normen kommt jedoch nur dann eine<br />
eigene Tragweite zu, wenn sie einen ausgedehnteren Schutzbereich aufweisen als die entsprechende<br />
Norm des Bundesverfassungsrechts.<br />
Ebenso sind in der direkt anwendbaren EMRK Grundrechte erwähnt, die der engen inhaltlichen Beziehung<br />
wegen als verfassungsmässige Rechte behandelt werden. Nach Erschöpfung der innerstaatlichen<br />
Rechtsmittel kann der Einzelne an den Ständigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)<br />
in Strassburg gelangen. Neben Einzelnen und Organisationen können sich auch Staaten über Menschenrechtsverletzungen<br />
beschweren.<br />
Der EGMR hat keine Befugnis, innerstaatliche Akte aufzuheben, er kann nicht deren Widerrechtlichkeit<br />
gegenüber der EMRK feststellen. Nach EMRK 46 sind die Mitgliederstaaten verpflichtet, das endgültige<br />
Urteil des EGMR zu befolgen; ein Urteil des EGMR ist ein Revisionsgrund, OG 139a.<br />
Als weitere Rechtsquellen sind die UNO-Pakte I und II zu erwähnen, das Int. Abkommen über Beseitigung<br />
jeder Form der Rassendiskriminierung sowie das UNO Abkommen gegen Folter. Es gibt jedoch nur ein<br />
schwaches Instrumentarium zu deren Durchsetzung; Entscheide des UNO-Ausschusses sind nicht bindend<br />
für die betroffenen Staaten.<br />
Der UNO II Pakt garantiert klassische Menschenrechte und ist zum grössten Teil direkt anwendbar und<br />
wird vom Bundesgericht gleich behandelt wie die EMRK.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
3. Grundrechtsverständnis im Wandel<br />
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Erschöpfte sich die Funktion früher weitgehend darin, Eingriffe des Staates abzuwehren, so werden<br />
Grundrechte heute zugleich als objektive Grundsatznormen verstanden, welche die ganze Rechtsordnung<br />
durchwirken sollen.<br />
Primär liegt die Aufgabe der Freiheitsrechte in der Abwehrfunktion. Die neuere Lehre geht davon aus, dass<br />
den Freiheitsrechten über die Abwehrfunktion hinaus auch die Funktion von objektiven Grundsatznormen<br />
zukomme, auf die die gesamte staatliche Tätigkeit ausgerichtet 1 sein müsse, sog. konstitutiv-institutionelles<br />
Grundrechtsverständnis. Konsequenzen:<br />
Der Staat wird nicht nur zu einem Dulden oder Unterlassen, sondern auch zu einem positiven Tun verpflichtet. Er soll<br />
bspw. durch gesetzgeberische und ggf. finanzpolitische Vorkehrungen dafür sorgen, dass die persönliche Freiheit besser<br />
geschützt wird (Massnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie der Persönlichkeitsrechte), dass die<br />
Pressevielfalt gewahrt wird (Presseförderung), dass das „kleine“ Eigentum gefördert wird (damit möglichst viele in den<br />
Genuss der Eigentumsgarantie kommen).<br />
Direkte oder indirekte Drittwirkung<br />
Eine Ableitung von Drittpflichten und Staatsleistungen darf aber nicht dazu führen, dass die demokratischen<br />
Prozesse (Gesetzgebungsverfahren, Bewilligungsverfahren für finanzielle Mittel) überspielt werden.<br />
Müller unterscheidet deshalb das einzelne Grundrecht in 3 Phasen:<br />
Direkt-anspruchsbegründender Gehalt<br />
Nur hier kann im Rahmen der Rechtsanwendung aus einem Freiheitsrecht ein selbständiger Anspruch abgeleitet werden<br />
Programmatische Schicht<br />
Hier ist der Gesetzgeber angesprochen (Grundrechte als Gesetzgebungsaufträge)<br />
Flankierende Funktion<br />
Bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe 2 werden die den Freiheitsrechten zugrunde liegenden Wertentscheidungen<br />
herangezogen.<br />
Grundrechte begründen insbesondere eine staatliche Schutzpflicht gegen Störungen, die von Dritten<br />
verursacht werden, BGE 126 II 300.<br />
4. Adressaten der Grundrechte<br />
Adressaten der Grundrechte sind sämtliche Staatsorgane auf allen Ebenen der staatlichen Tätigkeit. Die<br />
Grundrechte sind vom Gesetzgeber, von der Regierung und von der Verwaltungsbehörde bei der<br />
Anwendung der Gesetze, bei der Beurteilung verwaltungsinterner Rekurse, bei der Vorbereitung von<br />
Gesetzen und beim Erlass von Verordnungen zu beachten. Ebenso sind unter Vorbehalt von BV 191 alle<br />
Gerichte daran gebunden.<br />
Alle verfassungsrechtlichen Einbindungen, v.a. Grundrechte und Legalitätsprinzip, kommen ungeachtet der<br />
verwendeten Rechtsform, wohl aber allenfalls differenziert nach Art und Struktur des Verwaltungshandelns,<br />
zum Tragen; unabhängig somit, ob der Staat hoheitlich handelt oder eine öffentliche Anstalt sich des<br />
Privatrechts bedient. In neueren Urteilen sind sogar Organisationen an die Grundrechte gebunden, denen<br />
der Staat die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben übertragen hat, die jene mittels des Privatrechts<br />
wahrnehmen sollen, BGE 109 Ib 146; BV 35 II.<br />
Eine direkte Drittwirkung (unmittelbare Bindung der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr) wird<br />
abgelehnt, BGE 80 II 26; Fall Seelig.<br />
Eine indirekte Drittwirkung (Orientierung an den Grundrechten bei der Auslegung unbestimmter<br />
Rechtsbegriffe) wird hingegen bejaht, BGE 86 II 365; Fall Vertglas.<br />
Die neue BV statuiert in Art. 35 III die Bindung der Grundrechte auch für Private, sofern und soweit sie sich<br />
dazu eignen [indirekte Drittwirkung]. Hingegen statuiert BV 8 III Satz 3 eine direkte Drittwirkung.<br />
1 „(…) die bis in die feinsten Verästelungen der Rechtsordnung ausstrahlen (…)“, Saladin, Grundrechte im Wandel, S. 295.<br />
2 Bspw. BGE 113 V 22: Ein Paraplegiker war umgezogen und war nun auf das Auto angewiesen, um zur Arbeit zu gelangen. Die<br />
Versicherung machte geltend, die Verlängerung des Arbeitsweges sei nicht invaliditätsbedingt. Das Bundesgericht zog die<br />
Niederlassungsfreiheit und die Wirtschaftsfreiheit als Auslegungshilfe zum Invalidengesetz bei und bejahte den Anspruch.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
5. Grundrechtsträger<br />
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Natürliche Personen können Träger sämtlicher Grundrechte sein.<br />
Grundsätzlich stehen Grundrechte auch Minderjährigen zu; bei ihnen ist aber die Grundrechtsmündigkeit zu<br />
unterscheiden: Minderjährige können die Grundrechtsverletzung dann selbständig geltend machen, wenn<br />
die Grundrechtsmündigkeit bereits vor der zivilrechtlichen Mündigkeit eintritt, was bspw. bei der<br />
Religionsfreiheit, ZGB 303, der Fall ist.<br />
Aus BV 11 II darf wohl abgeleitet werden, dass urteilsfähige Minderjährige im Bezug auf<br />
persönlichkeitsnahe Grundrechte wie persönliche Freiheit, Meinungs-, Informations-, Religions- Presse-,<br />
Vereins- und Versammlungsfreiheit grundrechtsmündig sind.<br />
Auch juristische Personen des Privatrechts können Träger von Grundrechten sein, soweit das<br />
betreffende Recht seiner Natur nach überhaupt einer juristischen Person zustehen kann.<br />
Bejaht: Wirtschaftsfreiheit, Eigentumsgarantie, Rechtsgleichheit Verneint: persönliche Freiheit, Ehefreiheit<br />
Die Religionsfreiheit steht nur denjenigen zu, die selbst religiöse Zwecke verfolgen.<br />
Juristische Personen des öffentlichen Rechts können nur ausnahmsweise in Grundrechten tangiert sein,<br />
nämlich dann, wenn sie sich auf dem Boden des Privatrechts bewegen und durch einen staatlichen Akt wie<br />
eine Privatperson betroffen werden.<br />
6. Einschränkung der Freiheitsrechte<br />
Zuständigkeit der ausfällenden Instanz, richtiges Verfahren<br />
Gesetzliche Grundlage<br />
Erfordernis des Rechtssatzes<br />
Generell-abstrakte Norm, genügend bestimmt; „so präzise formuliert, dass der Bürger sein Verhalten danach richten<br />
kann und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit<br />
erkennen kann.<br />
Erfordernis der Gesetzesform<br />
Schwerwiegende Eingriffe in Freiheitsrechte sind auf der Stufe eines Gesetzes zu normieren, für weniger<br />
schwerwiegende Eingriffe genügt eine kompetenzgemäss erlassene Verordnung.<br />
Zum Schutz fundamentaler Rechtsgüter bei Dringlichkeit genügt auch die polizeiliche Generalklausel.<br />
Öffentliches Interesse<br />
Neben dem öffentlichen Interesse gilt auch der Schutz von Grundrechten Dritter als Rechtfertigung für eine<br />
Grundrechtseinschränkung.<br />
Im öffentlichen Interesse liegt all das, was der Staat zum Gemeinwohl vorkehren muss, um eine ihm obliegende<br />
Aufgabe zu erfüllen. Dazu gehören polizeiliche Interessen – aber nicht nur ! Bspw. auch Umweltschutz,<br />
Raumplanung.<br />
Verhältnismässigkeit<br />
Der Eingriff in ein Freiheitsrecht darf nicht weiter gehen, als es das öffentliche Interesse erfordert. Es sind kumulativ<br />
erforderlich:<br />
Eignung der Massnahme<br />
Eine abstrakte Eignung genügt.<br />
Erforderlichkeit<br />
Die Massnahme hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten<br />
Erfolg ausreichen würde. Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, personeller und zeitlicher Hinsicht nicht über das<br />
Notwendige hinausgehen.<br />
Verhältnismässigkeit i.e.S.<br />
Zwischen dem gesteckten Ziel und der zu seiner Erlangung notwendigen Freiheitsbeschränkung muss ein<br />
vernünftiges Ziel bestehen bzw. es geht um eine Abwägung der öffentlichen und betroffenen privaten Interessen.<br />
[Schirmbilduntersuchung]<br />
Wahrung des Kerngehaltes<br />
Der Kerngehalt von Grundrechten ist unantastbar, BV 36 IV.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
7. Sonderstatusverhältnis<br />
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Ein Sonderstatusverhältnis zeichnet sich durch eine besonders enge Beziehung zum Staat oder zu einer<br />
öffentlichen Anstalt aus, woraus sich besondere Pflichten ergeben.<br />
Die zwangsweise Begründung eines Sonderstatusverhältnis’ [bspw. Verhaftung] bedarf einer klaren<br />
gesetzlichen Grundlage auf der Stufe eines Gesetzes im formellen Sinn.<br />
Ebenso muss der wesentlichste Inhalt des Rechtsverhältnisses darin geregelt sein.<br />
8. Grundrechtsverzicht<br />
Ob der Einzelne in rechtsverbindlicher Weise über Einschränkungen im Bestand oder Ausmass seiner<br />
grundrechtlichen Ansprüche selbst bestimmen dürfe, ist auf Grund einer an der Verfassung ausgerichteten<br />
Abwägung von privaten und öffentlichen Interessen zu entscheiden.<br />
Infolge des allen Grundrechten inhärente Selbstbestimmungsrecht muss ein Grundrechtsverzicht an die<br />
Stelle der gesetzlichen Grundlage treten; die restlichen Eingriffsvoraussetzungen nach BV 36 müssen<br />
dennoch vorliegen.<br />
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Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit<br />
BV 10, EMRK 2-5, ZP 6, UNO Pakt II 6-11<br />
Persönliche Freiheit<br />
Menschenwürde<br />
BV 7<br />
Recht auf Leben<br />
BV 10 I, EMRK 2, ZP 6<br />
Körperliche Integrität<br />
BV 10 III, EMRK 3<br />
Folterverbot<br />
Persönliche Freiheit ieS<br />
BV 10 II, EMRK 4<br />
Geistige Unversehrtheit<br />
BV 13, EMRK 8<br />
Schutz Privatsphäre, DatenS<br />
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Recht auf Hilfe in Notlage<br />
BV 12<br />
Bewegungsfreiheit<br />
BV 31, EMRK 5<br />
Garantie bei Freiheitsentzug<br />
Bei der Konkretisierung der persönlichen Freiheit berücksichtigt das Bundesgericht auch internationale<br />
Menschenrechtsabkommen, v.a. die EMRK und tlw. auch den UNO-Pakt II.<br />
EMRK 2 Recht auf Leben<br />
EMRK 3 Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung<br />
EMRK 4 Verbot der Sklaverei sowie von Zwangs- oder Pflichtarbeit<br />
EMRK 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit (BV 31)<br />
1. Schutzbereich<br />
Bedeutet aber keine<br />
allgemeine Handlungsfreiheit<br />
I. Recht auf Leben<br />
BV 10 I gewährleistet jedem Menschen das Recht auf Leben und verbietet die Todesstrafe.<br />
II. Recht auf physische Freiheit<br />
BV 10 II garantiert körperliche Unversehrtheit, Bewegungsfreiheit und geistige Unversehrtheit.<br />
2. Rechtsträger<br />
Die körperliche Integrität wird durch jeden Eingriff in den menschlichen Körper tangiert. Eine eigentliche Schädigung<br />
oder die Verursachung von Schmerzen wird nicht vorausgesetzt. (Impfung, Blutentnahme, Schirmbilduntersuchung).<br />
Extraktion einiger Haare; kleiner Nadelstich; nicht aber Urinprobe.<br />
Der Schutz der Bewegungsfreiheit bedeutet Schutz vor ungerechtfertigten Freiheitsentzügen wie Verhaftung oder<br />
Anstaltseinweisung. Es sind dies „(…) alle Massnahmen der öffentlichen Gewalt, durch die jemand gegen oder ohne<br />
seinen Willen an einem bestimmten begrenzten Ort für gewisse Dauer festgehalten wird.“<br />
Die geistige Unversehrtheit garantiert alle Freiheiten, welche elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung<br />
des Menschen darstellen. Sie schützt insbesondere den Bürger, in elementarer Weise 3 über seine Lebensweise zu<br />
entscheiden, insbesondere seine Freizeit zu gestalten, Beziehungen zu Mitmenschen anzuknüpfen und sich Kenntnis<br />
über das Geschehen in seiner näheren und weiteren Umgebung zu verschaffen.<br />
Relevant v.a. im Bereich Untersuchungshaft und Ausschaffungshaft.<br />
Relevant im Bereich Persönlichkeitsschutz; persönliche Freiheit umfasst auch Verfügungsrecht über sterbliche Hülle<br />
(Genfer Transplantationsgesetz)<br />
Relevant im Bereich künstliche Fortpflanzung; Wunsch nach Kindern ist Element der persönlichen Freiheit.<br />
(Generelles Verbot der in-vitro-Fertilisation wäre verfassungswidrig).<br />
Alle natürlichen Personen; nicht aber juristische Personen.<br />
Auch schon Personenvereinigungen, BGE 106 Ia 277; Groupe Action de Prison.<br />
3. Voraussetzungen für Einschränkungen<br />
I. Gesetzliche Grundlage<br />
Bedarf nach einer gesetzlichen Grundlage; bei einem schweren Eingriff ist eine klare, unzweideutige Grundlage in<br />
einem Gesetz im formellen Sinn notwendig.<br />
II. Öffentliches Interesse<br />
In erster Linie polizeiliche Interessen, ferner die Interessen der Allgemeinheit an der Wahrheitsfindung in Zivil- und<br />
Strafprozessen.<br />
Ein Freiheitsentzug, der über einen sehr kurzfristigen polizeilichen Gewahrsam hinausgeht, darf nur in den von EMRK<br />
5 I genannten Fällen erfolgen. (abschliessender Katalog).<br />
III. Verhältnismässigkeit<br />
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist zu beachten.<br />
Insbesondere ist die in einzelnen Kantonen noch praktizierte Isolationshaft zulässig.<br />
Die ausländerrechtliche Administrativhaft wird nicht wegen des Verdachts einer Straftat angeordnet, sondern dient der<br />
Sicherstellung der Ausschaffung.<br />
3 I.S. der von Huber geforderten Einschränkung; ansonsten eine allgemeine Handlungsfreiheit aus BV 10 abgeleitet werden könne.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Recht auf Privatsphäre<br />
BV 13, EMRK 8, UNO-Pakt II 17<br />
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EMRK 8 schützt die Privatsphäre in umfassender Weise, BV 13 I knüpft daran an. BV 13 II verankert den<br />
Anspruch auf Datenschutz.<br />
1. Schutzbereich<br />
I. Achtung des Privat- und Familienlebens<br />
Die Privatsphäre wird durch heimliche Überwachungsmassnahmen betroffen.<br />
Ebenso kann das Grundrecht im Ausländerrecht Fernhalte- und Entfernungsmassnahmen gegen Ausländer entgegenstehen,<br />
wenn diese besonders intensive private Beziehungen in der Schweiz unterhalten oder wenn deren<br />
Familienangehörige 4 in der Schweiz weilen.<br />
II. Unverletzlichkeit der Wohnung<br />
Der Grundrechtsschutz (v.a. gegen polizeiliche Zwangsmassnahmen) erfasst auch vorübergehend bewohnte Räume<br />
wie Hotelzimmer oder Wohnwagen.<br />
III. Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs<br />
Bspw. Briefgeheimnis des Untersuchungsgefangenen, Fernmeldeverkehr ist nach FMG 43 geschützt, wird aber durch<br />
BÜPF geregelt.<br />
IV. Datenschutz<br />
- Veröffentlichung des Namens eines fruchtlos gepfändeten Schuldners im Amtsblatt ist unverhältnismässig<br />
- Ableitung eines Auskunftsrechts über registrierte Daten seinerselbst<br />
- Beschaffung und Aufbewahrung personenbezogener Daten untersteht BV 13 II<br />
Recht auf Ehe und Familie<br />
BV 14, EMRK 8 und 12, UNO-Pakt II 23<br />
1. Schutzbereich<br />
Die Ehefreiheit ist das Recht, unbeeinträchtigt durch staatliche, insbesondere polizeiliche Einschränkungen eine Ehe<br />
einzugehen und eine Familie zu gründen.<br />
Ob das Recht auch ein Recht auf eheliches Zusammenleben enthält, wurde offengelassen.<br />
Das eheliche Zusammenleben ist allerdings eher durch BV 13 I i.V.m. EMRK 8 geschützt.<br />
Andere Formen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens, insbesondere das Konkubinat, sind nicht durch die<br />
Ehefreiheit, wohl aber durch die persönliche Freiheit, BV 10 II, und den Schutz der Privatsphäre, BV 13 I, geschützt.<br />
2. Einschränkungen<br />
I. Ehehindernisse des ZGB<br />
ZGB 96 – 104, 120. An die geforderte Urteilsfähigkeit dürfen keine allzu grossen Anforderungen gestellt werden.<br />
Eine dem schuldigen Ehegatten im Scheidungsurteil auferlegte Wartefrist für die Eingehung einer neuen Ehe verstösst<br />
gegen EMRK 12.<br />
II. Einschränkungen für Gefangene<br />
Dass der Vollzug der Ehe während der Dauer des Freiheitsentzugs nicht möglich sei, ist nach Ansicht der Kommission<br />
kein Hindernis, dem Gefangenen das Recht auf Eheabschluss zu verweigern, da sie – selbst wenn sie nicht vollzogen<br />
wird – zur Stabilisierung und Resozialisierung des Täters beitragen kann.<br />
In der Untersuchungshaft sind weitergehende Beschränkungen als im Strafvollzug zulässig, bspw. Verweigerung,<br />
einen schriftlichen Heiratsantrag eines Untersuchungshäftlings an seine Komplizin weiterzuleiten.<br />
4 Sofern diese ein gefestigtes Anwesenheitsrecht haben und die Beziehung tatsächlich gelebt wird und intakt ist.<br />
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Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
BV 15, EMRK 19, UNO-Pakt II 18<br />
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Religionsfreiheit bedeutet, dass ein Individuum in Selbstverantwortung, ohne staatliche Einmischung, über<br />
religiöse Fragen entscheiden kann.<br />
1. Schutzbereich<br />
Recht des Einzelnen, in seiner religiösen Überzeugung sowie deren Ausübung und Verbreitung nicht durch staatliche<br />
Vorschriften eingeschränkt zu werden.<br />
Nach BV 15 II hat jede Person das Recht, ihre Religion oder ihre weltanschauliche Überzeugung selbst zu wählen;<br />
geschützt sind alle Überzeugungen, die sich auf das Verhältnis des Menschen zum Göttlichen, zum Transzendenten<br />
beziehen und weltanschauliche Dimensionen haben.<br />
Die Abgrenzung zur Meinungsfreiheit ist fliessend.<br />
Sie schützt nicht nur vor Beschränkungen, sondern verpflichtet den Staat auch zur konfessionellen und religiösen<br />
Neutralität.<br />
I. Recht auf Äusserung und Betätigung religiöser Überzeugungen<br />
Spezialnorm im Verhältnis zur Meinungs- und Informationsfreiheit, weil BV 15 die Äusserung und Verbreitung religiöser<br />
Auffassungen und die (sachlich) kritische Auseinandersetzung mit religiösen Anschauungen anderer in Wort und<br />
Schrift zulässt.<br />
Nach BV 15 II umfasst dies auch die Befugnis, diese Religion oder Weltanschauung zu bekennen; was eigentliche<br />
Kultushandlungen wie Predigt, Messe, Gebet und Prozessionen umfasst.<br />
Geschützt wird auch das Befolgen religiöser Vorschriften (Bekleidung, Feiertage, Fasten, Speisetabus).<br />
II. Kein staatlicher Zwang zur Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft<br />
BV 15 IV; wonach niemand gezwungen werden darf, einer Religionsgemeinschaft anzugehören oder beizutreten.<br />
Ebenso darf der Kirchenaustritt nicht behindert werden. Die Landeskirchen dürfen aber ein klares Austrittsgesuch<br />
verlangen (Rechtssicherheit) und in einem formellen Verfahren den Willen überprüfen.<br />
III. Kein staatlicher Zwang zur Vornahme einer religiösen Handlung<br />
Schulgebet, Feldgottesdienst, religiöser Eid, Prozession, Einhalten konfessioneller Feiertage<br />
IV. Kein obligatorischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen<br />
Bis zur Religionsmündigkeit entscheiden die Eltern über den Besuch des Religionsunterrichts. Der Religionsunterricht<br />
ist daher in einem separaten Fach zu erteilen, Dispensierte dürfen nicht im Zimmer verbleiben müssen.<br />
V. Beschränkung der Kultussteuern<br />
Kultussteuern sind Steuern, die speziell für Kulturzwecke verwendet werden.<br />
Andersgläubige und Konfessionslose müssen die allgemeinen kantonalen Steuern auch bezahlen, selbst wenn damit<br />
Beiträge an die Kirchen finanziert werden.<br />
Von konfessionell gemischten Familien darf von der jeweiligen Religionsgemeinschaft nur ein Bruchteil der vollen<br />
Kirchensteuer verlangt werden.<br />
Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen – ständige Praxis seit 1978 – ist verfassungsmässig, was in der Lehre<br />
aber abgelehnt wird.<br />
VI. Konfessionelle Neutralität an öffentlichen Schulen<br />
Grundlage dazu bildet BV 15 IV und 62 II; so verstösst bspw. das Anbringen von Kruzifixen in Klassenzimmern gegen<br />
die Pflicht zur religiösen Neutralität. Auch ein System mit konfessionell getrennten öffentlichen Schulen ist<br />
verfassungswidrig.<br />
VII. Anspruch auf schickliche Beerdigung<br />
Ergibt sich aus BV 7; aus der Würde des Menschen.<br />
Verstorbene müssen so bestattet werden, wie es die ortsübliche Ehrung der Toten erfordert. Wo es ortsüblich ist, hat<br />
auch der Konfessionslose Anspruch auf Glockengeläute, nicht aber auf eine kirchliche Abdankung.<br />
Es ist ein Anspruch auf positive Leistung des Staates, der von den nächsten Angehörigen geltend gemacht werden<br />
kann.<br />
Ein verfassungsmässiges Recht auf freie Grabmalgestaltung wurde verneint, BGE 96 I 104.<br />
2. Rechtsträger<br />
Alle natürlichen Personen;<br />
Juristische Personen ausnahmsweise, sofern sie selbst religiöse Ziele verfolgen.<br />
Die Religionsmündigkeit tritt bereits mit 16 Jahren ein, bis zu diesem Zeitpunkt entscheiden jedoch die<br />
Eltern, ZGB 303.<br />
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3. Einschränkungen<br />
I. Strafrechtliche Schranken<br />
StGB 261; wer öffentlich und in gemeiner Weise Glaubensüberzeugungen anderer beschimpft.<br />
II. Polizeiliche Einschränkungen<br />
Gewerbepolizeiliche Vorschriften betr. Hausieren mit religiösen Schriften / Sammeln von Geld<br />
SVG-Vorschrift (Helmtragepflicht) gilt auch für Sikhs und beeinträchtigt nicht deren Religionsfreiheit.<br />
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„Aus dem Wesen der Religionsfreiheit ergibt sich zum Beispiel, dass das Anwerben für eine Religion grundsätzlich<br />
nicht wegen deren Inhalts als täuschend oder unlauter angesehen werden darf. Die Tatsachen, über die getäuscht<br />
wird, müssen sich regelmässig ausserhalb des Inhalts einer Religion befinden, da sich die Wahrheit von<br />
transzendenten Aussagen definitionsgemäss einer Überprüfung durch staatliche Gerichte entzieht. Einzig die Methode<br />
des Anwerbens für irgendeine Sache darf in einer demokratischen Gesellschaft als täuschend oder unlauter<br />
angesehen werden, wenn sie die Freiheit, sich für oder gegen diese Sache zu entscheiden, nicht respektiert oder<br />
Personen betrifft, die sich nicht frei entscheiden können. In diesem Fall ist eine Beschränkung der Religionsfreiheit<br />
zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig. Diesen nicht immer leichten Weg der verfassungsmässigen<br />
Auslegung zu gehen, kann insbesondere den Gerichten, als juristisch geschulten Behörden durchaus zugetraut<br />
werden (BGE 125 I 127 E. 10b S. 159). Solange keine Gerichtspraxis dazu besteht, wird die Polizei von sich aus eine<br />
Anwerbemethode nur zurückhaltend als täuschend oder unlauter betrachten können, BGE 125 I 369, 384.“<br />
Ein Verbot des Anwerbens mit täuschenden oder unlauteren Methoden ist deshalb vereinbar.<br />
Die Benutzung des öffentlichen Grundes kann aus verkehrspolizeilichen Gründen eingeschränkt werden.<br />
Im Strafvollzug ergeben sich im öffentlichen Interesse liegende Einschränkungen der Kultusfreiheit, es ist jedoch<br />
unzulässig, die öffentlich-rechtlichen Landeskirchen zu privilegieren.<br />
III. Schächtverbot<br />
Schlachten von Tieren ohne Betäubung vor dem Blutentzug; vgl. Tierschutzgesetz 20 f.<br />
IV. Weitere Einschränkungen<br />
Die Militärdienstpflicht oder zivile Ersatzpflicht ist in BV 59 I statuiert; der Grundschulunterricht ist nach BV 62 II<br />
obligatorisch. Bei der konkreten Ausgestaltung dieser Pflichten muss jedoch der Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
Rechnung getragen werden.<br />
Bund und Kantone sind im Rahmen ihrer Zuständigkeit befugt, Massnahmen zur Wahrung des öffentlichen Friedens<br />
zwischen Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften zu treffen, BV 72 II.<br />
Der Bistums-Artikel (Bundesgenehmigung zur Errichtung eines Bistums) wurde per 10.06.2001 aufgehoben.<br />
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Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit<br />
BV 16 und 17, EMRK 10, UNO-Pakt II 19<br />
Seite 9 von 50<br />
Die Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit garantiert zusammen mit anderen Grundrechten (v.a. der<br />
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) die Freiheit der sozialen Kommunikation.<br />
« C’est le fondament de tout Etat démocratique, BGE 96 I 586 »<br />
Meinungsfreiheit<br />
BV 16 I und II<br />
Freie Meinungsbildung<br />
Freie Verbreitung von Meinungen<br />
1. Schutzbereich<br />
Informationsfreiheit<br />
BV 16 I und III<br />
Empfang und Beschaffung von Infos<br />
aus allgemein zugänglicher Quelle<br />
Verbreitung von Informationen<br />
Anspruch auf Behördeninformation ?<br />
Medienfreiheit<br />
BV 17<br />
Für Presse, Radio, Fernsehen<br />
Verbot der Zensur<br />
Redaktionsgeheimnis<br />
I. Begriff der Meinung<br />
Nicht nur Ergebnisse rationaler Denkvorgänge, sowie rational fassbar und mitteilbar gemachte Überzeugungen in der<br />
Art von Stellungnahmen, Wertungen, Anschauungen, Auffassungen und dergleichen, sondern auch das Kunstschaffen<br />
und dessen Hervorbringen.<br />
Nachrichten werden wie Meinungen geschützt und bei den Meinungen ist es irrelevant, ob sie zu ideellen oder<br />
kommerziellen [bspw. Satelliten-TV] Zwecken erfolgen.<br />
II. Geschützte Tätigkeit<br />
Bildung, Äusserung und Verbreitung der Meinung, BV 16 II.<br />
Eng damit verknüpft ist die Freiheit, Informationen frei zu beschaffen und zu verbreiten, BV 16 III.<br />
Es ist jedoch nicht jedes Handeln, das mittelbar eine Meinung zum Ausdruck bringt, durch BV 16 geschützt<br />
[demonstratives Verlassen des Gerichtssaales]<br />
Wissenschaftliche Lehrmeinungen werden durch die Wissenschaftsfreiheit, BV 20, Werke der Kunst durch die<br />
Kunstfreiheit geschützt, BV 21.<br />
Die neuere Praxis leitet aus der Meinungsfreiheit in Verbindung mit der Versammlungsfreiheit einen bedingten<br />
Anspruch von Demonstranten auf Benützung des öffentlichen Grundes ab.<br />
III. Meinungsfreiheit, BV 16 I und II<br />
Auffanggrundrecht, das zur Anwendung gelangt, wenn es um schützenswerten Austausch von Meinungen oder<br />
Informationen geht, aber keines der spezifischen Kommunikationsrechte betroffen ist.<br />
Informationsfreiheit, BV 16 III<br />
Umfasst das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu<br />
verbreiten.<br />
Ein allgemeiner Anspruch auf Behördeninformation wird verneint 5 ; informieren jedoch Behörden, sind sie an das<br />
Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden.<br />
So wurde eine Informationspflicht in RVOG 10 statuiert.<br />
Demonstrationsfreiheit<br />
Demonstrationen geniessen den Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.<br />
Demonstrationen auf öffentlichem Grund sind weiter gehenden Beschränkungen unterworfen als Versammlungen<br />
und Meinungsäusserungen auf privatem Grund, da dabei der der Öffentlichkeit zustehende Raum von einer<br />
Gruppe in besonderer Weise in Anspruch genommen wird. (gesteigerter Gemeingebrauch)<br />
Medienfreiheit, BV 17<br />
Die Pressefreiheit ist das Recht, seine Meinung ohne Beeinträchtigung des Staates durch Druckerzeugnisse zu<br />
äussern und zu verbreiten. In den Schutzbereich fallen auch gedruckte bildliche Darstellungen, bspw. auf<br />
Plakaten oder satirischen Zeitschriften.<br />
Die Radio- und Fernsehfreiheit ist auch im Lichte von BV 93 III die Autonomie, frei von staatlichen Eingriffen eine<br />
Programmgestaltung vorzunehmen. BV 93 II Satz 3 verpflichtet zu einer sachlichen Information und<br />
Berücksichtigung gegensätzlicher politischer Standpunkte, womit der monopolähnlichen Stellung der SRG<br />
Rechnung getragen wird.<br />
Nicht ableitbar ist aber ein Recht auf Antenne, d.h. ein Anspruch auf Verbreitung bestimmter Darbietungen und<br />
Informationen durch einen Veranstalter, RTVG 5 III.<br />
5 A.M. J.P. Müller: „Es kann doch kein Zweifel sein, dass die verfassungsmässig gewährleistete freie Meinungsbildung vereitelt<br />
würde, wenn eine Regierung einen ganzen Bereich ihrer Tätigkeit oder der übrigen Staatsverwaltung grundsätzlich und absolut<br />
vom Einblick der Öffentlichkeit fernhalten wollte.“<br />
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2. Rechtsträger<br />
Seite 10 von 50<br />
Alle natürlichen und juristischen Personen.<br />
Auch urteilsfähige Minderjährige können sich darauf berufen, BV 11 II.<br />
Auch Ausländern steht die Meinungsfreiheit zu, doch können ihnen stärkere Beschränkungen auferlegt<br />
werden, insbesondere was die politische Komponente betrifft. Ausländer dürfen sich politisch betätigen,<br />
soweit sie dadurch die innere oder äussere Sicherheit nicht gefährden.<br />
3. Einschränkungen<br />
I. Zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />
Beschränkungen der Meinungsfreiheit sind notwendig, um andere Personen in ihren persönlichen Verhältnissen und in<br />
ihrer Ehre zu schützen.<br />
Beschränkungen: ZGB 28 – 28l, OR 41, 49, StGB 173 ff, 276 Ziff. 1 I, 275 bis , 296.<br />
Weitere Einschränkungen ergeben sich aus dem UWG<br />
Personen, die im staatlichen Leben hervortreten, müssen sich mehr Kritik und Berichterstattung, sogar über die<br />
persönlichen Verhältnisse 6 II.<br />
, gefallen lassen.<br />
Allgemeine Voraussetzungen<br />
Gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit.<br />
Zulässig: Verpflichtung zu sachlicher Berichterstattung in kantonalem Gerichtsorganisationsgesetz<br />
Ausschluss fehlbarer Gerichtsberichterstatter von öffentlichen Verhandlungen<br />
Vermummungsverbot bei Demonstrationen (mit Ausnahmen)<br />
III. Verbot präventiver Massnahmen<br />
Bspw. Verbot der Zensur, d.h. jede behördliche Kontrolle des Inhalts von Sendungen oder Druckerzeugnissen.<br />
Allerdings dürfen Demonstrationen auf öffentlichem Grund generell einer Bewilligungspflicht unterstellt werden und<br />
auch der Vertrieb von Druckerzeugnissen auf öffentlichem Grund darf unter gewissen Voraussetzungen<br />
bewilligungspflichtig erklärt werden.<br />
Die Pflicht, vorgesehene Redner an Demos in dem Gesuch um Bewilligung anzugeben, verstösst gegen die<br />
Meinungsfreiheit. [Sie können immer noch nach der Bewilligung angegeben werden].<br />
IV. Besonderheiten bei der Beanspruchung von öffentlichem Grund<br />
Nach Bundesgericht ist die für die Aufsicht über öffentliche Sachen zuständige Behörde auch ohne gesetzliche<br />
Grundlage 7 befugt, eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung öffentlichen Grundes von einer<br />
Bewilligung abhängig zu machen.<br />
Betreffend Demonstrationen besteht wohl gestützt auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein bedingter<br />
Anspruch auf Bewilligung des gesteigerten Gemeingebrauchs; aber Einschränkungen sind nicht nur aus polizeilichen<br />
Gründen, sondern auch aus anderen öffentlichen Interessen möglich.<br />
Bei der Abgabe von Drucksachen auf öffentlichem Grund spielt die Intensität der Benutzung öffentlichen Grundes eine<br />
Rolle, die u.a. durch die Entgeltlichkeit beeinflusst wird.<br />
V. Einschränkungen für Personen im Sonderstatusverhältnis<br />
Die Meinungspflicht des Beamten wird durch seine Treuepflicht eingeschränkt, welche innerhalb und ausserhalb des<br />
Dienstes zum Tragen kommt. Eine Verletzung liegt vor, wenn eine Äusserung erfolgt, die seine Amtsführung oder das<br />
Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung beeinträchtigen würde.<br />
Auch der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verlangt vom Richter, dass er sich politischer<br />
Meinungsäusserungen enthält, die das gesellschaftliche Umfeld von Vorgängen betreffen, die die Rechtspflegeorgane<br />
zum Einschreiten veranlassen.<br />
4. Verhältnis zu anderen Freiheitsrechten<br />
Auch bei der Beurteilung von Äusserungen kommerziellen Inhalts darf nicht allein auf die Wirtschaftsfreiheit<br />
abgestellt werden, sondern muss die Meinungsfreiheit mitberücksichtigt werden.<br />
BV 15 ist lex specialis zur Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit.<br />
Ausnahmsweise kann eine staatliche Eingriffsmassnahme gleichzeitig die Meinungsfreiheit und ein anderes<br />
ideelles Freiheitsrecht tangieren (Grundrechtskonkurrenz). Durch ein Demonstrationsverbot werden bspw.<br />
sowohl die Meinungsfreiheit wie auch die Versammlungsfreiheit beschränkt.<br />
6 Soweit diese für die staatliche Stellung der Betreffenden von Bedeutung sind, BGE 71 II 191.<br />
7 Sehr umstritten, ein gewichtiger Teil der Lehre geht vom Gegenteil aus, vgl. Allgemeines Verwaltungsrecht.<br />
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Sprachenfreiheit<br />
BV 4, 18, 70<br />
1. Schutzbereich<br />
Seite 11 von 50<br />
Die Sprachenfreiheit ist die Befugnis zum Gebrauch der Muttersprache; wobei der Begriff der<br />
Muttersprache auch jene Zweit- oder Drittsprachen umfasse, welche einer Person nahe stehen und welcher<br />
sie sich vernünftigerweise zu bedienen pflegt, ZBl 83 (1982) 361.<br />
Tlw. wird sogar vom Begriff ausgegangen, dass die Sprachenfreiheit jede Sprache 8 schütze, derer sich<br />
jemand bedient.<br />
2. Rechtsträger<br />
Alle natürlichen Personen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Ein Teil der Lehre befürwortet auch,<br />
dass sich juristische Personen auf die Sprachenfreiheit berufen können.<br />
3. Einschränkungen<br />
Die Anerkennung der 4 Landessprachen in BV 4 bedeutet insofern eine Einschränkung, als sie die<br />
überkommene sprachliche Zusammensetzung des Landes gewährleistet und die Erhaltung der<br />
überlieferten Ausdehnung gewährleistet (Territorialitätsprinzip, ansatzweise BV 70 II Satz 2); die Kantone<br />
sind daher aufgrund dieser Bestimmung befugt, Massnahmen zu ergreifen, um die überlieferten Grenzen<br />
der Sprachegebiete und deren Homogenität zu erhalten.<br />
Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus BV 70 I und II Satz 1 in Bezug auf die Amtssprache; im<br />
Umgang mit Behörden muss die Amtssprache verwendet werden.<br />
4. Bundesgerichtliche Praxis<br />
Territorialitätsprinzip:<br />
Zulässige kantonalzürcherische Regelung, wonach Schüler französischer Muttersprache im Kt. Zürich nach 2 Jahren<br />
Privatschule zwingend in eine deutschsprachige Schule übertreten müssen<br />
Gemeinde St. Martin (überwiegend deutschsprachig) muss keine Klassen in romanisch führen und muss auch kein<br />
Schulgeld bezahlen für Kinder, die in der Nachbargemeinde romanischen Unterricht besuchen.<br />
Ein in einer deutschsprachigen Gemeinde des Kantons Bern wohnendes Kind französischer Muttersprache darf nicht<br />
gezwungen werden, die deutschsprachige Schule zu besuchen, wenn eine französischsprachige Gemeinde das Kind auf<br />
Kosten der Eltern aufnimmt.<br />
Aus dem Territorialitätsprinzip wurde in einigen Fällen ein die Wirtschaftsfreiheit überwiegendes öffentliches Interesse am<br />
Verbot deutschsprachiger Leuchtreklamen und Hinweistafeln in einer mehrheitlich rätoromanischen Gemeinde abgeleitet.<br />
Fremdsprachige Beschuldigte können aus der Bundesverfassung – v.a. aus BV 31 II und 32 II – und aus der EMRK<br />
diejenigen Verfahrensrechte ableiten, die für eine wirksame Verteidigung notwendig sind, bspw. die Information über die<br />
erhobenen Beschuldigungen und die wesentlichen Verfahrensschritte in einer ihnen verständlichen Sprache.<br />
Wissenschafts- und Kunstfreiheit<br />
BV 20 und 21, EMRK 10 und UNO Pakt II 19.<br />
Die Wissenschaftsfreiheit als lex specialis der Meinungsfreiheit umfasst die wissenschaftliche Lehr- und<br />
Kritikfreiheit.<br />
Die ebenfalls gewährte Forschungsfreiheit wurde bspw. durch Normen der modernen Fortpflanzungsmedizin<br />
einschränkt.<br />
Auch die Kunstfreiheit, nämlich das Kunstschaffen und dessen Hervorbringen, gilt als lex specialis zur<br />
Meinungsfreiheit; obwohl die Abgrenzung mangels einer einheitlichen Definition von „Kunst“ schwierig ist.<br />
Kunst sollte jedoch weit umschrieben werden.<br />
Sprayer von Zürich: EuGRZ 1984, S. 259, 271.<br />
8 EHRENZELLER, ST. GALLER KOMMENTAR ZU ART. 18, RZ 14: natürliche Sprachen in der Form des allgemeine Umganges wie auch<br />
dialektale Ausprägungen, Gebärdensprache, Kunstsprachen wie das lingua franca oder Esperanto, Fachsprachen.<br />
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Versammlungsfreiheit<br />
BV 22, EMRK 11, UNO Pakt II 21<br />
1. Schutzbereich<br />
I. Schutzbereich im Allgemeinen<br />
Die Versammlungsfreiheit ist die gegen staatliche Eingriffe geschützte Freiheit,<br />
Versammlungen zu organisieren<br />
an Versammlungen teilzunehmen<br />
oder Versammlungen fernzubleiben.<br />
Seite 12 von 50<br />
Geschützt sind Versammlungen in geschlossenen Räumen und im Freien, auf privatem und auf öffentlichem Grund.<br />
Bei Versammlungen auf öffentlichem Grund sind aber weiter gehende Beschränkungen zulässig.<br />
II. Definition der Versammlung<br />
Eine Versammlung ist eine vorübergehende, d.h. zeitlich beschränkte Zusammenkunft, die i.a.R. an einem bestimmten<br />
Ort stattfindet, aber sich auch in Bewegung befinden kann.<br />
Es genügt bereits eine tatsächliche Organisation. [Bei der Vereinigungsfreiheit: rechtliche Organisation]<br />
Elementar ist der meinungsbildende Zweck; Gaffer an einer Unfallstelle oder Fussballfans sind keine Versammlung.<br />
Die Versammlungsfreiheit verpflichtet den Staat bedingt, öffentlichem Grund bzw. ihm gehörenden Räumlichkeiten 9<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
2. Rechtsträger<br />
Träger der Versammlungsfreiheit sind natürliche wie juristische Personen. Juristische Personen können<br />
sich zwar – analog der Meinungsfreiheit – nicht als solche versammeln, können wohl aber eine<br />
Versammlung organisieren und insoweit in ihrer Freiheit eingeschränkt werden.<br />
Sie steht auch Ausländern zu, allerdings mit einer grösseren Einschränkungsmöglichkeit.<br />
3. Einschränkungen<br />
I. Allgemeine Voraussetzungen<br />
Bedürfnis der gesetzlichen Grundlage; selbst in Bereichen von öffentlichen Sachen<br />
Die Bewilligungspflicht für öffentliche Sachen muss daher in einem Rechtssatz geregelt sein, um der BV und der<br />
EMRK zu genügen.<br />
Für das öffentliche Interesse gelten bei Versammlungen auf privatem Grund nur polizeiliche Interessen; bei<br />
Versammlungen auf öffentlichem Grund auch weitere Interessen.<br />
Die Verhältnismässigkeit ist zu beachten; insbesondere sind Verbote in räumlicher, zeitlicher, sachlicher und<br />
personeller Sicht auf das Notwendigste zu beschränken.<br />
Präventive Massnahmen, wie bspw. Bewilligungspflicht, sind zulässig.<br />
II. Störerprinzip<br />
Polizeiliche Massnahmen sind nur gegen den Störer zu richten, d.h. denjenigen, der die öffentliche Sicherheit und<br />
Ordnung stört oder gefährdet.<br />
Ausnahmsweise kann in Fall eines Polizeinotstandes – gestützt auf die Polizeigeneralklausel – zum Schutz der<br />
öffentlichen Sicherheit notwendig sein, die Versammlungsfreiheit von Nichtstörern einzuschränken 10 .<br />
9 Aubert: Les requérants pourraient demander l’usage d’un local public s’ils ne trouvent aucun lieu où se réunir. Motif : en<br />
garantissant un droit fondamental, la Constitution oblige l’Etat à prendre les mesures qui sont nécessaires pour le réaliser.<br />
10 Vgl. generelles Versammlungsverbot in Genf nach den Ausschreitungen zum G-8 Gipfel in Evian vom Juni 2003.<br />
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Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit<br />
BV 23 und 28, EMRK 11, UNO-Pakt I 8, UNO Pakt II 22<br />
Vereinigungsfreiheit, BV 23<br />
1. Schutzbereich<br />
I. Schutzbereich im Allgemeinen<br />
Vereinigungsfreiheit bedeutet die Freiheit, ohne Beeinträchtigung seitens des Staates<br />
Vereinigungen zu bilden<br />
Vereinigungen beizutreten oder anzugehören<br />
und sich an den Tätigkeiten von Vereinigungen zu beteiligen.<br />
Seite 13 von 50<br />
II. Geschützte Vereinigungen<br />
Vereinigungen sind auf Dauer gerichtete Zusammenschlüsse von Personen, die einem gemeinsamen ideellen Zweck<br />
verfolgen. Die Rechtsform ist unerheblich.<br />
Vereinigungen mit Erwerbszwecken unterstehen nur der Wirtschaftsfreiheit<br />
Vereinigungen mit religiösen Zwecken unterstehen der Glaubens- und Gewissensfreiheit als lex specialis.<br />
2. Rechtsträger<br />
Die Vereinigungsfreiheit steht auch Ausländern zu, doch sind bei Ausländervereinen, die politische<br />
Zielsetzungen verfolgen, stärkere polizeiliche Beschränkungen zulässig.<br />
Auch die juristische Person selbst kann sich auf die Vereinigungsfreiheit berufen und sich bspw. für eine<br />
ungestörte Ausübung ihrer Tätigkeit selbständig zur Wehr setzen.<br />
3. Einschränkungen<br />
I. Im Allgemeinen<br />
Gemäss BV 36.<br />
Darüber hinaus sind rechtswidrige und staatsgefährliche Vereinigungen verboten.<br />
Rechtswidrig ist eine Vereinigung, deren Zweck oder Mittel rechtswidrig ist; nicht aber eine Vereinigung, die an der<br />
bestehenden Rechtsordnung Kritik übt und diese auf verfassungsmässigem Weg abändern will.<br />
Staatsgefährlich ist eine Vereinigung, die die staatliche Ordnung mit Gewalt abändern will und den gewaltsamen<br />
Umsturz propagiert.<br />
Zum Schutz polizeilicher Güter kann die Tätigkeit einer Vereinigung beschränkt werden.<br />
Unzulässig sind jedoch grundsätzlich Präventivmassnahmen (Bewilligungspflicht für Gründung usw.)<br />
II. Für Personen im Sonderstatusverhältnis<br />
Es kann bspw. gegen die Treuepflicht verstossen, wenn ein hochgestellter Funktionär im Integrationsbüro des Bundes<br />
einer Vereinigung beitritt, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine weitere Integration der Schweiz in Europa zu verhindern.<br />
III. Öffentlich-rechtliche Zwangsverbände<br />
Bei genügend starkem öffentlichem Interesse kann die Mitwirkung in einem Verein vorgeschrieben werden oder sogar<br />
die Zwangsmitgliedschaft bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die vom Staat mit der Wahrnehmung einer<br />
sachlich begrenzten Aufgabe betraut wird, rechtlich zulässig sein; bspw. Krankenkasse.<br />
Koalitionsfreiheit, BV 28<br />
1. Schutzbereich<br />
I. Schutzbereich im Allgemeinen<br />
Koalition ist die Freiheit der Sozialpartner zur Bildung von Vereinen zum Schutz der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.<br />
[Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände].<br />
II. Streik und Aussperrung<br />
Es gibt kein subjektives Recht auf Streik (kollektive Arbeitsverweigerung), der Streik wird aber als „ultima ratio“ unter<br />
bestimmten Voraussetzungen als zulässig erachtet.<br />
Ein generelles Streikverbot für Verwaltungsangestellte wäre verfassungswidrig, BPG 24 I genügt der BV.<br />
III. Drittwirkung<br />
Die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik verletzt den Arbeitsvertrag nicht und stellt daher keinen Kündigungsgrund<br />
dar.<br />
Ebenso sind Bestimmungen in einem Arbeitsvertrag oder GAV, wodurch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber zum Eintritt in<br />
einen vertragsschliessenden Verband gezwungen werden, sind nach OR 356a I nichtig.<br />
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Niederlassungsfreiheit<br />
BV 24, 115; UNO-Pakt II 12, BG über die Zuständigkeit Unterstützung Bedürftiger (SR 851.1)<br />
1. Schutzbereich<br />
Seite 14 von 50<br />
I. Schutzbereich im Allgemeinen<br />
Die Niederlassungsfreiheit ist das Recht aller Schweizer Bürger, sich an jedem Ort der Schweiz niederzulassen 11 oder<br />
aufzuhalten und den bisherigen Niederlassungsort jederzeit wieder zu verlassen.<br />
Sie schliesst auch das Recht ein, die Schweiz zu verlassen oder wieder in die Schweiz einzureisen.<br />
Es ergibt sich jedoch nicht aus der Niederlassungsfreiheit, dass Niedergelassene und Aufenthalter in jedem Sinne<br />
gleich zu behandeln sei 12 .<br />
II. Örtlicher Geltungsbereich<br />
Die Niederlassungsfreiheit gilt innerkantonal und interkantonal. Sie umfasst auch die Auswanderungsfreiheit, die den<br />
Anspruch auf Ausstellung eines Passes begründet.<br />
2. Rechtsträger<br />
Die Niederlassungsfreiheit gilt nur für Schweizer Staatsbürger. Der Wohnsitz unmündiger Kinder wird durch<br />
die Eltern bzw. den obhutsberechtigten Elternteil bestimmt, ZGB 25.<br />
Juristische Personen können sich nicht auf BV 24 berufen, die Sitzverlegung wird nach dem ZGB beurteilt.<br />
3. Einschränkungen<br />
I. Eingeschränkte Rechtfertigung<br />
Bei der Niederlassungsfreiheit sind die bei den anderen Freiheitsrechten zulässigen Beschränkungen,<br />
insbesondere diejenigen polizeilicher Natur, nicht erlaubt. Auch dürfen Ausweisschriften nicht wegen<br />
Steuerschulden zurückbehalten werden.<br />
Aus Sonderstatusverhältnissen können sich aber Beschränkungen ergeben; in der Praxis wird eine sog.<br />
Residenzpflicht (Wohnsitzpflicht von Beamten am Arbeitsort) unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig<br />
anerkannt. Sie muss jedoch gesetzlich vorgesehen sein, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.<br />
Ein öffentliches Interesse liegt vor,<br />
Wenn die Art des Dienstes eine erhöhte Bereitschaft am Arbeitsort erfordert (Polizei, Feuerwehr)<br />
Wo eine gewisse Verbundenheit von Beamten mit der Bevölkerung für die sachgerechte Aufgabenerfüllung<br />
von Bedeutung ist (Lehrer, Gemeindeschreiber in kleineren Gemeinden).<br />
aber nicht mehr, um die Steuern der betroffenen Beamten (Arbeitnehmer) zu sichern.<br />
Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Ehegatten den Wohnsitz gemeinsam bestimmen. Unterstehen die<br />
Ehegatten der Residenzpflicht verschiedener Gemeinwesen, kann sich aus BV 24 i.V.m. 8 III ein Anspruch auf eine<br />
Ausnahmeregelung ergeben.<br />
4. Prinzip der wohnörtlichen Unterstützung<br />
Seit 1975 obliegt die Unterstützung Bedürftiger dem Wohnsitzkanton.<br />
Schutz vor Ausweisung, Auslieferung und Ausschaffung<br />
BV 25, EMRK 3, UNO-Pakt II 7<br />
BV 25 II übernimmt das in Abs. 1 enthaltene, eng mit der Niederlassungsfreiheit verbundene Ausweisungsverbot für Schweizer.<br />
Abs. 2 und 3 schützen grundlegende menschenrechtliche Ansprüche ausländischer Staatsangehöriger.<br />
I. Schutz schweizerischer Staatsangehöriger gegen Ausweisung und Auslieferung<br />
Ausweisung ist die verbindliche Verpflichtung, das Staatsgebiet zu verlassen; das Verbot gilt absolut.<br />
Auslieferung ist die Übergabe an einen fremden Staat auf Ersuchen des betreffenden Staates; es ist nur mit dem<br />
Einverständnis des Betroffenen zulässig. Verweigert er die Zustimmung, kommt StGB 6 zur Anwendung.<br />
vgl. IRSG; BG über internationale Rechtshilfe in Strafsachen<br />
II. Schutz von Flüchtlingen gegen Ausschaffung oder Auslieferung an einen „Verfolgerstaat“<br />
BV 25 II schützt i.V.m. AsylG 45 Flüchtlinge vor der Ausschaffung oder Auslieferung in einen Staat, in dem ihnen<br />
Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder<br />
wegen politischer Anschauungen droht, sog. Non-Refoulement-Gebot (zwingendes Völkerrecht).<br />
Dieses Gebot gilt aber nicht für Personen, die die Sicherheit der Schweiz gefährden oder als gemeingefährlich gelten.<br />
III. Schutz aller Menschen vor Ausschaffung oder Auslieferung an einen „Folterstaat“<br />
BV 25 III schützt alle Menschen vor Ausschaffung oder Auslieferung an einen Staat, in dem ihnen Folter droht.<br />
BV 25 III gilt – im Unterschied zu BV 25 II- absolut.<br />
11<br />
Deshalb ist auch die Befugnis mit eingeschlossen, sich auch nur für kürzere Zeit dort aufzuhalten.<br />
12<br />
BGE 93 I 17: Eine nur von auswärts wohnenden Eigentümern von Ferienhäusern und ihren Gästen erhobene Kurtaxe verstösst<br />
nicht gegen die Niederlassungsfreiheit.<br />
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Eigentumsgarantie<br />
BV 26<br />
Eigentumsgarantie als Institutsgarantie<br />
1. Schutzbereich<br />
Seite 15 von 50<br />
I. Schutzbereich im Allgemeinen<br />
Die Eigentumsgarantie schützt das Privateigentum als in seinem Kern unantastbares Institut der Rechtsordnung.<br />
Sie gilt als verletzt, wenn der Gesetzgeber Normen aufstellt, welche das Privateigentum als fundamentale Einrichtung<br />
der schweizerischen Rechtsordnung beseitigen oder aushöhlen, seiner Substanz berauben (…).<br />
II. Anwendungsfälle<br />
Bspw. generelle Ersetzung des Grundeigentums durch vom Staat verliehene Nutzungsrechte<br />
Bspw. uneingeschränktes Vorkaufsrecht des Gemeinwesens<br />
Bspw. konfiskatorische Besteuerung (allerdings sehr hoher Schwellenwert)<br />
Eigentumsgarantie als Bestandes- und Wertgarantie<br />
1. Schutzbereich<br />
I. Schutzbereich im Allgemeinen<br />
Nicht nur das sachenrechtliche Eigentum, sondern auch andere vermögensrechtliche Rechte wie beschränkte<br />
dingliche Rechte, obligatorische Rechte und Immaterialgüterrechte.<br />
Auch öffentlich-rechtliche Berechtigungen, bspw. Vermögensrechte aus Konzessionen oder Ansprüche der Beamten,<br />
sofern sie als wohlerworbene Rechte qualifiziert werden.<br />
II. Inhalt des Bestandesschutzes<br />
Es werden die konkreten, individuellen Eigentumsrechte vor staatlichen Eingriffen geschützt.<br />
Eine Einschränkung bzw. ein Eingriff setzt voraus:<br />
Gesetzliche Grundlage<br />
Bei einem schweren Eingriff (Umzonung) wird eine klare und eindeutige Grundlage in einem Gesetz im<br />
formellen Sinn verlangt; volle Kognition des Bundesgerichts.<br />
Bei leichten Eingriffen genügen auch Verordnungen, nur Willkür-Kognition des Bundesgerichts.<br />
Öffentliches Interesse<br />
Jedes öffentliche Interesse ausser rein fiskalischen Interessen. Wichtige öffentliche Interessen sind die in<br />
der BV verankerten Anliegen des RPG, USG, GeschG und NHG.<br />
Öffentliches Interesse im Fall von Grundrechtskonkurrenz<br />
Bei Nutzungsvorschriften für Industrie- und Gewerbezonen tritt häufig eine Grundrechtskonkurrenz zwischen<br />
der Eigentumsgarantie und der Wirtschaftsfreiheit auf. Die Frage, welchem Grundrecht ein solcher Sachverhalt<br />
zugeordnet werden muss, ist entscheidend; denn für die Beschränkung der Eigentumsfreiheit sind<br />
alle, für die Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit nur gewisse öffentliche Interessen zulässig.<br />
BGE 102 I a 104, 113; BGE 111 Ia 23, 29; BGE 110 Ia 167 ff.<br />
Verhältnismässigkeit<br />
III. Inhalt des Wertschutzes<br />
Wenn – und erst dann [!] – Beschränkungen des Eigentums zulässig sind, kommt die Eigentumsgarantie als<br />
Wertgarantie zum Tragen: Bei Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, ist<br />
volle Entschädigung zu leisten, BV 26 II.<br />
Eine formelle Expropriation liegt vor, wenn durch einen Hoheitsakt von der Eigentumsgarantie geschützte Rechte<br />
vollumfänglich oder teilweise entzogen und auf einen Dritten übertragen werden.<br />
Bei einer materiellen Expropriation findet keine Übertragung von Eigentumsrechten statt, es liegt aber eine öffentlichrechtliche<br />
Eigentumsbeschränkung vor, die den Eigentümer in einer Weise trifft, die einer formellen Expropriation<br />
gleichkommt und deshalb entschädigungspflichtig ist.<br />
Einem Eigentümer wird der bisherige oder ein voraussehbar („sicherer“) künftiger Gebrauch seiner Sache<br />
untersagt oder besonders schwer eingeschränkt, weil dem Eigentümer eine wesentliche, aus dem Eigentum<br />
fliessende Befugnis entzogen wird Grundlage für Entschädigung ist BV 26 II<br />
Ohne Entzug einer wesentlichen Eigentümerbefugnis werden ein einziger oder einzelne Eigentümer so<br />
betroffen, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit der Rechtsgleichheit<br />
nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde Grundlage ist BV 8.<br />
2. Rechtsträger<br />
Hauptbeispiel einer materiellen Expropriation:<br />
Bauverbot eines eingezonten, erschlossenen und für bauliche Nutzung geeigneten Grundstücks.<br />
Rechtsträger der Eigentumsgarantie sind schweizerische Staatsangehörige und Ausländer.<br />
Ebenso juristische Personen.<br />
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Wirtschaftsfreiheit<br />
BV 27, 94 - 107<br />
Seite 16 von 50<br />
Erst 1874 erfolgte die Verankerung der Wirtschaftsfreiheit in der Verfassung. Sie ist in BV 27 [als<br />
Grundrecht des Einzelnen] und in BV 94 ff. [als Grundentscheidung für eine marktwirtschaftlich organisierte<br />
Wirtschaft] verankert. Dreiteilung nach J.P. Müller:<br />
Institutionelle Funktion Individualrechtliche Funktion Bundesstaatliche Funktion<br />
BV 94<br />
Grundentscheidung für eine<br />
Wirtschaftsordnung des freien<br />
Wettbewerbs<br />
BV 27<br />
Wirtschaftsfreiheit als Grundrecht<br />
BV 95 ff.<br />
Bundeskompetenzen im Interesse<br />
eines einheitlichen Wirtschaftsraums<br />
Schweiz<br />
Das Verhältnis zwischen Wirtschaftsfreiheit und Wirtschaftspolitik ist als eine Beziehung von Grundsatz und<br />
Ausnahme zu verstehen. Zum einen bildet die Wirtschaftspolitik bspw. mittels Konjunktur- und<br />
Wettbewerbspolitik eine unerlässliche Stütze der Wirtschaftsfreiheit, zum nehmen aber etliche Teilbereiche<br />
der Wirtschaftspolitik die Realität von der Wirtschaftsfreiheit aus (Landwirtschaftspolitik, Sozialpolitik usw.).<br />
1. Schutzbereich<br />
I. Schutzbereich im Allgemeinen<br />
Die Wirtschaftsfreiheit bedeutet das Recht des Einzelnen, uneingeschränkt von staatlichen Massnahmen jede<br />
privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit frei auszuüben und einen privatwirtschaftlichen Beruf frei zu wählen.<br />
Es wird daher die freie Konkurrenz im Erwerbsleben sowie die Freiheit der Berufswahl im privatwirtschaftlichen Bereich<br />
garantiert.<br />
Die Vertragsfreiheit steht – obwohl ein Grundsatz des Privatrechts – im unmittelbaren Zusammenhang mit der<br />
Wirtschaftsfreiheit. Die Wirtschaftsfreiheit schliesst auch ein, dass man den Vertragspartner den Vertragsinhalt frei<br />
wählen kann. Da die privatwirtschaftliche Tätigkeit zu einem wesentlichen Teil in der rechtlichen Verfügung über<br />
Sachen besteht, setzt die Wirtschaftsfreiheit deshalb auch die Eigentumsfreiheit voraus – Beschränkungen der<br />
Eigentumsfreiheit können sich deshalb auch als Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit herausstellen.<br />
II. Privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit als Schutzobjekt<br />
Private Tätigkeit<br />
Gemeinwesen als Privatrechtssubjekt<br />
Nicht aber: Offizialverteidiger, Notar, Abgabe auf Honorare der Chefärzte<br />
Schutz jeder auf Erwerb gerichteten Tätigkeit<br />
Geschützt sind alle auf Erwerb gerichteten 13 privaten Tätigkeiten, ob haupt- oder nebenberuflich.<br />
Sie beinhaltet aber keine Konsumfreiheit; d.h. kein Recht, Einkäufe nach Belieben zu tätigen. 14<br />
Schutz auch der unselbständig Erwerbenden<br />
Schutz aller Handlungen im Rahmen einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit<br />
- Freie Wahl der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (aber kein Anspruch auf Anstellung)<br />
Kein Anspruch auf Zulassung zu einer staatl. Ausbildungsanstalt [numerus clausus]<br />
- Freie Wahl bezüglich Ort und Zeit der privatwirtschaftlichen Tätigkeit<br />
- Freie Wahl der sachlichen Mittel (Verbot von Schaufelbaggern ist unzulässig, VS)<br />
- Freie Gestaltung der Geschäftsbeziehungen<br />
- Organisatorische Freiheit (Schranken: KG)<br />
- Freie Werbung (Schranke: UWG)<br />
- Benützung von öffentlichem Grund<br />
Alle, die zur Ausübung einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit öffentliche Sachen zum<br />
gesteigerten Gemeingebrauch beanspruchen, können sich auf die Wirtschaftsfreiheit berufen.<br />
Es besteht daher ein bedingter Anspruch auf Benutzung des öffentlichen Grundes, bspw. BGE<br />
101 Ia 473, 479.<br />
III. Schutz nur vor Eingriffen des Staates<br />
Die Wirtschaftsfreiheit schützt nur vor Eingriffen des Staates und beinhaltet kein gerichtlich durchsetzbares Recht auf<br />
staatliche Leistungen, bspw. Zulassung zur Universität (numerus clausus).<br />
Grundsätzlich bildet die Wirtschaftsfreiheit auch keinen Schutz vor Eingriffen von Privaten in den freien Wettbewerb.<br />
IV. Schutz vor allgemeinen Einschränkungen<br />
Die ältere Praxis ging davon aus, dass Vorschriften, die sich an jedermann und nicht nur an Erwerbstätige richten, die<br />
Wirtschaftsfreiheit nicht berühren würden. Die neuere Rsp. berücksichtigt auch bei der Beurteilung allgemeiner<br />
Vorschriften, die auch zu einer Einschränkung wirtschaftlicher Betätigungsmöglichkeiten führen, die Wirtschaftsfreiheit<br />
(Aufstellen einer Reklametafel, BGE 99 Ia 42, 48).<br />
13 Ob sie schlussendlich auch dort mündet, ist irrelevant; ebenso ob sie bspw. durch ideelle Ziele zurückgedrängt wird.<br />
14 BGE 102 Ia 104: Beurteilung bei der Zulässigkeit von Vorschriften über den Bau von Einkaufszentren.<br />
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2. Rechtsträger<br />
Seite 17 von 50<br />
Schweizer Staatsbürger und Ausländer mit Niederlassungsbewilligung oder Aufenthaltsbewilligung 15 . Ob<br />
Ausländer von der Ausübung eines bestimmten Berufes ausgeschlossen werden können, ist nicht eine<br />
Frage der Grundrechtsträgerschaft, sondern der materiellen Schranken der Wirtschaftsfreiheit.<br />
Juristische Personen des Privatrechts sind ebenfalls Träger der Wirtschaftsfreiheit.<br />
3. Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit<br />
I. Grundsatzkonforme und grundsatzwidrige Einschränkungen<br />
Grundsatzwidrig (vormals: wirtschaftspolitisch) sind alle wettbewerbsverzerrenden Massnahmen, d.h. solche, die den<br />
freien Wettbewerb, basierend auf dem Prinzip von Angebot und Nachfrage, behindern 16 , um gewisse Gewerbezweige<br />
oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen.<br />
Vorschriften zum Schutz bestimmter Erwerbszweige oder Berufsarten vor neuen Konkurrenten sind den Kantonen nur<br />
noch bis Ende 2009 (Gastgewerbe) erlaubt bzw. generell verboten. Dem Bund sind sie nur dort gestattet, wo die BV<br />
eine Abweichung vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit erlaubt, wie bspw. in BV 103.<br />
Grundsatzkonform (vormals: wirtschaftspolizeilich) sind Massnahmen, die dem Schutz der Polizeigüter dienen. Der<br />
Begriff der grundsatzkonformen Massnahmen reicht aber weit über den Bereich polizeilicher Regelungen hinaus;<br />
grundsätzlich können auch andere allgemein anerkannte öffentliche Interessen eine Einschränkung rechtfertigen.<br />
II. Grundsatzkonforme Einschränkungen<br />
Bundeszuständigkeit nach BV 95 I; nachträglich derogatorische Kompetenz des Bundes.<br />
Im Übrigen sind die Kantone zuständig; solange und soweit der Bund die Kompetenz nicht ausgeschöpft hat, dürfen<br />
die Kantone die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit in grundsatzkonformer Weise regeln.<br />
Voraussetzungen:<br />
Gesetzliche Grundlage<br />
Bei schweren Eingriffen (Bewilligungspflicht) muss die Beschränkung auf der Stufe eines Gesetzes geregelt sein.<br />
Weniger schwere Eingriffe können auf einer Verordnung basieren, die ihrerseits aber auf einer zulässigen<br />
Gesetzesdelegation beruhen muss.<br />
Öffentliches Interesse<br />
Es genügt nicht jedes irgendwie geartete öffentliche Interesse. In Frage kommen neben polizeilichen<br />
Massnahmen auch sozialpolitische oder raumplanerisch, energiepolitisch oder sprachlich motivierte Massnahmen.<br />
Verhältnismässigkeit i.w.S.<br />
Gleichbehandlung der Konkurrenten<br />
Aus der Wirtschaftsfreiheit wird ein Anspruch der direkten Konkurrenten auf Gleichbehandlung bzw. ein Verbot der<br />
rechtsungleichen Behandlung der direkten Konkurrenten abgeleitet.<br />
Es sind somit Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren bzw. nicht<br />
wettbewerbsneutral 17 sind.<br />
Staatliche Massnahmen können somit Unterscheidungen treffen, die zwar auf vernünftigen, sachlichen<br />
Gründen beruhen und damit vor dem Rechtsgleichheitsgebot standhalten (BV 8), aber dennoch in<br />
unzulässiger Weise vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen, weil die Differenzierung nicht genügend<br />
wettbewerbsneutral ist.<br />
Die Wirtschaftsfreiheit ergänzt daher das allgemeine Gleichbehandlungsgebot und bietet einen darüber<br />
hinausgehenden Schutz.<br />
Der Grundsatz der Gleichbehandlung direkter Konkurrenten gilt nicht absolut. Er schliesst nicht aus, dass aus<br />
Gründen des USG gewisse umweltverträgliche Produkte oder Verfahren begünstigt werden.<br />
Der Anspruch auf Gleichbehandlung steht aber nur direkten Konkurrenten zu.<br />
Als direkte Konkurrenten gelten Angehörige der gleichen Branche, die sich mit gleichen Angeboten an<br />
dasselbe Publikum richten, um das gleiche Bedürfnis zu befriedigen.<br />
Verneint: Peep-Show vs. Kiosk, Kinos und Nightclub; Kino vs Theater und Cabaret; Apotheke vs Drogerie<br />
Bejaht: Bäckerei vs Konditorei, Zirkusunternehmen<br />
Konkurrenten eines Bewilligungsempfängers sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht schon auf<br />
Grund der blossen Befürchtung, einer verstärkten Konkurrenz ausgesetzt zu sein, zur Beschwerde legitimiert.<br />
Diese Art des Berührtseins liegt vielmehr im Prinzip des freien Wettbewerbs und schafft keine schutzwürdige<br />
besondere Beziehungsnähe (...). Erforderlich ist vielmehr eine spezifische Beziehungsnähe, die von der<br />
einschlägigen gesetzlichen Ordnung erfasst, BGE 125 I 7, Mediservice; vgl. Fall 4 PD Dr. Trueb, Folie 13 ff.<br />
15<br />
Sofern sie nicht unter die arbeitsmarktlichen Begrenzungsmassnahmen fallen und Anspruch auf Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung<br />
haben, BGE 123 I 212, 214.<br />
16<br />
Und dies bewusst auch bezweckt – nicht grundsatzwidrig ist deshalb eine rigorose Vorschrift zum Schutz vor Lärm und Abgasen,<br />
wenngleich sie einschneidende Auswirkungen auf die Konkurrenzverhältnisse in der Automobilindustrie haben kann; ihr Zweck liegt<br />
nicht in der Steuerung des Wettbewerbs sondern im Schutz des Polizeiguts der öffentlichen Gesundheit.<br />
17<br />
I.c. unterschiedliche Standplatzgebühren für Taxis mit und ohne Anschluss an eine Funkzentrale.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Seite 18 von 50<br />
Polizeiliche Massnahmen sind die wichtigsten Anwendungsfälle von grundsatzkonformen Einschränkungen:<br />
- Einschränkung der Erwerbstätigkeit von Prostituierten (öffentliche Ruhe)<br />
- Handel mit gefährlichen Gegenständen (öffentliche Sicherheit)<br />
- Rezeptpflicht für Medikamente, Beschränkung des Verkaufs auf Apotheken (öffentliche Gesundheit)<br />
- Verbot einer Peep-Show (öffentliche Sittlichkeit)<br />
- UWG (Treu und Glauben im Geschäftsverkehr)<br />
- Die Zulassung zu einer Erwerbstätigkeit kann von einer beruflichen Ausbildung oder einem Prüfungsausweis<br />
abhängig gemacht werden, sofern das Schutzbedürfnis des Publikums dies erfordert.<br />
Bspw. für Kosmetikerin, Bergführer, Skilehrer, Hebamme, Immobilienhändler, Dentalhygieniker bejaht;<br />
Für Coiffeur verneint.<br />
- Aus polizeilichen Gründen kann ebenso eine andere persönliche Voraussetzung erforderlich sein, bspw.<br />
Mindestalter, guter Leumund usw.<br />
- Ebenso sind sachbezogene Voraussetzungen möglich; Vorschriften feuerpolizeilicher oder gesundheitspolizeilicher<br />
Natur.<br />
- Staatliche Höchtspreisfestsetzungen können ausnahmsweise polizeilich gerechtfertigt sein, wenn mit der<br />
Ausübung einer Erwerbstätigkeit eine besondere Gefahr der Ausnutzung des Publikums verbunden ist.<br />
Förderungsmassnahmen von Bund und Kantonen<br />
BV 94 III ermächtigt sowohl den Bund als auch die Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeit mittels Förderungsmassnahmen<br />
für günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft zu sorgen.<br />
Reine Förderungsmassnahmen bestehen in der Zuwendung vermögenswerter Vorteile und können sich grundsätzlich<br />
auf alle Zweige der Wirtschaft beziehen; Bund und Kantone sind dabei an die Grundsätze der Wirtschaftsfreiheit und<br />
der Rechtsgleichheit gebunden 18 .<br />
III. Grundsatzwidrige Einschränkungen<br />
Massnahmen, die vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen und sich gegen den freien Wettbewerb richten,<br />
darf nur der Bund gestützt auf eine direkte Verfassungsermächtigung erlassen, BV 94 IV. Vorbehalten bleiben<br />
kantonale Regalrechte und bis 2009 Regelungen im Gastgewerbe, BV 103.<br />
Voraussetzungen:<br />
Besondere Ermächtigung der BV (Verfassungsvorbehalt)<br />
Konjunkturpolitik, BV 100 III; Aussenwirtschaftspolitik, BV 101 II, Landesversorgung, BV 102 II, regionale und<br />
sektorale Strukturpolitik, BV 103 Satz 2, Landwirtschaft, BV 104 II.<br />
Notwendigkeit<br />
In erster Linie sollen Massnahmen ergriffen werden, die mit der marktwirtschaftlichen Ordnung konform sind.<br />
Subsidiaritätsprinzip, BV 103<br />
Bestimmungen gemäss BV 103 dürfen nur erlassen werden, wenn die zu schützenden Wirtschaftszweige oder<br />
Berufe die ihnen zumutbaren Selbsthilfemassnahmen getroffen haben.<br />
Inhalt<br />
Bedürfnisklauseln, Preisregulierungen, Kontingentierungen, Investitionshilfen, Pflichtlagerhaltung<br />
IV. Konjunkturpolitische Massnahmen<br />
Der Bund muss Massnahmen für eine ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung treffen, BV 100 I, deren Ziel eine<br />
ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung ist. Als Mittel gegen die Teuerung kommen v.a. eingreifende Massnahmen<br />
auf den Gebiet des Geld- und Kreditwesens in Frage; gegen Rezession und Arbeitslosigkeit v.a. fördernde<br />
Massnahmen.<br />
BV 100 III gestattet dem Bund Abweichungen von der Wirtschaftsfreiheit nur in drei abschliessend genannten<br />
Bereichen.<br />
Ebenso wird der Bund und die Kantone wie die Gemeinden verpflichtet, ihre Mittel „antizyklisch“ einzusetzen, dies als<br />
Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur, BV 100 IV und V. Der Bund kann private Unternehmen zur Bildung von<br />
Arbeitsbeschaffungsreserven verpflichten; d.h. dass Unternehmen aus ihrem Reingewinn<br />
Arbeitsbeschaffungsreserven bilden, die stillgelegt werden und über die erst verfügt werden darf, wenn der Bundesrat<br />
die Durchführung von Arbeitschaffungsaktionen beschlossen hat.<br />
V. Staatliche Monopole<br />
Ein Monopol liegt vor, wenn jemand eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit unter Ausschluss der Konkurrenz ausübt;<br />
ein staatliches Monopol 19 somit, wenn eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit unter grundsätzlichem Ausschluss der<br />
Privaten dem Staat vorbehalten ist. Mittels einer Monopolkonzession kann das Recht auf einen Privaten übertragen<br />
werden.<br />
Rechtliche Monopole sind grundsatzwidrig und bedürfen einer besonderen Grundlage in der Bundesverfassung.<br />
Faktische Monopole verstossen nicht gegen BV 27.<br />
Kantonale Regalrechte sind generell vorbehalten, BV 94 IV; neue nur erlaubt, wenn sie grundsatzkonform sind.<br />
18<br />
Finanzielle Hilfeleistungen können jedoch in einzelnen Fällen ein Ausmass annehmen, das einerseits so sehr privilegiert,<br />
anderseits entsprechend diskriminiert, dass ein Verstoss gegen die Wirtschaftsfreiheit und den darin enthaltenen Grundsatz der<br />
Gleichbehandlung angenommen werden sollte.<br />
19<br />
Ein rechtliches Monopol stützt sich auf einen Rechtssatz, ein faktisches auf tatsächliche Gegebenheiten, insbesondere die<br />
staatliche Hoheit über öffentliche Sachen, ab.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Seite 19 von 50<br />
VI. Freizügigkeit der Berufstätigen<br />
Es liegt in der Kompetenz der Kantone, für Berufe, die zum Schutz des Publikums nicht ohne Sachkenntnis ausgeübt<br />
werden dürfen, einen Fähigkeitsausweis zu verlangen. Das Erfordernis eines Fähigkeitsausweises ist eine<br />
ausschliesslich polizeiliche Massnahme.<br />
Es liegt am Bund, dafür zu sorgen, dass Personen mit einer wissenschaftlichen Ausbildung oder mit einem<br />
eidgenössischen, kantonalen oder kantonal anerkannten Ausbildungsabschluss ihren Beruf in der ganzen Schweiz<br />
ausüben können, BV 95 II. Die Kantone dürfen deshalb für Inhaber eines ausserkantonalen Ausweises keine<br />
zusätzlichen Fähigkeitsprüfungen durchführen (Cassis-de-Dijon-Prinzip); vgl. ÜBest BV 95 Nr. 5.<br />
Es bestehen bereits das BGFA, BG für Medizinalpersonen und allgemeine Medizinalprüfungsverordnung.<br />
Ebenso will das BGBM durch den Abbau öffentlich-rechtlicher Wettbewerbshindernissen im kantonalen, kommunalen<br />
und eidgenössischen Bereich Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz für die Ausübung ihrer<br />
Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz freien und gleichberechtigten Zugang zum Markt verschaffen.<br />
CdD: Ortsfremden Anbietern darf der freie Zugang zum Markt nur dann nach Massgabe der Vorschriften des<br />
Bestimmungsortes eingeschränkt werden, wenn diese Beschränkungen gleichermassen auch für ortsansässige<br />
Personen gelten, zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen unerlässlich und verhältnismässig sind, BGBM 3.<br />
Ein ausserkantonaler Fähigkeitsausweis ist nach BGBM 4 auch in anderen Kantonen anzuerkennen, sofern er nicht<br />
Beschränkungen nach BGBM 3 unterliegt.<br />
Die Pflicht zur Anerkennung ausserkantonaler Fähigkeitsausweise bedeutet also nicht, dass die Kantone die<br />
Bescheinigungen eines anderen Kantons nicht überprüfen dürfen, sie müssen insbesondere einen Fähigkeitsausweis<br />
nur dann anerkennen, wenn der ausstellende Kanton die zur Berufsausübung erforderlichen wirtschaftlichen und<br />
praktischen Fähigkeiten materiell geprüft hat.<br />
Nach der binnenmarktlichen Freizügigkeitskonzeption wird die Gleichwertigkeit jedoch vermutet.<br />
Die Kantone können jedoch verlangen, dass die betroffene Person um eine formelle Bewilligung nachsucht, die<br />
allerdings in einem einfachen, raschen und kostenlosen Verfahren gewährt werden muss.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Rechtsgleichheit<br />
BV 8<br />
Seite 20 von 50<br />
BV 8 IV weist den Gesetzgeber an, Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen von<br />
Behinderten vorzusehen.<br />
BV 8 II enthält ein allgemeines Diskriminierungsverbot<br />
Der Schutz vor Willkür und die Wahrung von Treu und Glauben sind selbständige Rechte<br />
Rechtsstaatlich wichtige Grundsätze, bisher aus der EMRK abgeleitet, sind nun separat<br />
ausdrücklich gewährleistet, BV 29 – 32.<br />
BV 8I und III stimmen mit dem bisherigen Recht überein.<br />
Auf internationaler Ebene gewährleistet EMRK 14 nur die Gleichbehandlung beim Genuss der in der<br />
Konvention festgelegten Rechte.<br />
Rechtsgleichheit und Freiheitsrechte sind keine Gegensätze; denn wirkliche Freiheit ist nur möglich, wenn<br />
auch für alle in einem bestimmten Mass gleiche Voraussetzungen bestehen.<br />
Allgemeines<br />
Gleichheitsgebot<br />
Abs. 1<br />
„relative Gleichheit“<br />
BV 8 BV 37 II<br />
Diskriminierungsverbot Gleiche Rechte für<br />
Mann und Frau<br />
Beseitigung von<br />
Benachteiligungen<br />
Behinderter<br />
Abs. 2 Abs. 3 Abs. 4.<br />
Differenzierungsverbot Egalisierungsgebot Gleicher Lohn für<br />
gleichwertige Arbeit<br />
Satz 1 Satz 2 Satz 3<br />
Gleichstellung von<br />
kantonsfremden<br />
Schweizer Bürgern<br />
mit Kantonsbürgern<br />
BV 29 BV 9<br />
Allgemeine<br />
Gerichtsverfahren Schutz bei Schutz vor Willkür Wahrung von Treu<br />
Verfahrensgarantien<br />
Freiheitsentzug<br />
und Glauben<br />
BV 29 BV 30 BV 31<br />
Unschuldsvermutung<br />
Faires Verfahren<br />
BV 32<br />
Es gibt keine Bereiche staatlicher Tätigkeit, die vom Grundsatz der Rechtsgleichheit ausgenommen sind.<br />
Auch juristische Personen können sich trotz der Formulierung von BV 8 „alle Menschen“ auf die<br />
Rechtsgleichheit berufen.<br />
I. Rechtsgleichheit in der Rechtsetzung<br />
Die Rechtsgleichheit betrifft die Rechtsetzung auf allen Ebenen der staatlichen Tätigkeit.<br />
Absolute Gleichheit ist nur in wenigen Bereichen erfüllt (aber auch nur dort notwendig), bspw. politisches Stimmrecht<br />
oder BV 8 III.<br />
Im Übrigen wird die Rechtsgleichheit durch eine differenzierende Regelung erfasst:<br />
Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu<br />
behandeln.<br />
Dem Gesetzgeber ist es verboten, Differenzierungen zu treffen, für die sachliche und vernünftige Gründe fehlen oder<br />
sich über erhebliche tatsächliche Unterschiede hinwegzusetzen.<br />
Ein Erlass verletzt das Rechtsgleichheitsgebot,<br />
wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht<br />
ersichtlich ist oder Unterscheidungen unterlässt, die sich auf Grund der Verhältnisse aufdrängen.<br />
Gewisse Schematisierungen sind aber erlaubt (Differenzierungen nach abstrakten Kriterien) 20 .<br />
Zudem genügt nicht jeder Unterschied, er muss „erheblich“ sein, damit er als Differenzierung gelten kann.<br />
Ein (kantonaler) Erlass verstösst gegen das Willkürverbot, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe<br />
stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist;<br />
er verletzt das Gebot der Rechtsgleichheit, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger<br />
Grund nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen.<br />
20 Differenzierung Tag- und Nachtparkierer; da die Nachtparkierer infolge der Dauer und Regelmässigkeit ihres Tuns leichter zu<br />
erfassen sind und für Tagparkierer differenzierte Instrumente (Parkuhren) zur Anwendung gelangen.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Seite 21 von 50<br />
II. Rechtsgleichheit in der Rechtsanwendung<br />
Die generell-abstrakten Rechtsnormen sind von den das Recht anwendenden Organen im Bund, Kanton und in den<br />
Gemeinden auf alle gleichliegenden Fälle in gleicher Weise anzuwenden.<br />
Die Bindung an die Rechtsgleichheit ist insbesondere dort wichtig, wo die anzuwendende Norm unbestimmte Begriffe<br />
verwendet oder den Behörden Ermessen einräumt.<br />
Rechtsungleiche Behandlung kann grundsätzlich nur angefochten werden, wenn sie von der gleichen Behörde<br />
ausgehe (Ausnahme: Aufsichtsbehörde). Insbesondere verstosse die Verschiedenheit des kantonalen Rechts und der<br />
kantonalen Rechtsanwendung nicht gegen die Rechtsgleichheit, BGE 91 I 480.<br />
Eine Praxisänderung begründet eine Interessenkollision zwischen der richtigen Rechtsanwendung und der Rechtsgleichheit<br />
bzw. der Rechtssicherheit.<br />
Eine Praxisänderung ist daher zulässig, wenn ernsthafte und sachliche Gründe dafür vorliegen, das Gebot der<br />
Rechtssicherheit beachtet wird und die Praxisänderung in grundsätzlicher Weise erfolgt.<br />
Das Legalitätsprinzip geht dem Prinzip der Rechtsgleichheit vor; es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf<br />
Gleichbehandlung im Unrecht.<br />
Ausnahmsweise geht die Rechtsgleichheit vor, wenn nämlich die Behörde in ständiger Praxis vom Gesetz abweicht<br />
und zu erkennen gibt, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden werde. Selbst dann aber können<br />
noch gewichtige öffentliche Interessen entgegenstehen; in praxi ist beim Schutz einer rechtwidrigen Praxis grösste<br />
Zurückhaltung zu üben, BGE 108 Ia 212.<br />
III. Diskriminierungsverbot<br />
BV 8 II bietet Schutz gegen soziale Ausgrenzungen; wobei es jedoch zulässig ist, Angehörige verschiedener Gruppen<br />
unterschiedlichen Behandlungen auszusetzen, sofern und solange dies sachlich gerechtfertigt ist.<br />
Eine Diskriminierung – und damit ein Verstoss gegen BV 8 II und BV 7 – liegt vor, wenn eine Person allein auf Grund<br />
ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe benachteiligt wird.<br />
IV. Gleiche Rechte für Mann und Frau<br />
BV 8 III garantiert grundsätzlich absolute rechtliche Gleichheit, d.h. sachliche Gründe vermögen eine ungleiche<br />
Behandlung von Mann und Frau nicht zu rechtfertigen. Besondere Verfassungsnormen, die nach geschlechterspezifischen<br />
Kriterien differenzieren, gehen BV 8 als lex specialis vor (Militärdienstpflicht u.a.).<br />
Grundsatz der Gleichberechtigung, BV 8 III Satz 1<br />
Er vermittelt einen unmittelbaren Anspruch betroffener Frauen oder Männer und richtet sich an alle staatlichen Organe.<br />
Der Geschlechterunterschied darf kein Kriterium für eine rechtsungleiche Behandlung durch den Staat sein;<br />
Ausnahmen sind nur dort gerechtfertigt, wo Sachzwänge 21 dem Gesetzgeber vernünftigerweise keine andere Wahl<br />
lassen; „(…) somit auf dem Geschlecht beruhende biologische oder funktionale Unterschiede eine Gleichbehandlung<br />
absolut ausschliessen“, BGE 123 I 56.<br />
BV 8 III ist überhaupt nicht berührt, wenn steuerliche Regelungen Ehegatten bevorzugen oder benachteiligen.<br />
Dagegen kann ein Verstoss gegen die Grundsätze der Besteuerung vorliegen.<br />
Gesetzgebungsauftrag, BV 8 III Satz 2<br />
Der Gesetzgebungsauftrag gilt für sämtliche Rechtsbereiche, in denen Mann und Frau noch nicht gleich behandelt<br />
werden. Insbesondere das GlG bezweckt eine Förderung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter.<br />
Der Gesetzgebungsauftrag zielt nicht nur auf die Beseitigung von Geschlechterdiskriminierungen ab, sondern enthält<br />
auch einen Auftrag an den Gesetzgeber, tatsächliche Gleichheit der Geschlechter herbeizuführen.<br />
Dieses Egalisierungsgebot kann in einem Spannungsverhältnis zum Diskriminierungsverbot stehen und u.U. eine<br />
massvolle geschlechtsspezifische Förderung von Frauen durch den Staat trotz der damit verbundenen<br />
Ungleichbehandlung der Männer rechtfertigen oder sogar gebieten. Dabei ist eine Verhältnismässigkeitsprüfung<br />
vorzunehmen; die Massnahme hat zu unterbleiben, wenn sie entweder nicht geeignet ist, tatsächliche Gleichheit<br />
der Geschlechter herbeizuführen, wenn gleich geeignete, aber mit dem individuellen Interesse der<br />
Gleichbehandlung (Diskriminierungsverbot) besser zu vereinbarende Massnahmen zur Verfügung stehen oder<br />
wenn die mit der Massnahme verbundene Abweichung von der strikten Geschlechtsneutralität schwerer ins<br />
Gewicht fällt als das Interesse an der tatsächlichen Gleichstellung.<br />
Gleicher Lohn, BV 8 III Satz 3<br />
Er begründet einen subjektiven Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit auch gegenüber<br />
einem privaten Arbeitgeber. Gleichwertige Arbeit: BGE 125 II 385.<br />
V. Beseitigung von Benachteiligungen Behinderter<br />
BV 8 IV richtet sich an Bund und Kantone, Massnahmen zur Beseitigung der Benachteiligung Behinderter vorzusehen.<br />
Primär stehen bauliche Vorkehrungen im Vordergrund.<br />
21 Bei der Dienstpflicht in der Feuerwehr wird jeweilen unterschieden, ob es sich um eine Milizfeuerwehr (gefährliche Einsätze) oder<br />
um eine „bloss“ die Berufsfeuerwehr unterstützende Bezirksfeuerwehr handelt, bei der auch für Frauen eine Dienstpflicht bestehen<br />
könne, weil weder riskante noch physisch anspruchsvolle Einsätze bestünden.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Seite 22 von 50<br />
VI. Gleichstellung von kantonsfremden Schweizer Bürgern und Kantonsbürgern<br />
Nach BV 37 II Satz 1 darf niemand wegen seiner Bürgerrechte benachteiligt oder bevorzugt werden. Der Grundsatz,<br />
dass die kantonalen Behörden alle schweizerischen Staatsangehörigen gleich behandeln müssen, stellt ein<br />
grundlegendes bundesstaatliches Prinzip dar.<br />
BV 37 II ist lex specialis zu BV 8, indem er grundsätzlich untersagt, das Kantonsbürgerrecht als Kriterium für eine<br />
rechtsungleiche Behandlung zu verwenden.<br />
Eine Differenzierung nach Wohnsitz wird jedoch durch BV 37 II nicht untersagt und darf erfolgen, sofern sie mit BV 8<br />
vereinbar ist, d.h. sachliche Gründe sie rechtfertigen. So dürfen insbesondere bei Anstalten wie Spitälern oder<br />
Schulen, die zu einem wesentlichen Teil aus Steuergeldern finanziert werden, von ausserhalb des Kantons oder der<br />
Gemeinde wohnenden Benützern höhere Gebühren verlangt werden.<br />
BV 37 II Satz 2 erlaubt ausnahmsweise Privilegierungen, die an das Bürgerrecht anknüpfen.<br />
Willkürverbot und Wahrung von Treu und Glauben<br />
BV 9<br />
I. Willkürverbot<br />
Ein staatlicher Akt ist willkürlich, wenn er nicht nur unrichtig, sondern schlechthin unhaltbar ist; er somit eine Norm oder<br />
einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich verletzt oder in stossender Weise de<br />
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.<br />
Das Willkürverbot stellt ein selbständiges verfassungsmässiges Recht dar; das oft als Auffangtatbestand – wenn kein<br />
anderes Grundrecht geltend gemacht werden kann – dient. 22<br />
Geschützt sind natürliche wie juristische Personen.<br />
Willkür in der Rechtsetzung<br />
Eine Norm verletzt das Willkürverbot, wenn sie sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder<br />
sinn- und zwecklos ist. Massgebend ist der Zeitpunkt der richterlichen Überprüfung.<br />
Willkür in der Rechtsanwendung<br />
Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn eine Norm im Einzelfall offensichtlich unrichtig ausgelegt wird;<br />
Bei offensichtlicher Gesetzesverletzung<br />
Bei offensichtlicher Missachtung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes<br />
Bei groben Ermessensfehlern<br />
Bei einem inneren, nicht auflösbaren Widerspruch<br />
Bei einem stossenden Widerspruch zum Gerechtigkeitsgedanken<br />
Die Willkürprüfung beschränkt sich auf die Frage, ob sich ein staatlicher Akt auf vernünftige und sachliche Gründe<br />
stützen lässt. Bei der Rechtsgleichheit wird geprüft, ob sich die Differenzierung gestützt auf sachliche Gründe<br />
rechtfertigen lässt.<br />
Die ausdrückliche Erwähnung des Willkürverbots in BV 9 deutet auf ein selbständiges verfassungsmässiges Recht.<br />
Das Bundesgericht hält aber an der Rechtsprechung fest, wonach dieses Recht für sich allein keine geschützte<br />
Rechtsstellung begründe und daher kein rechtliches Interesse i.S.v. OG 88 vermittle.<br />
II. Wahrung von Treu und Glauben<br />
Er verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder<br />
sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden.<br />
Das Prinzip von Treu und Glauben ist Im Privatrecht in ZGB 2; im öffentlichen Recht in BV 5 III verankert. Die<br />
Grundlage als verfassungsmässiges Recht des Bürgers findet sich in BV 9.<br />
Verbot des Rechtsmissbrauchs<br />
Private wie staatliche Behörden sind verpflichtet, ihre Rechte und Pflichten im Sinne des Gesetzeszwecks<br />
auszuüben. Es ist jedoch kein selbständiges verfassungsmässiges Recht des Bürgers sondern dient vielmehr<br />
als Schranke der Rechtsausübung.<br />
Voraussetzungen des Vertrauensschutzes<br />
Existenz einer Vertrauensgrundlage; berechtigtes Vertrauen in das Verhalten der staatlichen Behörden,<br />
Tätigung einer Vermögensdisposition infolge des Vertrauens, Interessenabwägung zugunsten des<br />
Vertrauenden.<br />
Verbot widersprüchlichen Verhaltens<br />
Staatliches Handeln muss in sich kohärent, d.h. logisch, zusammenhängend und nicht widersprüchlich sein.<br />
22 Bspw BGE 96 I 104: Kein Recht auf freie Grabmalgestaltung, aber willkürliche Rechtsanwendung ?<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Verfahrensgarantien<br />
BV 29 – 32, EMRK 5 und 6, UNO Pakt II 9 und 14<br />
Seite 23 von 50<br />
Die Art und Weise, wie ein gerichtliches oder administratives Verfahren abläuft, ist wesentlich für die<br />
Legitimation einer staatlichen Entscheidung und deren Akzeptanz.<br />
I. Allgemeine Verfahrensgarantien, BV 29<br />
Die Verfahrensgarantien gelten umfassend für alle Gerichts- und Verwaltungsverfahren.<br />
Verbot der formellen Rechtsverweigerung, BV 29 I<br />
Formelle Rechtsverweigerung liegt vor, wenn ein formeller Rechtssatz unrichtig angewendet wird, sodass der<br />
betroffene Private nicht in den Genuss gleicher Rechtsanwendung gelangt.<br />
Verbot der Verweigerung oder Verzögerung eines Rechtsanwendungsaktes<br />
Verletzt, wenn eine Gerichts- oder Verwaltungsbehörde untätig bleibt oder das gebotene Handeln über<br />
Gebühr hinauszögert. Voraussetzung ist, dass ein Anspruch auf das Verfahren besteht und dass der<br />
Berechtigte ein Begehren an die Behörden stellt, die Sache anhand zu nehmen.<br />
Überspitzter Formalismus ist eine besondere Form der Rechtsverweigerung, die dann vorliegt, wenn für<br />
ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt<br />
wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften<br />
überspannte Anforderungen stellt<br />
Anspruch auf rechtliches Gehör, BV 29 II<br />
Es dient der Sachaufklärung und garantiert dem Betroffenen ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im<br />
Verfahren. Das rechtliche Gehör ist der Anspruch des Privaten, in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren<br />
Mit seinem Begehren angehört zu werden und Beweisanträge zu stellen<br />
Bei der Beweiserhebung mitzuwirken<br />
Eine Stellungnahme zum Vorbringen der Gegenpartei und zum Ergebnis des Beweisverfahrens<br />
abzugeben<br />
Einblick in die Akten zu erhalten<br />
Zu den für die Entscheidung wesentlichen Punkten Stellung nehmen zu können.<br />
Einen begründeten Entscheid zu erhalten.<br />
Im Rechtsanwendungsbereich findet dieses Recht überall dort Anwendung, wo die Gefahr besteht, dass der Einzelne<br />
durch den Erlass einer Verfügung in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt wird.<br />
Im Rechtssetzungsverfahren wäre eine individuelle Anhörung aller Betroffenen nicht praktikabel, hier kommen<br />
demokratische Mitwirkungsrechte zum Tragen.<br />
Das rechtliche Gehör ist ein selbständiges Recht formeller Natur; bei Verletzung des Anspruchs wird ein angefochtener<br />
Entscheid aufgehoben, unabhängig davon, ob er bei korrektem Verfahrensausgang anders ausgefallen wäre.<br />
Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung, BV 29 III<br />
Beim Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung i.e.S. wird der Betroffene vorläufig von Verfahrens- und Gerichtskosten<br />
befreit, wenn er bedürftig ist und sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.<br />
Der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand erfordert zudem eine Sachkomplexität, die den Beizug eines<br />
Rechtsbeistands als notwendig erscheinen lässt.<br />
II. Rechtsweggarantie, BV 29a 23<br />
Der Einzelne muss ihn betreffende staatliche Anordnungen durch Justizbehörden überprüfen lassen können; was sich<br />
nicht nur auf Mehrparteien-Streitsachen, sondern auch auf nichtstreitige Verfahren (Erlass einer Verfügung) beziehen<br />
muss. Es genügt, wenn ein kantonales Gericht mit voller Kognition in Rechts- und Tatsachenfragen die Sache<br />
beurteilt.<br />
III. Garantien im gerichtlichen Verfahren, BV 30, EMRK 6 I<br />
Im Gegensatz zu den allgemeinen Verfahrensgarantien von BV 29 betreffen diese Garantien nur das Verfahren vor<br />
Gericht.<br />
Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht<br />
BV 29a garantiert den Zugang zum Gericht, BV 30 I legt dessen Zusammensetzung fest. Ausnahmegerichte<br />
sind unzulässig, nicht aber Spezialgerichte.<br />
Das Gesetz darf gewisse Vorschriften über die Geltendmachung aufstellen und bspw. den Anspruch als<br />
verwirkt erklären, wenn er nicht frist- oder formgerecht gestellt wurde.<br />
Garantie des Wohnsitzrichters; starke Einschränkung durch GestG, SchKG LugÜ.<br />
Grundsatz der Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren; wonach Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung,<br />
nicht aber Urteilsberatung, öffentlich sein müssen. Ausnahmen sind gesetzlich vorgesehen.<br />
23 Regelungsdefizit v.a. im Bereich Einbürgerungsverfahren: Bisher konnte kein Gericht angerufen werden, weil der Gemeinderat oder<br />
die Gemeindeversammlung letztinstanzlich entschied, die VGB infolge OG 100 I lit. c ausgeschlossen war und eine<br />
Willkürbeschwerde nicht anhand genommen wurde mangels rechtlich geschütztem Interesse.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Seite 24 von 50<br />
IV. Schutz bei Freiheitsentzug, BV 31<br />
Der Entzug der Freiheit ist die einschneidenste Zwangsmassnahme. Darunter fallen alle Massnahmen der öffentlichen<br />
Gewalt, durch die jemand gegen oder ohne seinen Willen an einem bestimmten begrenzten Ort für gewisse Dauer<br />
festgehalten wird. BV 31 garantiert den verfahrensmässigen Schutz in Fällen von Freiheitsentzug.<br />
Nach BV 31 I muss sowohl der Tatbestand, der zum Freiheitsentzug führt, wie auch die Art und Weise des Eingriffs, in<br />
einem Gesetz vorgesehen sein.<br />
BV 31 II verpflichtet die Behörden zur Information über die Gründe des Freiheitsentzuges und die der Person zur<br />
Verfügung stehenden Rechte (MIRANDA-Rights, Benachrichtigung Angehöriger usw.).<br />
BV 31 III gilt ausschliesslich für die Untersuchungshaft.<br />
BV 31 IV garantiert die richterliche Kontrolle des Freiheitsentzuges.<br />
V. Strafverfahren, BV 32<br />
BV 32 I statuiert die Unschuldsvermutung; d.h. der Schuldnachweis einer Person erfolgt erst mit deren rechtskräftigen<br />
Verurteilung. Sie beinhaltet eine Beweislastregel (Sache des Staates, Schuld nachzuweisen) und eine<br />
Beweiswürdigungsregel (Freispruch, wenn nach Würdigung der Beweise objektiver Zweifel an der Schuld des<br />
Angeklagten).<br />
BV 32 II verpflichtet den Staat auf umfassende Orientierung über die erhobenen Beschuldigungen und über die<br />
Verteidigungsrechte der angeklagten Person.<br />
BV 32 III sichert die Rechtsmittelgarantie. Ausnahme: Bundesgericht urteilt als einzige Instanz.<br />
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Grundsätze der Besteuerung<br />
BV 127<br />
Seite 25 von 50<br />
Obwohl im Kapitel über die Finanzordnung des Bundes untergebracht, gelten diese Prinzipien für Bund und<br />
Kantone gleichermassen.<br />
I. Legalitätsprinzip, BV 127 I und BV 164 I lit. d<br />
Öffentliche Abgaben bedürfen einer Grundlage in einem Gesetz.<br />
Delegiert das Gesetz die Kompetenz einer Abgabe an den Verordnungsgeber, so muss es zumindest den Kreis der<br />
Abgabepflichtigen, den Gegenstand und die Bemessungsgrundlage selber festlegen.<br />
Nicht vom Wortlaut nach BV 127 I erfasst sind Kausalabgaben; weil hier die Praxis geringere Anforderungen an die<br />
Festsetzung der Bemessung im Gesetz selbst stellt, sofern das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche<br />
Kriterien (v.a. Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip) begrenzt sind.<br />
BV 127 I hat den Charakter eines selbständig rügbaren verfassungsmässigen Rechts.<br />
II. Allgemeinheit und Gleichheit der Besteuerung sowie Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips,<br />
BV 127 II<br />
Der Grundsatz stellt eine Konkretisierung der Rechtsgleichheit auf dem Gebiet des Steuerrechts dar. Das Leistungsfähigkeitsprinzip<br />
verlangt nicht eine absolut gleiche Besteuerung bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.<br />
Eine rechtsgleiche Besteuerung 24 erfordert indes, dass der Gesetzgeber der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der<br />
hauptsächlichen Gruppen von Steuerpflichtigen Rechnung trägt.<br />
III. Doppelbesteuerungsverbot, BV 127 III<br />
Es soll die Mehrfachbesteuerung des nämlichen Steuerobjekts verhindert werden. Der Bund kam bisher dem in BV<br />
127 III auferlegten Gesetzgebungsauftrag nicht nach. Deshalb hat das Bundesgericht Kollisionsnormen entwickelt;<br />
wobei das Doppelbesteuerungsverbot als verfassungsmässiges Recht der Bürger konzipiert wurde.<br />
Eine Doppelbesteuerung liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger von zwei oder mehreren Kantonen für das nämliche<br />
Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zur Steuerleistung herangezogen wird.<br />
Das Doppelbesteuerungsverbot gilt nur im interkantonalen Verhältnis; die Abgrenzung innerkantonaler Steuerhoheiten<br />
richtet sich nach dem kantonalen Recht. Zudem ist es nur auf bestimmte Steuern anwendbar, nicht darunter fallen<br />
Zwecksteuern von geringer Höhe (Kurtaxen).<br />
Eine ebenfalls unzulässige virtuelle Doppelbesteuerung liegt vor, wenn ein Kanton unzulässigerweise Steuern erhebt,<br />
auch wenn der an sich zuständige Kanton keine Steuern erhebt.<br />
Die Besteuerung bestimmter Steuerobjekte ist demjenigen Kanton zuzuweisen, zu dem der die Steuerpflicht<br />
auslösende Sachverhalt die engsten Beziehungen hat, wobei (…) die Notwendigkeit, zwischen den Kantonen einen<br />
gerechten Ausgleich zu finden (…) [von Bedeutung ist], BGE 99 Ia 229 E 2b.<br />
Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit Wohnsitzkanton<br />
Einkommen aus selbständiger Tätigkeit Kanton der Berufsausübung<br />
Unterhaltszahlungen Wohnsitzkanton des Empfängers<br />
Bewegliches Vermögen Wohnsitzkanton<br />
Erbschaftssteuern Wohnsitzkanton des Erblassers<br />
Liegenschaft Kanton der gelegenen Sache<br />
24 Abschaffung Eigenmietwert: Gegen die Gleichheit der Besteuerung verstösst eine vollständige und undifferenzierte Abschaffung<br />
der Besteuerung des Eigenmietwerts, die nicht durch andere Massnahmen (wie Verzicht auf Abzug von Hypothekarzinsen und<br />
Unterhaltskosten) ausgeglichen wird. Denn wenn der Haus- oder Wohnungseigentümer den Nutzen, den er aus dem<br />
selbstbewohnten Heim zieht, nicht als Einkommen versteuern muss, bleibt der Ertrag des investierten Eigentums unbelastet und<br />
wird der Eigentümer gegenüber dem Mieter (…) begünstigt, BGE 112 Ia 240.<br />
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Petitionsrecht<br />
BV 33<br />
1. Schutzbereich<br />
Seite 26 von 50<br />
Jede Person hat das Recht, Petitionen i.S. von Kritiken, Vorschlägen, Bitten oder Beschwerden an die<br />
Behörden zu richten. Daraus dürfen ihr keine Nachteile erwachen und die Behörden müssen von der<br />
Petition Kenntnis nehmen.<br />
Es müssen nur schriftliche und unterzeichnete Petitionen, die ein Begehren zum Inhalt haben, zur Kenntnis<br />
genommen werden.<br />
2. Gegenstand der Petition<br />
Gegenstand der Petition kann jede staatliche Tätigkeit sein. Petitionen sind für Sachgeschäfte wie auch für<br />
Wahlen zulässig. Petitionen an Gerichte kommen nur für jene Bereiche in Frage, die nicht unmittelbar 25 mit<br />
einem bestimmten Verfahren in Verbindung stehen, bspw. Fragen der Gerichtsverwaltung.<br />
Petitionen an unzuständige Stellen sind von diesen an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Der Petent<br />
hat jedoch keinen Anspruch auf materielle Behandlung, nicht einmal auf Beantwortung 26 seiner Eingabe.<br />
Die Behörde ist nur verpflichtet, vom Inhalt der Petition Kenntnis zu nehmen.<br />
3. Rechtsnatur<br />
Das Petitionsrecht ist ein verfassungsmässiges Recht. Anders als bei den politischen Rechten wird dem<br />
Bürger jedoch kein eigentliches Recht auf Mitwirkung bei der staatlichen Willensbildung vermittelt.<br />
4. Rechtsträger<br />
Rechtsträger sind alle urteilsfähigen natürlichen Personen; ebenso Ausländer – insbesondere auch in<br />
politischen Belangen - und juristische Personen.<br />
5. Einschränkungen<br />
Bei der Zulässigkeit der Einschränkung ist BV 36 analog anzuwenden. Insbesondere Personen im Sonderstatusverhältnis<br />
können in ihrer Petitionsfreiheit eingeschränkt werden. 27<br />
25 Da ansonsten BV 39 I und EMRK 6 I verletzt würden, sofern das Gericht auf die Petition einginge.<br />
26 Kritik J.P. Müller: Nur wenn sich die zuständige Behörde mit der Sache auseinandersetzen muss und eine Antwort verfassen muss,<br />
kann die Petition ihrer Funktion als Kommunikationsmittel gerecht werden.<br />
27 Werden Strafgefangene wegen heimlicher Kontaktaufnahme zwecks Unterschriftensammlung disziplinarisch bestraft, verstösst dies<br />
nicht gegen die Petitionsfreiheit, BGE 100 Ia 77; da BV 33 nur im Rahmen der Anstaltsordnung gewährleistet sei.<br />
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Rechtliche Struktur von sozialen Grundrechten und Sozialzielen<br />
1. Soziale Grundrechte<br />
Seite 27 von 50<br />
Soziale Grundrechte sind verfassungsrechtliche Gewährleistungen bestimmter staatlicher Leistungen in der<br />
Form individualrechtlicher Verbürgungen. Die Verfassung gewährleistet dem Einzelnen subjektive,<br />
unmittelbar anwendbare und grundsätzlich gerichtlich durchsetzbare Ansprüche auf bestimmte Leistungen<br />
des Gemeinwesens.<br />
Anspruch auf Hilfe in Notlagen, BV 12<br />
Anspruch auf unentgeltlichen und ausreichenden Grundschulunterricht, BV 19<br />
Die Sozialziele in BV 41 begründen im Gegensatz jedoch keine klagbaren Rechte des Individuums,<br />
sondern stellen programmatisch formulierte Handlungsaufträge dar.<br />
2. Recht auf Hilfe in Notlagen<br />
BV 12, UNO Pakt I 9, 11 und 12<br />
Menschliche Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Obdach ist die Sicherung menschlicher Existenz und<br />
Entfaltung überhaupt und zugleich unentbehrlicher Bestandteil eines rechtsstaatlichen und demokratischen<br />
Gemeinwesens.<br />
Er orientiert sich am Subsidiaritätsprinzip und sichert kein zahlenmässig bestimmbares Existenzminimum<br />
zu. Richtpunkt für den Umfang der staatlichen Leistungsfähigkeit ist der Grundsatz der Menschenwürde,<br />
BV 7. Daher ist nicht entscheidend, aus welchen Gründen die Notlage entstanden ist, sofern es jemandem<br />
objektiv unmöglich ist, sich die für ein menschenwürdiges Dasein unabdingbaren Mittel zu verschaffen. Aus<br />
dem UNO-Pakt I lassen sich Konkretisierungshilfen gewinnen.<br />
Rechtsträger sind alle Personen in der Schweiz, die in Not gelangen.<br />
3. Anspruch auf Grundschulunterricht<br />
BV 19, UNO Pakt I 13 und 14<br />
Rechtsträger sind alle betroffenen Kinder und deren Eltern, die in der Schweiz wohnen, unabhängig von<br />
deren Nationalität. Neu ist das Bundesgericht dafür letztinstanzlich zuständig,<br />
Bei einem Schulweg von übermässiger Länge oder grosser Gefährlichkeit können die Anforderungen des<br />
genügenden Primarschulunterrichts nur durch einen vom Staat bezahlenden, für die Eltern unentgeltlichen<br />
Transport sichergestellt werden, VPB 64 (2000) Nr. 1, S. 17 ff.<br />
Ungeklärt ist jedoch, ob Grundschulunterricht i.S.v. BV 19 dem Primarschulunterricht i.S.v. aBV 27 II<br />
gleichzusetzen ist oder ob darüber hinaus auch die Unentgeltlichkeit eines Teils der höheren<br />
Schulausbildung mitumfasst wird.<br />
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Schweizer Bürgerrecht<br />
BV 37, 38, BüG<br />
Seite 28 von 50<br />
Beschränkung auf Erwerb durch Einbürgerung:<br />
Die Einbürgerung ist die Verfügung, die einer bestimmten Person auf Antrag hin das Bürgerrecht verleiht.<br />
Unmündige können das Gesuch nur durch ihren gesetzlichen Vertreter einreichen, Bewerber über 16 Jahre<br />
haben zudem schriftlich zuzustimmen.<br />
I. Ordentliche Einbürgerung, BüG 12 – 16<br />
- Einbürgerungsbewilligung des Bundes<br />
Sie ist Gültigkeitsvoraussetzung für die Einbürgerung in einem Kanton und in einer Gemeinde, BüG 12 II. Der<br />
Bund prüft, ob die von ihm festgelegten Mindestvoraussetzungen erfüllt sind.<br />
Die Bewilligung wird erteilt, wenn der Gesuchsteller während 12 Jahren Wohnsitz in der Schweiz hatte, wovon<br />
drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuches, BüG 15 I.<br />
In der Schweiz verbrachte Lebensjahre zwischen 10. und 20. Lebensjahr werden doppelt gezählt.<br />
Erfüllt ein Ehegatte diese Voraussetzungen, gelten für den anderen erleichterte Bedingungen, BüG 15 III.<br />
Neben dem Wohnsitzerfordernis muss der Bewerber zur Einbürgerung geeignet sein, BüG 14.<br />
Die Einbürgerungsbewilligung des Bundes vermittelt keinen Anspruch auf Einbürgerung<br />
- Einbürgerungsakt durch Kantone und Gemeinden, BüG 12<br />
Die ordentliche Einbürgerung erfolgt durch eine kantonale und eine kommunale Verfügung, wobei die Kantone<br />
und die Gemeinden neben der Einbürgerungsbewilligung des Bundes noch zusätzliche materielle<br />
Voraussetzungen aufstellen können 28 .<br />
II. Erleichterte Einbürgerung, BüG 26 - 32<br />
Die erleichterte Einbürgerung unterscheidet sich von der ordentlichen dadurch, dass die direkt von der<br />
Bundesbehörde EJPD vorgenommen wird. Der erleichterten Einbürgerung können 29 unterstehen:<br />
Der Ehegatte eines Schweizer Bürgers, der mindestens 5 Jahre in der Schweiz gewohnt hat und mindestens<br />
3 Jahre verheiratet ist, BüG 27<br />
Der Ehegatte eines Auslandschweizers, wenn er seit 6 Jahren in ehelicher Gemeinschaft lebt, BüG 28<br />
Wer gutgläubig annahm, er sei Schweizer Bürger, BüG 29<br />
Unter bestimmten Voraussetzungen das ausserhalb der Ehe gebotene Kind eines schweizerischen Vaters,<br />
BüG 31.<br />
III. Wiedereinbürgerung, BüG 18 - 25<br />
Sie erfolgt im gleichen Verfahren wie die erleichterte Einbürgerung; auch hier besteht kein Rechtsanspruch. Sie<br />
kommt nur bei Personen in Frage, die das Schweizer Bürgerrecht schon einmal besessen haben.<br />
Auslandschweizer der 2. Generation; die das Schweizer Bürgerrecht verwirkt haben, BüG 21<br />
Wer aus dem Schweizer Bürgerrecht entlassen worden ist, BüG 23.<br />
IV. Gemeinsame Bestimmungen, BüG 33 - 41<br />
Unmündige Kinder des Bewerbers werden i.a.R. in die Einbürgerung miteinbezogen.<br />
Für das Verfahren vor Bundesbehörden gilt das VwVG.<br />
Wurde die Einbürgerung durch falsche Angaben oder durch Verheimlichung wesentlicher Tatsachen<br />
erschlichen, kann sie vom EJPD oder bei der ordentlichen Einbürgerung auch von der kantonalen Behörde<br />
nichtig erklärt werden.<br />
28 Entscheidet das Volk über die Einbürgerung an der Urne, so ist es – da es staatliche Aufgaben wahrnimmt – an die Verfassung und<br />
an die Grundrechte gebunden, BV 35 II; insbesondere an das Willkürverbot und das Diskriminierungsverbot.<br />
Zu den Rechtsmitteln vgl. Übungsfall Breining-Kaufmann, SS 2003; Materielle Enteignung.<br />
29 Es besteht kein Anspruch auf erleichterte Einbürgerung.<br />
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V. Rechtsschutz, BüG 50 f.<br />
Seite 29 von 50<br />
Für Beschwerden gegen letztinstanzliche Verfügungen der Kantone und gegen Entscheide des Bundes gelten gemäss<br />
BüG 51 I grundsätzlich die Bestimmungen des OG und des VwVG.<br />
Für die Anfechtung von Verfügungen, welche die kantonalen und Gemeindebehörden in Anwendung von kantonalem<br />
oder kommunalem Recht über die ordentliche Einbürgerung erlassen haben, gelten die kantonalen Gesetze über die<br />
Verwaltungsrechtspflege – ausgenommen im Falle der StaBe.<br />
Beschwerde an das EJPD VGB an das Bundesgericht Verwaltungsbeschwerde an den<br />
Bundesrat<br />
BüG 51 III OG 97, 98 lit. b und g BüG 51 III, VwVG 72 lit. a<br />
Gegen Entscheide des BA für<br />
Ausländerfragen über die Erteilung<br />
oder Verweigerung der Einbürgerungsbewilligung<br />
des Bundes.<br />
Das EJPD entscheidet – abgesehen<br />
von den Beschwerden der<br />
Regierung des Einbürgerungskantons<br />
– endgültig.<br />
Gegen Entscheide des EJPD<br />
− über erleichterte Einbürgerung<br />
− über Wiedereinbürgerung<br />
− über Nichtigerklärung<br />
Nicht aber gegen den Entscheid<br />
des EJPD über die Erteilung oder<br />
Verweigerung der Einbürgerungsbewilligung.<br />
Die Regierung des Einbürgerungskantons<br />
kann Entscheide des<br />
EJPD, welche die Einbürgerungsbewilligung<br />
des Bundes für die<br />
ordentliche Einbürgerung verweigern,<br />
an den BR weiterziehen.<br />
Staatsrechtliche Beschwerde<br />
BV 84 I lit. a OG<br />
Da in der Regel kein Anspruch auf Einbürgerung besteht, kann das Bürgerrecht nicht den verfassungsmässigen<br />
Rechten i.S.v. OG 84 I lit. a zugeordnet werden.<br />
Inwieweit allerdings das Gebot der Rechtsgleichheit (BV 8) und insbesondere das in Abs. 2 verankerte<br />
Diskriminierungsverbot als Beschwerdegrund angerufen werden kann beantwortet Häfelin/Haller wie folgt:<br />
„Der Schutz vor Willkür bildet gemäss der nBV Gegenstand eines selbständigen verfassungsmässigen Rechts.<br />
Eine willkürliche Verweigerung der ordentlichen Einbürgerung durch kantonale oder kommunale Behörden sollte<br />
der Betroffene daher mit StaBe anfechten könne, selbst dann, wenn das kantonale Recht keinen Anspruch auf<br />
Einbürgerung vorsieht“; N 1362.<br />
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Politische Rechte<br />
BV 34, 39, 136, BPR<br />
Seite 30 von 50<br />
Sie stellen einen status activus im Gegensatz zu den Freiheitsrechten dar, da sie die Teilhabe der Bürger<br />
an der Staatsgewalt bewirken.<br />
Wer Schweizer Bürger und 18 Jahre alt ist sowie nicht mangels minimaler politischer Urteilsfähigkeit vom<br />
Stimmrecht ausgeschlossen ist, ist auf Bundesebene stimmberechtigt. BV 136.<br />
Es ist am politischen Wohnsitz auszuüben. Der politische Wohnsitz umfasst den zivilrechtlichen Wohnsitz<br />
sowie die formelle Anmeldung durch die Hinterlegung der Ausweisschriften.<br />
Die Gemeinde hat daher ein Stimmrechtsregister zu führen, auf Eintragung in dasselbe besteht ein<br />
Rechtsanspruch.<br />
Auf kantonaler und kommunaler Ebene bleibt es dem kantonalen Recht vorbehalten, weitere<br />
Anforderungen zu verlangen, BV 39 I. Insbesondere können sie eine Karenzfrist einführen, BV 39 IV.<br />
Für Quotenregelungen: BGE 125 I 21.<br />
I. Wahlrechte im Bund<br />
Aktives Wahlrecht: Nationalrat BV 136 II, 149; BPR 16 ff.<br />
Passives Wahlrecht: NR, BR, BGer BV 143<br />
Abstimmungen: Obligatorisches Referendum<br />
− Verfassungsreferendum für Teil- und Totalrevisionen, BV 140 I lit. a, 142, 195<br />
− Nachträgliches Referendum für verfassungsändernde dringliche Bundesgesetze<br />
− Obligatorisches Staatsvertragsreferendum, BV 140 I lit. b<br />
Fakultatives Referendum<br />
− Gesetzesreferendum für Bundesgesetze, BV 141 I lit. a<br />
− Nachträgliches Referendum für verfassungskonforme dringliche Bundesgesetze<br />
− Referendum für Bundesbeschlüsse, sofern Verfassung oder Gesetz dies vorsehen<br />
− Fakultatives Staatsvertragsreferendum, BV 141 I lit. d, 141 II<br />
Unterzeichnung von Initiativen, Referendumsbegehren, Wahlvorschlägen<br />
− Volksinitiative auf Teil- und Totalrevision der BV<br />
− Referendumsbegehren<br />
Bei Bundesgesetzen, BV 141 I lit. a<br />
Bei verfassungskonformen dringlichen Bundesgesetzen, BV 141 I lit. b, 165 II<br />
Bei Bundesbeschlüssen, sofern Verfassung oder Gesetz dies vorsehen, BV<br />
141 I lit. c<br />
Bei Staatsverträgen, BV 141 I lit. d.<br />
− Wahlvorschlag bei der Nationalratswahl<br />
II. Wahlrechte in den Kantonen<br />
Aktives Wahlrecht: Exekutive<br />
Abstimmungen: Finanzreferendum<br />
Gesetzesinitiative<br />
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Daraus abgeleitete bundesrechtliche Prinzipien<br />
Seite 31 von 50<br />
Unverfälschte Willenskundgabe, BV 34 II<br />
Anspruch darauf, dass kein Abstimmungs- und Wahlergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der<br />
Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt.<br />
Grundsatz der Einheit der Materie<br />
Er verbietet es, in einer einzigen Vorlage über mehrere Fragen, die ohne inneren Zusammenhang sind,<br />
abstimmen zu lassen. Sie ist aber gewahrt, wenn in einer Abstimmungsvorlage mehrere sachlich zusammenhängende<br />
Vorlagen miteinander verknüpft werden. Bei Verfassungsänderungen werden höhere Anforderungen<br />
als bei Gesetzen gestellt; „insbesondere kann der Stimmberechtigte nicht verlangen, dass ihm einzelne, allenfalls<br />
besonders wichtige Vorschriften des Gesetzes gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden.“<br />
Verbot der Irreführung der Stimmberechtigten<br />
Der Stimmberechtigte hat Anspruch darauf, dass die Informationen in behördlichen Erläuterungen zu einer<br />
Abstimmung objektiv sind. Zulässig sind auch Empfehlungen, sofern dabei die Pflicht zu einer objektiven<br />
Information nicht verletzt wird.<br />
Einflüsse durch Private und Presse auf die politische Willensbildung stellen nur ausnahmsweise unzulässige<br />
Eingriffe dar, nämlich wenn in einem so späten Zeitpunkt mit offensichtlich unwahren und irreführenden Angaben<br />
in den Abstimmungskampf eingegriffen wird, dass es den Stimmberechtigten nach den Umständen unmöglich ist,<br />
aus anderen Quellen ein zuverlässiges Bild von den tatsächlichen Verhältnissen zu gewinnen. Denn solche<br />
Äusserungen stehen unter dem Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit.<br />
Den Stimmbürgern darf zugetraut werden, zwischen verschiedenen bekundeten Meinungen zu unterscheiden,<br />
offensichtliche Übertreibungen als solche zu erkennen und sich aufgrund ihrer eigenen Überzeugung zu<br />
entscheiden, BGE 119 Ia 271.<br />
Nur wenn ein ganz schwerer Verstoss vorliegt und die Beeinflussung des Ergebnisses als sehr wahrscheinlich<br />
erscheint, kann eine Wiederholung der Abstimmung verlangt werden.<br />
Verbot behördlicher Propaganda<br />
Eine unzulässige Beeinflussung liegt auch vor durch das Eingreifen der Behörden als solche in den Wahl- oder<br />
Abstimmungskampf. Unzulässig ist insbesondere eine mit staatlichen Mitteln finanzierte Abstimmungspropaganda<br />
für eigene Abstimmungsvorlagen der Behörden.<br />
Ein Einschalten in die Ausarbeitung der Vorlage ist erlaubt, ja sogar gefordert; erst wenn sich der Zeitpunkt der<br />
Volksabstimmung nähert, hat die Behörde von einer über sachliche Information hinausgehende Beeinflussung der<br />
Stimmberechtigten abzusehen.<br />
Die Intervention einer Gemeinde ist zulässig, wenn die Gemeinde und ihre Stimmbürger am Ausgang der<br />
Abstimmung ein unmittelbares und besonderes Interesse haben, das jenes der übrigen Gemeinden des<br />
Kantons bei weitem übersteigt.<br />
Auch hier muss aber die Gemeinde objektiv und sachlich bleiben. Zudem darf der Einsatz öffentlicher Mittel<br />
nicht unverhältnismässig sein.<br />
Öffentliche oder gemischtwirtschaftliche Unternehmungen werden vom Bundesgericht wie Gemeinden behandelt;<br />
haben sich also i.a.R. neutral zu verhalten, bei besonderer Betroffenheit dürfen sie aber in objektiver Weise und<br />
mit verhältnismässigem finanziellen Aufwand informieren.<br />
Grundsatz der geheimen Stimmabgabe<br />
Glarus und Appenzell Innerrhoden kennen noch die Landsgemeinde, wodurch das Stimmrechtsgeheimnis nicht<br />
gewahrt ist; ebenso können Krankheit, Alter o.a. die Teilnahme verhindern.<br />
Korrekte Ermittlung des Wahl- oder Abstimmungsergebnisses<br />
Bundesrechtlicher Anspruch auf unverfälschte Willenskundgabe; selbst bei Abschätzungen (Landsgemeinde) ist<br />
die Behörde zu grosser Sorgfalt verpflichtet.<br />
Aufhebung von Volksabstimmungen und - wahlen<br />
Die Verletzung des Anspruchs auf unverfälschte Willenskundgabe führt nicht zwangsweise zur Kassation eines<br />
Volksentscheids. Eine Aufhebung erfolgt nur bei erheblichen Unregelmässigkeiten, die eine wahrscheinlich<br />
Beeinflussung des Ergebnisses bewirken können.<br />
Kein Anspruch auf Ungültigkeiterklärung einer ggf. bundesrechtswidrigen kantonalen Initiative<br />
Es besteht kein Anspruch darauf, dass eine inhaltlich bundesrechtswidrige Initiative nicht der Volksabstimmung<br />
unterbreitet wird.<br />
Parteienförderung; Quoten und Sperrklauseln<br />
Mit Bezug auf die Willensbildung und –betätigung der Wähler müssen Unterstützungen und Hilfeleistungen an<br />
Parteien neutral sein, einzelne Kandidaten oder Parteien dürfen nicht bevorzugt oder benachteiligt werden.<br />
Der durch Quoren und Sperrklauseln bewirkte Ausschluss kleinerer Parteien ist grundsätzlich zulässig, da durch<br />
eine Parteienzersplitterung verhindert wird und die Funktionsfähigkeit des Parlaments aufrechterhalten wird.<br />
Die StaBe gegen eidgenössische Wahlen und Abstimmungen ist ausgeschlossen, wenngleich BV 189 I lit. f eine<br />
solche Ausdehnung vorsah – dessen Inkrafttreten aber vom BR bestimmt wird, AS 2002 3147; vgl. BB über<br />
Reform der Justiz, http://www.ofj.admin.ch/d/index.html.<br />
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II. Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kantonen<br />
1. Grundsätzliche Regelung<br />
Seite 32 von 50<br />
BV 3 garantiert eine subsidiäre Generalklausel zu Gunsten der kantonalen Zuständigkeit; die Kantone üben<br />
alle Rechte aus, die nicht der Bundesgewalt übertragen sind.<br />
Die Aufgabenverteilung ist in BV 42 und 43 formuliert. Der Bund ist in jenen Bereichen zuständig, die ihm<br />
die Bundesverfassung zuweist. Aber auch in diesen Bereichen soll der Bund nur dann zuständig sein, wenn<br />
eine einheitliche Regelung 30 erforderlich ist, BV 42 II.<br />
Im Übrigen sind die Kantone originär zuständig.<br />
Es liegt das System der Einzelermächtigung des Bundes durch die Bundesverfassung vor. Die<br />
Kompetenzen werden einzeln für bestimmte, meist genau umgrenzte Sachbereiche zugewiesen.<br />
Alternativen: Einzelermächtigung der Provinzen; Rest ist Bundessache [Canada]<br />
Werden ausnahmsweise kantonale Kompetenzen in der Bundesverfassung erwähnt, so kommt ihnen<br />
folgende Bedeutung zu:<br />
Ermächtigung der Kantone zur Einschränkung bundesrechtlich garantierter Freiheitsrechte (BV 94 IV)<br />
Kantonale Kompetenz ist eine Ausnahme von einer umfassenden Bundeskompetenz (BV 56 I vs BV 54 I)<br />
Eine Bundesregelung wird für einen bestimmten Sachbereich unter dem Vorbehalt des Vollzuges durch die<br />
Kantone vorgesehen (BV 74 III, USG; BV 80 III GschG)<br />
Sind in einem Sachbereich sowohl der Bund als auch die Kantone zuständig, enthält die BV oft eine präzisierende<br />
Umschreibung der den Kantonen verbleibenden Kompetenzen: BV 76 IV, 78 I.<br />
Neu anfallende Staatsaufgaben fallen automatisch in die Kompetenz der Kantone, drängt sich eine<br />
einheitliche Regelung auf, muss durch eine Revision der BV eine Bundeskompetenz begründet werden.<br />
Eine Berufung auf Gewohnheitsrecht kann mangels Lücke in der Kompetenzaufteilung keine Bundeskompetenz begründen.<br />
Ebenso wenig kann eine Bundeskompetenz durch freiwillige Übertragung durch die Kantone begründet werden.<br />
2. Ermittlung von Bundeskompetenzen<br />
Für die Ermittlung der verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen gelten die allgemeinen<br />
Grundsätze der Verfassungsauslegung, der teleologischen Methode wird dabei ein grösseres Gewicht<br />
eingeräumt. Sie erlaubt es, aus einer ausdrücklichen Bundeskompetenz jene Kompetenzen abzuleiten, die<br />
der Bund zur Erreichung der in der Verfassung genannten Aufgabe braucht.<br />
Die Herleitung einer stillschweigenden Bundeskompetenz ist nach der Nachführung der BV wohl für einige<br />
Zeit ausgeschlossen.<br />
Bundeskompetenzen finden sich<br />
In reinen Kompetenznormen, d.h. Normen, die sich darin erschöpfen, eine Kompetenz des Bundes zu begründen.<br />
Eisenbahnverkehr BV 87, Luftfahrt, Raumfahrt.<br />
In Kompetenznormen, die zugleich gewisse materielle Grundsätze regeln<br />
Nutzung der Wasserkraft, BV 76, AHV, BV 111 – 113.<br />
In Verhaltensnormen, d.h. Normen der BV, welche Rechte und Pflichten der Bürger umschreiben. Soweit die BV<br />
hier eine materielle Regelung trifft, ist die Kompetenz der Kantone ausgeschlossen.<br />
Grundschulunterricht, BV 19/62 II<br />
In Grundrechten, auch sie begrenzen die Kompetenz der Kantone<br />
Daraus aber eine Bundeskompetenz abzuleiten (BV 17 Presseförderung) wird abgelehnt.<br />
BV 2 und 94 II als allgemein gehaltene Zweckartikel begründen keine Bundeszuständigkeit.<br />
30 Die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung begründet jedoch keine Bundeskompetenz ! BV 42 II soll lediglich den Bund<br />
animieren, bestehende, durch die BV begründete Bundeskompetenzen nur dann auszuüben, wenn sie einer einheitlichen Regelung<br />
bedürfen.<br />
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3. Umschreibung von Bundeskompetenzen<br />
Seite 33 von 50<br />
I. Zuständigkeit nach geregeltem Sach- oder Rechtsgebiet<br />
Sachbereiche sind Bereiche, die von der allgemeinen Anschauung als Einheit verstanden werden (Militär, Eisenbahn).<br />
Rechtsbereiche sind geschlossene Komplexe rechtlicher Art (Zivilrecht, Strafrecht)<br />
II. Zuweisung nach einem in verschiedenen Sachbereichen auftretenden Problem<br />
Querschnittsprobleme, bspw. Umweltschutz<br />
III. Zuweisung nach Staatsfunktion<br />
Die Bundeskompetenz kann für ein bestimmtes Staats- oder Rechtsgebiet beschränkt sein auf Rechtsetzung,<br />
Verwaltung oder Rechtsprechung.<br />
Gesetzgebungskompetenz schliesst Kompetenz mit ein, zu entscheiden, ob Verwaltungs- und Recht-<br />
sprechungsfunktion dem Bund oder dem Kanton zustehe; ausser die BV sehe<br />
etwas anderes vor, bspw. BV 122 II, 123 III.<br />
Verwaltungskompetenz bspw. BV 52 (innere Sicherheit), BV 81 (öffentliche Werke)<br />
Rechtsprechung Kompetenzen des Bundesgerichts, BV 189.<br />
4. Umfang der Rechtsetzungskompetenzen des Bundes<br />
Nicht jede Kompetenz des Bundes erlaubt eine vollständige Regelung durch den Bund.<br />
I. Umfassende Rechtsetzungskompetenzen des Bundes<br />
Der Bund ist ermächtigt, dieses Gebiet in jeder Hinsicht umfassend zu regeln. Er kann alle in diesem Sachgebiet<br />
auftretenden Fragen regeln, ohne in bestimmter Richtung eingeschränkt zu sein.<br />
„Sache des Bundes“, „der Bund erlässt Vorschriften“, „der Bund sorgt für“, „der Bund stellt sicher“, „der Bund trifft<br />
Massnahmen“<br />
II. Fragmentarische Rechtsetzungskompetenzen des Bundes<br />
Hier ist nur ein Teilbereich eines bestimmten Sachbereichs dem Bund unterstellt. Der Bund darf keine umfassende<br />
Regelung treffen, sondern nur in bestimmter Richtung tätig werden.<br />
„im Rahmen seiner Zuständigkeit“<br />
Steuerwesen, BV 128 I, 130 I; Gesundheitswesen, BV 118.<br />
III. Grundsatzgesetzgebungskompetenzen<br />
In gewissen Bereichen ist der Bund befugt, eine Materie in ihren Grundzügen zu regeln. Die detaillierte Regelung bleibt<br />
jedoch – innerhalb der vom Bund aufgestellten Rahmenordnung – den Kantonen vorbehalten. Dies erlaubt eine<br />
einheitliche gesamtschweizerische Regelung mit kantonaler Ausprägung.<br />
„der Bund legt Grundsätze fest; „der Bund erlässt Mindestvorschriften“<br />
Raumplanung, BV 75 I; Steuerharmonisierung, BV 129 I, Einbürgerung, BV 38 II<br />
IV. Förderungskompetenzen<br />
In verschiedenen Aufgabenbereichen, für welche grundsätzliche die Kantone zuständig sind, hat der Bund eine<br />
Förderungskompetenz.<br />
„der Bund fördert“, „der Bund unterstützt“<br />
Natur- und Heimatschutz, BV 78 III, Sprachenartikel, BV 70 III – IV.<br />
5. Verhältnis der Bundeskompetenzen zu den kantonalen Kompetenzen<br />
Nach BV 3 und 42 schliesst die Einräumung einer Bundeskompetenz grundsätzlich die Zuständigkeit der<br />
Kantone aus. Je nach Wirkung auf die kantonale Kompetenz ist aber zu unterscheiden, ob eine<br />
umfassende Rechtsetzungskompetenz des Bundes<br />
I. mit nachträglich derogatorischer Kraft ausgestattet ist (Normalfall)<br />
Solange der Bund eine ihm von der BV zugewiesene Kompetenz nicht benutzt, bleiben i.a.R. die Kantone zuständig.<br />
Erst vom Moment an, da der Bund ganz oder teilweise Gebrauch macht, wird die kantonale Kompetenz in entsprechendem<br />
Umfang hinfällig.<br />
In der Zeitspanne bis zum Erlass der gesetzlichen Regelung bleibt die kantonale Kompetenz vollumfänglich bestehen.<br />
Insbesondere können die Kantone auch neue Bestimmungen erlassen.<br />
II. mit ursprünglich derogatorischer Kraft ausgestattet ist (sehr selten)<br />
Mit Aufnahme der kompetenzbegründenden Norm in die BV geht generell jede kantonale Kompetenz im betreffenden<br />
Sachgebiet unter und darauf gestützte Regelungen werden hinfällig. Auch wenn der Bund daraufhin seine Kompetenz<br />
nicht ausschöpft, bleiben die Kantone ausgeschlossen. Eine solche Regelung ist nur sinnvoll, wenn Gewähr dafür<br />
besteht, dass kein Regelungsvakuum entsteht. Bsp: BV 99 I, 133<br />
III. parallele Wirkung aufweist (selten)<br />
Eine parallele Kompetenz liegt vor, wenn auf einem bestimmten Sachgebiet Bund und Kantone gleichzeitig und<br />
unabhängig voneinander tätig sein können. Die Ausschöpfung der Bundeskompetenz tangiert die kantonale<br />
Kompetenz nicht. Bsp: Hochschulen, BV 63 II; direkte Steuern, BV 128, Staatsschutz, BV 57.<br />
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Die bundesstaatliche Kompetenzausscheidung bedeutet nicht, dass die staatlichen Kompetenzen in einer<br />
absoluten Weise aufgeteilt sind, so dass Bund und Kantone sie ohne gegenseitige Rücksichtnahme<br />
ausüben können. Von den Kompetenzen soll auf eine Art und Weise Gebrauch gemacht werden, dass<br />
dadurch die kompetenzgemässe Regelung des Partners nicht unmöglich oder unwirksam gemacht wird.<br />
Prinzip der Bundestreue, BV 44; wobei es sich um eine modifizierte Anwendung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes<br />
von Treu und Glauben handelt, BV 5 III; deren Verletzung von Bund oder Kantonen mittels<br />
staatsrechtlicher Klage geltend gemacht werden kann.<br />
Überblick über die Bundeskompetenzen<br />
1. Rechtsetzung<br />
Die Wahrnehmung der dem Bund zustehenden verfassungsmässigen Kompetenzen hat primär auf dem<br />
Weg der Rechtsetzung, durch den Erlass generell-abstrakter bundesgesetzlicher Normen zu erfolgen, BV<br />
164. Materielles Recht besteht in der inhaltlichen Regelung eines bestimmten Sachbereichs; formelles<br />
Recht bestimmt die Organisation der Behörden und das anwendbare Verfahren.<br />
Prüfungsschema:<br />
I. Weist die BV dem Bund die betreffende Aufgabe zu ? [BV 42 I]<br />
Dabei sollte der Bund nach dem Subsidiaritätsprinzip seine Zuständigkeit nur soweit beanspruchen, als es einer<br />
einheitlichen Regelung bedarf, BV 42 II.<br />
II. Umfang der Bundeskompetenz bei bejahter Zuständigkeit<br />
Umfassende, fragmetarische oder Grundsatzgesetzgebungskompetenz; Förderungskompetenz<br />
III. Auswirkung auf kantonale Regelungen<br />
i.a.R. nachträglich derogatorisch<br />
2. Aussenpolitik und Staatsverträge<br />
Aussenpolitik ist eine umfassende Bundeszuständigkeit, BV 54 I. Pflicht des Bundes, auf Zuständigkeit der Kantone Rücksicht zu<br />
nehmen, BV 54 III. Mitspracherecht der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden, BV 55.<br />
Staatsverträge sind dem Völkerrecht unterstehende Vereinbarungen zwischen mehreren Staaten; die Kompetenz steht umfassend<br />
dem Bund zu, BV 54 I. Selbst für Materialien, die innerstaatlich in den Kompetenzbereich der Kantone fallen; bspw. im<br />
Schulbereich, Polizeiwesen, Steuerrecht. BG über Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik.<br />
Den Kantonen steht in gewissen Rahmen eine konkurrierende Staatsvertragskompetenz zu, BV 56 I; die aber nur soweit gilt, als<br />
der Bund selbst in diesem Bereich keinen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat (nachträglich derogatorische Wirkung).<br />
3. Verwaltungskompetenzen des Bundes<br />
Der Vollzug von Bundeserlassen erfolgt i.a.R. durch die Kantone. Dadurch werden diese nicht völlig ausgeschlossen, sondern<br />
wirken u.a. auch bei der Regelung des Vollzuges mit. Insbesondere wird der Aufbau einer bundeseigenen Verwaltung auf<br />
Kantonsstufe verhindert.<br />
Die Kantone sind jedoch für den Vollzug nur soweit zuständig, als nicht der Bund selbst kraft Verfassung oder Gesetz zuständig ist.<br />
Kraft Verfassung: Aussenpolitik, Staatsverträge, BV 166/184; öffentliche Sicherheit, BV 52, 57, 173 I lit. a – d, 185 u.a.<br />
Kraft Gesetz: sofern Gesetzgebungskompetenz, kann Bund wählen, wem der Vollzug obliegt.<br />
4. Rechtsprechungskompetenzen des Bundes<br />
BV 188. Grundsätzlich stehen dem Bund nur bei der Anwendung von Bundesrecht Rechtsprechungskompetenzen zu. Eine<br />
Ausnahme bildet BV 189 I lit. c und d.<br />
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Delegation von Bundeskompetenzen an die Kantone<br />
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Eine Kompetenzdelegation liegt vor, wenn der Inhaber einer Kompetenz einen Teil seiner Kompetenz auf<br />
eine andere Instanz überträgt. Sie erfolgt durch einen Erlass (Gesetz, VO) der delegierenden Instanz und<br />
kann gleichermassen rückgängig gemacht werden. Sie ist nur gegenüber einer untergeordneten Instanz<br />
möglich.<br />
Grundsätzlich ist die Kompetenzordnung der BV zwingender Natur. Dennoch erachtet die Praxis die<br />
Kompetenzdelegation des Bundes an die Kantone als zulässig.<br />
Bei den ausschliesslichen Bundeskompetenzen (ursprünglich derogatorische Wirkung) und bei den<br />
Grundsatzgesetzgebungskompetenzen, die ja gerade eine einheitliche Regelung in wesentlichen<br />
Punkten bezwecken sollen, gilt sie als unzulässig.<br />
Eine Gesetzesdelegation an die Kantone liegt vor, wenn der Bund einen Teil der ihm gemäss BV<br />
zustehenden Rechtsetzungskompetenz auf dem Weg der Gesetzgebung an die Kantone überträgt. Durch<br />
ein BG oder eine VO werden die Kantone ermächtigt, die ihnen überlassenen Fragen durch kantonale<br />
Rechtsnormen zu regeln.<br />
Ein echter Vorbehalt liegt aber nur dann vor, wenn die Kantone durch Delegation eine Kompetenz erhalten,<br />
die sie zuvor nicht hatten. Unechte Vorbehalte sind bspw. ZGB 6, 59 I, 373 I.<br />
I. Ergänzendes kantonales Recht<br />
Das Bundesrecht regelt eine bestimmte Materie, lässt aber Raum für ergänzendes kantonales Recht.<br />
Voraussetzung ist eine klare Ermächtigung durch den Bund, die Kantone können sich nicht auf eine stillschweigende<br />
Delegation berufen.<br />
Bspw: Kantone können Übertretungsstrafrecht regeln, als es nicht Bundesgegenstand ist<br />
Fakultative Ermächtigung: Kantone können wählen, ob sie von der Kompetenz Gebrauch machen<br />
Obligatorische Ermächtigung: Kantone müssen ergänzendes Recht erlassen, bspw. SchlT 52 ZGB<br />
II. Abweichendes kantonales Recht<br />
Bei einem solchen Vorbehalt hat der Bund eine Frage in bestimmter Weise geregelt, er ermächtigt aber die Kantone,<br />
stattdessen eine abweichende kantonale Regelung aufzustellen. Das Bundesrecht gilt hier nur subsidiär; bspw. OR 61.<br />
Eine Verwaltungsdelegation liegt vor, wenn die Kantone für den Vollzug zuständig werden. In BV 46 liegt<br />
ein subsidiärer Vollzugsvorbehalt zugunsten der Kantone vor.<br />
Die Verwaltungsdelegation umfasst immer eine Ermächtigung der Kantone zum Erlass einer<br />
Vollziehungsverordnung mit ein. Oft sind aber Bund und Kantone am Vollzug beteiligt und erlassen<br />
Vollziehungsverordnungen.<br />
Für Rechtsprechungsdelegationen besteht nur ein beschränkter Anwendungsbereich, da die BV die<br />
Rechtsprechung im Zivilrecht und im Strafrecht den Kantonen zuordnet, BV 122 f.<br />
Auf dem Gebiet des Verwaltungsstrafrechts und des Militärstrafrechts, wo die Zuständigkeit nicht festgelegt<br />
ist, kommt eine Delegation in Frage. Die in BV 189 genannten Kompetenzen sind ausschliessliche Bundeskompetenzen<br />
und lassen eine Delegation nicht zu.<br />
Derogatorische Kraft des Bundesrechts<br />
Geraten Bundesrecht und kantonales Recht miteinander in Konflikt, liegt eine Normenkollision vor. Hinter<br />
der Normenkollision liegt i.a.R. auch eine Kompetenzkollision.<br />
Grundsätzlich gilt bei einem Konflikt das Bundesrecht, d.h. Bundesrecht bricht kantonales Recht i.S. „lex<br />
superior derogat legi inferiori.“ Er bezieht sich auf alle Stufen von Bundesrecht; eine Verordnung des<br />
Bundesrates bricht bspw. ein kantonales Gesetz.<br />
Rechtsgrundlage ist BV 49 I, das ein verfassungsmässiges Recht des Bürgers darstellt.<br />
Normenkollision und Kompetenzkollision: Nichtige kantonale Regelung<br />
Kompetenzmässiges Bundesrecht aller Stufen hat Vorrang.<br />
Kompetenzwidriges Bundesrecht kann aber nicht überprüft werden, BV 191<br />
Gleichlautendes Bundes- und kt. Recht Keine Normen-, wohl aber Kompetenzkollision.<br />
Ungültigkeit der kantonalen Regelung.<br />
Ausnahme: kt. garantierte Grundrechte; die nur suspendiert werden.<br />
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Verhältnis von Bundeszivilrecht und kantonalem öffentlichem Recht<br />
Seite 36 von 50<br />
Die Zuständigkeit des Bundes für das Zivilrecht ist eine umfassende, BV 122 I. OR und ZGB beruhen auf dem Grundsatz der<br />
Gesamtkodifikation, sind also umfassend und abschliessend. Die Kantone dürfen zivilrechtliche Bestimmungen nur noch erlassen,<br />
wenn und soweit sie das Bundesrecht dazu ermächtigt, ZGB 5 I.<br />
Dadurch werden aber die öffentlich-rechtlichen Befugnisse der Kantone nicht beschränkt, ZGB 6.<br />
Der Erlass öffentlich-rechtlicher kantonaler Vorschriften in einem vom Bundeszivilrecht geregelten Bereich gestützt auf ZGB ist<br />
zulässig; sofern<br />
Der Bundesgesetzgeber eine nicht abschliessende Regelung getroffen hat<br />
Die kantonalen Bestimmungen einem schutzwürdigen öffentlichen Interesse entsprechen<br />
Sie nicht gegen Sinn und Geist des Bundeszivilrechts verstossen.<br />
Dem Bundesrecht widersprechendes kantonales Recht ist nichtig. Konkrete Anwendungsakte, die auf<br />
Grund von nichtigem kantonalen Recht erfolgten, sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar.<br />
Der Vorrang des Bundesrechts kann mittels ordentlichen Rechtsmitteln oder mittels dem<br />
ausserordentlichen Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde, OG 84 I lit. a als verfassungsmässiges<br />
Recht des Bürgers, direkt gegen eine kommunale oder kantonale Rechtsnorm nach ihrem Erlass oder aber<br />
gegen den darauf gestützt erfolgenden Anwendungsakt bzw. mittels staatsrechtlicher Klage von Bund und<br />
Kantonen, OG 83 lit. a geltend gemacht werden.<br />
III. Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse<br />
1. Erlasse der Bundesversammlung nach neuer Bundesverfassung<br />
I. Bundesgesetz, BV 163- 165<br />
Alle wichtigen Rechtssätze sind in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen, BV 164 I.<br />
Sie sind somit in einem dem (fakultativen) Referendum unterstellten Erlass enthalten und erhalten somit eine<br />
genügende direkt-demokratische Legitimation.<br />
Das Parlament ist aber nicht verpflichtet, Regelungen von untergeordneter Bedeutung dem Bundesrat zur Regelung zu<br />
überlassen, auch diese können in einem Bundesgesetz normiert werden.<br />
II. Dringliches Bundesgesetz, BV 165, 140 I lit. c, 141 I lit. b<br />
Das dringliche Bundesgesetz soll sofort und nicht erst nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Voraussetzung<br />
für den Erlass eines dringlichen Bundesgesetzes ist sachliche wie zeitliche Dringlichkeit.<br />
Das dringliche Bundesgesetz ist stets zu befristen, das Referendum kommt erst nachträglich zum Zug. In der<br />
Abstimmung verworfene dringliche Bundesgesetze dürfen nicht erneuert werden, BV 165 IV.<br />
Für dringliche Bundesgesetze mit verfassungsmässiger Grundlage ist ein nachträgliches fakultatives<br />
Referendum vorgesehen, BV 141 I lit. b. Wird das Referendum ergriffen, tritt das Gesetz ein Jahr nach<br />
Annahme durch die Bundesversammlung ausser Kraft.<br />
Dringliche Bundesgesetze ohne Verfassungsgrundlage, BV 165 I und III; stellen Notstandsrecht dar. Innert<br />
Jahresfrist muss ein obligatorisches nachträgliches Referendum durchgeführt werden, BV 140 I lit. c. Falls der<br />
Beschluss kein Volks- und Ständemehr aufbringen kann, tritt er nach Ablauf eines Jahres ausser Kraft und<br />
darf nicht erneuert werden.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Seite 37 von 50<br />
III. Verordnung, BV 163 I, GVG 4, 7 und 8 bis I<br />
Die VO der Bundesversammlung enthalten rechtsetzende Normen, die gestützt auf eine besondere Ermächtigung<br />
durch die Bundesverfassung oder ein Bundesgesetz unter Ausschluss des Referendums beschlossen werden. Sie<br />
werden Parlamentsverordnungen genannt und beruhen meist auf einer Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen<br />
vom Gesetzgeber (Parlament und Volk) an das Parlament allein.<br />
Selbständige Verordnungen nur bspw. BV 82 III; 173 I lit. c; i.a.R. deshalb unselbständige Verordnungen.<br />
IV. Bundesbeschluss, BV 163 II<br />
Der einfache Bundesbeschluss ist für Beschlüsse der Bundesversammlung vorgesehen, für die keine andere Form<br />
vorgeschrieben ist. Sie sind nicht rechtsetzender Natur (Verfügungen und Rechtsprechungsakte des Parlaments) und<br />
unterstehen nicht dem Referendum. Ein selbständiger einfacher Bundesbeschluss beruht direkt auf einer<br />
Ermächtigung durch die Verfassung; ein unselbständiger einfacher Bundesbeschluss beruht auf einer Ermächtigung<br />
durch den Bundesgesetzgeber.<br />
Bsp: BV 52 II i.V.m. 172 II (Gewährleistung KV); BV 173 I lit. f (Gültigkeit Volksinitiativen)<br />
Der referendumspflichtige Bundesbeschluss ist vorgesehen für Beschlüsse, die nicht rechtsetzender Natur sind und<br />
die Kraft besonderer Bestimmung durch Gesetz oder Verfassung dem Referendum unterstehen. Auch hier besteht die<br />
Unterscheidung zwischen selbständigen und unselbständigen referendumspflichtigen Bundesbeschlüssen.<br />
Bsp: BV 53 III (Genehmigung Gebietsveränderungen von Kantonen), BV 166 II i.V.m. 141 I lit. d (Genehmigung von<br />
völkerrechtlichen Verträgen, die dem fakultativen Staatsvertragsreferendum unterstehen).<br />
2. Erlasse der Bundesversammlung nach alter Bundesverfassung<br />
Bundesgesetze und allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse unterstanden dem fakultativen Referendum, bei<br />
Beschlüssen der Bundesversammlung entschied aber erst das GVG, ob ein fakultatives Referendum erfolgt.<br />
Entscheidend war das Vorliegen von Rechtsetzung. Rechtsetzend war jede abstrakte und generelle Norm, die<br />
Personen Pflichten auferlegte oder Rechte einräumte oder Organisation, Zuständigkeit oder Aufgaben von Behörden<br />
oder deren Verfahren regelte.<br />
I. Bundesgesetz<br />
Unbefristete Erlasse rechtsetzender Normen.<br />
II. Nichtdringlicher allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss<br />
Befristete Erlasse rechtsetzender Normen. Da Bundesgesetze nunmehr nach BV 163 ohne weiteres befristet werden<br />
können, erübrigt sich diese Erlassform.<br />
III. Nicht referendumspflichtiger allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss<br />
Rechtsetzender Erlass, der auf eine besondere Ermächtigung durch die BV, ein Bundesgesetz oder einen<br />
allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss unter Ausschluss des Referendums beschlossen wurde.<br />
Entspricht der heutigen Parlamentsverordnung, BV 163 I.<br />
IV. Dringlicher Bundesbeschluss<br />
Unterart des allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses, der für dringliche Fälle befristeter Rechtssetzung<br />
vorgesehen war. Entspricht dem heutigen dringlichen Bundesgesetz mit und ohne Verfassungsgrundlage.<br />
V. Einfacher Bundesbeschluss<br />
Vgl. heute.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
3. Erlass von Verordnungen 31<br />
Seite 38 von 50<br />
Verordnung ist der Erlass generell-abstrakter Rechtsnormen in einer anderen Form als derjenigen der<br />
Verfassungsgebung oder des Gesetzes. Entscheidend ist die vereinfachte Erlassform, es fehlt die<br />
Unterstellung unter das Referendum.<br />
Unterscheidungskriterien:<br />
Rechtsverordnungen und Verwaltungsverordnungen<br />
Rechtsverordnung als rechtsetzender Erlass<br />
Verwaltungsverordnung als generelle Dienstanweisung. Aussenwirkung, wenn sie indirekt eine Rechtsstellung des<br />
Bürgers genauer umschreiben und ihn in seinen Interessen faktisch genau gleich stark treffen wie Rechtsverordnungen.<br />
Dann kann eine Verwaltungsverordnung mit StaBe angefochten werden.<br />
Selbständige und unselbständige Verordnungen<br />
Selbständig: Direkte Ermächtigung durch die Verfassung<br />
Unselbständig: Die verordnende Behörde stützt sich auf eine nicht der Verfassungsstufe angehörende Ermächtigung. In<br />
diesem Fall liegt eine Delegation vor.<br />
Vollziehungsverordnung und gesetzesvertretende Verordnung<br />
VollziehungsVO: führt die Regelung des Gesetzes durch Detailvorschriften näher aus. Sie beruhen auf der<br />
allgemeinen, von der Verfassung eingeräumten Vollzugskompetenz.<br />
GesetzesvertretVO: enthält Regelungen, die ebenso gut im Gesetz selbst enthalten sein könnten. Sie beruhen auf einer<br />
Ermächtigung durch das Gesetz.<br />
I. Selbständige VO des Bundesrates<br />
Vollziehungsverordnungen, BV 182 II<br />
Der BR wird beauftragt mit dem Vollzug der Gesetzgebung, der Beschlüsse der Bundesversammlung und der<br />
Urteile der richterlichen Behörden. BV 182 I ermächtigt ihn zum Erlass von Vollziehungs- wie auch gesetzesvertretenden<br />
Verordnungen.<br />
Sie<br />
i. Dürfen sich nur auf eine Materie beziehen, die Gegenstand des zu vollziehenden Gesetzes bildet<br />
ii. Dürfen weder dieses noch andere Gesetze aufheben oder abändern<br />
iii. Müssen der Zielsetzung dieses Gesetzes folgen und dürfen die getroffene Grundregelung lediglich<br />
ergänzen und spezifizieren.<br />
iv. Dürfen dem Bürger keine neuen Pflichten auferlegen, selbst wenn sie durch den Gesetzeszweck gedeckt<br />
wären, es sei denn, es müsse eine Lücke gefüllt werden.<br />
Leading Case: BGE 103 IV 192; Gurtentragepflicht<br />
Polizeinotverordnungen, BV 185 III<br />
Verordnungen und Verfügungen, die eingetretene oder unmittelbar drohende schwere Störung der öffentlichen<br />
Ordnung oder der Sicherheit bekämpfen sollen, sie sind zu befristen.<br />
Sie<br />
v. Müssen angesichts einer in bedeutendem Mass gestörten oder ernsthaft gefährdeten öffentlichen<br />
Ordnung erfolgen<br />
vi. Müssen zeitlich dringlich erforderlich sein<br />
vii. Müssen durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt und verhältnismässig sein.<br />
Leading Case: VO über Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige<br />
Verordnungen zur Wahrung der äusseren Interessen der Schweiz, BV 184 III, 185 III<br />
Verordnungskompetenz kraft Bundesverfassung, bspw. BV 84 II, 196 Ziff. 9 I ÜbBest.<br />
II. Unselbständige VO des Bundesrates<br />
Unselbständig sind diejenigen Verordnungen, zu deren Erlass der Bundesrat durch ein Bundesgesetz ermächtigt<br />
worden ist. Es liegt eine Gesetzesdelegation vor. Eine Subdelegation, bspw. vom BR (dem selbst delegiert wurde) an<br />
sein Departement ist gemäss RVOG 48 zu beurteilen.<br />
Voraussetzung, BV 164 II:<br />
Nicht durch die Verfassung ausgeschlossen<br />
Übertragung muss in einem formellen Gesetz vorgesehen sein (Bundesgesetz mit Referendum)<br />
Beschränkung der Delegation auf ein bestimmtes, genau umschriebenes Sachgebiet<br />
Grundzüge müssen im delegierenden Gesetz selbst enthalten sein<br />
• Abgaberecht: BV 127 I: Kreis der Abgabepflichtigen, Gegenstand, Bemessungsgrundlage<br />
• Grundrechte: Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein<br />
• Leistungen: Grundzüge der Regelung im formellen Gesetz.<br />
31 Uneinheitliche Bezeichnung: Verordnung, Reglement, Ordnung, Verfügung.<br />
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IV. Staatsrechtliche Beschwerde<br />
Seite 39 von 50<br />
Während Verfassungsverletzungen durch kantonale Hoheitsakte seit der Gründung des Bundesstaates bei einer Bundesbehörde<br />
gerügt werden konnten, war eine Kontrolle der verfassungsmässigen Handhabung der Bundesgesetze durch die Bundesverwaltung<br />
lange Zeit nicht möglich. Erst ab 1914 bestand eine Grundlage für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bund, in deren Rahmen auch<br />
Verstösse der Bundesverwaltung gegen die Bundesverfassung gerügt werden konnten, heute: OG 104 a.<br />
§ 2 – Die staatsrechtliche Beschwerde als Form der Verfassungsgerichtsbarkeit<br />
Verfassungsgerichtsbarkeit ist jedes gerichtliche Kontrollverfahren der Verfassungsmässigkeit staatlicher Akte auf ihre<br />
Übereinstimmung mit der Verfassung.<br />
Prüfungsmasstab ist die Verfassung<br />
Verfassungsverletzung ist Beschwerdegrund<br />
Anfechtungsobjekt ist staatliches Handeln<br />
Formen:<br />
Organstreitigkeiten (Zuständigkeitsstreit Ex-Leg-Iud) BVersammlung entscheidet im Bund, BV 173 I lit. i.<br />
Bundesstaatliche Streitigkeiten (Kompetenz Bund-Kt) Bundesgericht, BV 189 I lit. d.<br />
Normenkontrolle<br />
Abstrakte Normenkontrolle kantonaler Erlass wird direkt angefochten, StaBe<br />
Konkrete Normenkontrolle (akzessorisch) kt. / eidg. Erlass (Ausnahme: BV 191) wird vorfrageweise<br />
zufolge konkretem Anwendungsfall überprüft.<br />
§ 3 – Anfechtungsobjekt<br />
I. kantonale Hoheitsakte<br />
Nur Hoheitsakte, die von einer kantonalen Behörde 32 ausgehen und auf kantonaler Herrschaftsgewalt beruhen<br />
[hoheitlich sind], (…) was also von kantonalen Selbstverwaltungsbehörden, also von Gemeinden oder kirchlichen<br />
Behörden ausgeht, und sogar von Privaten, wenn diese vom Kanton mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet worden sind.<br />
Aus OG 88 folgt, dass nur solche kantonalen Hoheitsakte angefochten werden können, welche in irgendeiner Weise<br />
die Rechtsstellung des einzelnen Bürgers berühren, indem sie ihn verbindlich und erzwingbar zu einem Tun,<br />
Unterlassen oder Dulden verpflichten oder sonst wie seine Rechtsbeziehung zum Staat autoritativ festlegt.<br />
[Bürgerverbindlich] 33 .<br />
II. kantonaler Erlass 34<br />
Ein Erlass regelt einen generellen (unbestimmter Adressatenkreis) und abstrakten (unbestimmte Vielzahl von Fällen)<br />
Lebenssachbereich.<br />
Allgemeinverfügungen, d.h. generell-konkrete Hoheitsakte, werden i.a.R. den gewöhnlichen Verfügungen<br />
gleichgestellt, was grundsätzlich auch für die Anfechtbarkeit gilt.<br />
Ist jedoch der Kreis der Adressaten offen und werden diese durch den Erlass der Allgemeinverfügung nur virtuell<br />
berührt 35 , muss eine Allgemeinverfügung im Anwendungsfall noch vorfrageweise auf die Rechtmässigkeit überprüft<br />
werden können. (Lohnfall der Berner Lehrer).<br />
Kantonsverfassungen<br />
Praxisänderung mit Änderung der Zürcher Kantonsverfassung (Kirchen als Personen des öffentlichen Rechts).<br />
Die Kontrolle der Bundesversammlung ist nicht von anderer Art, als jene des Bundesgerichts es sein könnte. Denn ob<br />
eine kantonale Verfassung nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthält, ist kein Entscheid<br />
politischer, sondern ein solcher rechtlicher Natur [aber durch ein politisches Gremium !].<br />
Da Bundesversammlung und Bundesgericht eine ähnliche Kognition aufweisen und beide Entscheide nicht materiell<br />
rechtskräftig werden, könne es deshalb nicht die Meinung gewesen sein, dass anschliessend an die Bundesversammlung<br />
noch das Bundesgericht die Kantonsverfassung überprüfen könne – rein schon aus Gründen der<br />
Rechtssicherheit, BGE 89 I 392 ff.<br />
Mit BGE 118 Ia 127 erfolgte insofern eine Kehrtwendung, als die vorfrageweise Überprüfung kantonaler<br />
Verfassungsbestimmungen (…) jedenfalls dann mit StaBe verlangt werden konnte, wenn das übergeordnete Recht im<br />
Zeitpunkt der Gewährleistung durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft getreten ist. Eine abstrakte<br />
Normenkontrolle, d.h. eine direkte Anfechtung der KV, ist weiterhin nicht möglich.<br />
32<br />
Bei der StaBe ist somit die verfügende Behörde für das Anfechtungsobjekt entscheidend, dies im Unterschied zur VGB, bei der die<br />
Rechtsbasis (Bundesverwaltungsrecht) entscheidend ist.<br />
33<br />
Eine relativ unbestimmte Weisung des Kantons an die Gemeinde, in einem bestimmten Bereich Rechtsnormen zu erlassen, berührt<br />
den Bürger noch nicht und ist deshalb kein taugliches Anfechtungsobjekt.<br />
34<br />
Die Unterscheidung Erlass – Verfügung ist entscheidend: Der Erlass kann zunächst nach seinem Inkrafttreten mittels einer<br />
abstrakten Normenkontrolle überprüft werden, anschliessend noch akzessorisch. Die Verfügung kann nur einmal überprüft werden.<br />
35<br />
St. Galler Fahrverbot auf der Strasse X berührt den Tessiner Autofahrer virtuell.<br />
<strong>Repetitorium</strong> © by Sandro Rossi
Seite 40 von 50<br />
Im Kanton Appenzell sollte die Änderung der KV – gemäss Vorschriften der Kantonsverfassung – vor der<br />
Landsgemeinde erfolgen. Willy Rohner erhob dagegen Stimmrechtsbeschwerde, weil diese Vorschriften gegen die<br />
Stimmrechtsgarantien verstiessen, wie sie von der BV gewährleistet würden, OG 85 lit. a; BGE 121 I 138.<br />
Das Bundesgericht hat in diesem Fall die entwickelten Prinzipien (Eintreten nur, wenn z.Z. der Verfassungsgewährleistung<br />
das angerufene Bundesrecht noch nicht in Kraft war) auf das Verfassungsrecht erweitert.<br />
Genehmigungsbedürftige kantonale Gesetze und Verordnungen<br />
Die Genehmigung kantonaler Erlasse durch den Bundesrat, BV 186 II, hat nur den Charakter einer provisorischen<br />
Rechtskontrolle. Mit der Genehmigung wird daher nicht verbindlich festgestellt, dass die betreffenden kantonalen<br />
Vorschriften rechtmässig sind. Sie schliesst weder eine abstrakte noch eine nachträgliche konkrete Normenkontrolle<br />
aus, BGE 103 Ia 133.<br />
Verwaltungsverordnungen<br />
BGE 98 I 510: Verordnung über kantonale Krankenhäuser (Todesfeststellung, Obduktion usw.)<br />
Verwaltungsverordnungen sind generelle Dienstanweisungen, die den Bürger nicht zu einem bestimmten Tun,<br />
Unterlassen oder Dulden verpflichten und daher die Rechtssphäre des Bürgers nicht berühren.<br />
I.c. wird aber über den direkten Adressatenkreis (Ärzte, übriges Personal) hinaus der Bürgers in seinen rechtlich<br />
geschützten Interessen getroffen und die Wirkung kommt derjenigen einer Rechtsverordnung gleich.<br />
Auch Verwaltungsverordnungen 36 sind mit StaBe anfechtbar, sofern die darin enthaltenen Regeln nicht nur aus<br />
internen Anweisungen an Beamte und Angestellte bestehen, sondern darüber hinaus die Rechtsstellung des Privaten<br />
direkt oder indirekt näher umschreiben und ihn auf diese Weise in seinen rechtlich geschützten Interessen berühren.<br />
BGE 105 Ia 349; Präzisierung:<br />
Eine Verwaltungsverordnung kann nur dann mit StaBe angefochten werden, wenn sie Aussenwirkungen entfaltet und<br />
wenn gestützt auf sie keine Verfügungen getroffen werden, deren Anfechtung möglich ist und dem Betroffenen<br />
zugemutet werden kann.<br />
Allgemeinverbindlich erklärte Verbandsbeschlüsse<br />
BGE 89 I 30…..<br />
Raumpläne<br />
BGE 106 Ia 386:<br />
Die Verfassungsmässigkeit einer Rechtsnorm kann nicht nur im Anschluss an ihren Erlass, sondern auch auf einen<br />
konkreten Anwendungsakt hin bestritten werden, während eine nachträgliche Anfechtung von Verfügungen<br />
grundsätzlich ausgeschlossen ist.<br />
Zonenpläne stellen zwischen Rechtssatz und Verfügung stehende Anordnungen besonderer Natur dar, auf welche<br />
teils die für generell-abstrakte Normen geltenden, teils die für Verfügungen massgebenden Grundsätze anzuwenden<br />
sind.<br />
Ob ein Zonenplan nur anschliessend an den Erlass oder auch bei späterer Anwendung noch angefochten werden<br />
kann, bestimmt sich primär danach, ob der Betroffene schon bei Planerlass über die ihm auferlegten Beschränkungen<br />
im klaren sein konnte und welche Möglichkeiten er in diesem Zeitpunkt hatte, seine Interessen zu verteidigen.<br />
BGE 107 Ia 80:<br />
Beim Gesamtplan handelt es sich jedoch um einen Richtplan, der nicht für die davon erfassten Grundeigentümer,<br />
sondern nur für die Behörden verbindlich ist, also die Rechtsstellung des Bürgers nicht berührt. Allerdings ist nicht zu<br />
verkennen, dass dieser Richtplan auf die Ausarbeitung der das Grundeigentum direkt beschränkenden Nutzungspläne<br />
sehr erhebliche Vorwirkungen ausübt und es fragt sich, ob der Richtplan nicht analog der Verwaltungsverordnung mit<br />
Aussenwirkung als anfechtbarer Hoheitsakt gelten müsse.<br />
Frage offengelassen, da das weitere Erfordernis, dass kein weiterer anfechtbarer Verwaltungsakt erfolgt, nicht erfüllt<br />
ist: Der Vollzug von Richtplänen muss im Rahmen von Nutzungsplänen in rechtverbindliche Eigentumsbeschränkungen<br />
umgesetzt werden, ebenso Baubewilligungen erfolgen usw.<br />
Anfechtung durch Gemeinden: BGE 111 Ia 310; 119 Ia 285.<br />
Exkurs: akzessorische Prüfung<br />
Das Bundesgericht bejaht eine akzessorische Prüfung von Rechtserlassen, weil der Einzelne bei Erlass einer<br />
Rechtsnorm im Allgemeinen noch nicht wisse, ob und wie sich ihn eines Tages treffen werde. Dies im Unterschied zu<br />
einer Verfügung.<br />
Wird infolge der akzessorischen Prüfung die Verfassungswidrigkeit einer Norm festgestellt, so führt dies nicht zu deren<br />
Aufhebung, sondern sie wird nur nicht auf den Beschwerdeführer angewendet.<br />
36 Oftmals ergeht dann im Vollzug der Verwaltungsverordnung überhaupt keine Verfügung und somit Anfechtungsobjekt.<br />
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III. kantonale Verfügungen (Entscheide)<br />
Seite 41 von 50<br />
Eine Verfügung i.S.v. OG 84 I muss nicht unbedingt die Anforderungen von VwVG 5 erfüllen, zumindest jedoch einen<br />
hoheitlichen Akt darstellen, der die Rechtsstellung des einzelnen berührt, indem sie ihn zu einem Tun, Unterlassen<br />
oder Dulden verpflichtet oder sonst wie seine Rechtsbeziehung zum Staat autoritativ in verbindlicher und erzwingbarer<br />
Art und Weise regelt.<br />
Zwischenentscheide<br />
Diese sind nur im Rahmen von OG 87 I und II anfechtbar.<br />
Als Endentscheid i.S.v. OG 87 wird jeder Entscheid betrachtet, der ein Verfahren vorbehaltlich der Weiterziehung an<br />
eine höhere Instanz abschliesst. Zwischenentscheid sind dagegen Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen,<br />
sondern bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen, gleichgültig, ob sie eine Verfahrensfrage oder<br />
eine Frage des materiellen Rechts zum Gegenstand haben.<br />
Es ist zudem die blosse Möglichkeit eines nicht wiedergutzumachender Nachteil rechtlicher Art erforderlich, ein<br />
Nachteil bloss tatsächlicher Natur genügt nicht. Der Nachteil ist nur rechtlicher Art, wenn er auch durch einen für den<br />
Beschwerdeführer günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte.<br />
Vollzugs- und Bestätigungsakte zu Verfügungen<br />
BGE 104 Ia 172: Eine Verfügung, welche auf einer rechtskräftigen früheren Verfügung beruht und diese lediglich<br />
vollzieht oder bestätigt, kann nicht mit der Begründung angefochten werden, die frühere Verfügung sei<br />
verfassungswidrig; eine solche Rüge ist verspätet.<br />
Eine Ausnahme gilt nur bei Verletzung unverzichtbarer und unverjährbarer Rechte. Dazu gehören bestimmte dem<br />
Einzelnen um seiner Persönlichkeit willen zustehende fundamentale Rechte, wie die persönliche Freiheit, die<br />
Niederlassungsfreiheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Kultusfreiheit, die Ehefreiheit, das Verbot des<br />
Schuldverhaftes und der körperlichen Strafen. Die Wirtschaftsfreiheit gehört ausdrücklich nicht dazu.<br />
Diese Rechtsprechung ist insofern zu präzisieren, als dass das angerufene Grundrecht in einem Schutzbereich<br />
angesprochen ist, der derart fundamentale Aspekte der Persönlichkeit oder der Menschenwürde betrifft, dass ein<br />
Eingriff schon an sich als besonders schwerwiegend wirkt. Bejaht für Anspruch auf unabhängigen Richter.<br />
Allgemeinverfügungen<br />
Ihrer Konkretheit wegen wird die Allgemeinverfügung in Lehre und Rechtsprechung den Verwaltungsakten zugeordnet;<br />
dessen ungeachtet kann sie bei ihrer späteren Anwendung trotzdem auf ihre Rechtsbeständigkeit überprüft werden,<br />
BGE 112 Ib 251.<br />
Urteile von Schiedsgerichten<br />
Schiedsgerichte sind keine kantonalen Entscheide i.S.v. OG 84 I. Es erscheint als fraglich, ob das<br />
Rechtsschutzbedürfnis von Parteien die sich aus freiem Willen einer privaten Gerichtsbarkeit unterworfen haben,<br />
demjenigen anderer Parteien, die staatlichen Gerichten unterstellt sind, gleichzusetzen sei. Im Übrigen besteht die<br />
Rechtskontrolle gestützt auf das KSG.<br />
Anfechtungsobjekt bei der Stimmrechtsbeschwerde, OG 85 lit. a<br />
Kanton Thurgau beschloss, den zweiten Satz einer Initiative wegen Staatsvertragswidrigkeit zu streichen. Nach der<br />
Abstimmung erhoben 3 Stimmbürger Beschwerde.<br />
Richtet sich eine Stimmrechtsbeschwerde gegen Handlungen 37 , die der Vorbereitung einer Abstimmung dienen, so<br />
beginnt die Beschwerdefrist mit der Eröffnung oder Mitteilung der entsprechenden Anordnung, (…) unterlässt dies der<br />
Stimmberechtigte, obwohl nach den Verhältnissen ein sofortiges Handeln geboten und zumutbar war, so verwirkt er<br />
das Recht zur Anfechtung des Abstimmungsergebnisses.<br />
Läuft die von OG 89 I aufgestellte Frist jedoch nach dem Abstimmungstermin ab, so kann nicht verlangt werden, dass<br />
die Beschwerde vor der Durchführung der Abstimmung erhoben wird, in diesem Fall kann eine Vorbereitungshandlung<br />
mit einer gegen die Abstimmung als solche gerichteten Beschwerde angefochten werden.<br />
Klarstellung der Rechtsprechung:<br />
Soweit sich Stimmrechtsbeschwerden gegen Handlungen richten, die der Vorbereitung von Abstimmungen und<br />
Wahlen dienen, sind sie grundsätzlich im Anschluss an deren Anordnung innert 30 Tagen zu erheben; ein sofortiges<br />
Handeln ist normalerweise durchaus zumutbar.<br />
Wohl kann die Zeitspanne zwischen dem Fristenablauf und dem Abstimmungsdatum zu kurz sein, als dass das<br />
Bundesgericht materiell entscheiden oder eine vorsorgliche Verfügung treffen könne. Diese rein praktische Überlegung<br />
reicht indessen nicht aus, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen. Der Stimmberechtigte erleidet (…) keinen<br />
Nachteil, die (…) [gegen die beanstandete Vorbereitungshandlung gerichtete] Beschwerde (…) ist so zu verstehen,<br />
dass sinngemäss auch der Antrag auf Aufhebung der Abstimmung selber gestellt wird.<br />
Vom Grundsatz, dass die gegen Vorbereitungshandlungen gerichtete Beschwerde sofort nach deren Anordnung innert<br />
30 Tagen einzureichen ist, kann lediglich abgewichen werden, wenn die Frist nach dem Abstimmungstermin abläuft<br />
oder sofortiges Handelns als unzumutbar erscheint (restriktiv), BGE 110 Ia 177.<br />
I.c. trat das Bundesgericht der Verschärfung seiner Praxis wegen in diesem konkreten Fall dennoch ein (ansonsten eine Verletzung<br />
aus BV 8 erfolgte, wenn eine Änderung ohne vorherige Ankündigung erfolgen würde).<br />
37<br />
Bspw. Beschlüsse über die Durchführung der Abstimmung, Ungültigkeit der Initiative, Formulierung der Abstimmungsfrage,<br />
amtliche Erläuterungen zur Abstimmung.<br />
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§ 4 – Beschwerdegründe<br />
Seite 42 von 50<br />
I. Verfassungsmässige Rechte, OG 84 I lit. a<br />
Kantonalen Verfassungsrechten kommt nur dann eine eigene Tragweite zu, wenn sie einen ausgedehnteren<br />
Schutzbereich aufweisen als die entsprechende Norm im Bundesverfassungsrecht, BGE 121 I 200.<br />
Bspw. BGE 101 Ia 83: Die KV verbietet jede Rückwirkung eines Gesetzes. Die Bundesverfassung erlaubt unter<br />
gewissen Voraussetzungen jedoch die Rückwirkung; ergo geht die KV weiter und weist selbständigen Charakter auf.<br />
Es ist jedoch erforderlich, dass ein Individualrecht 38 eines Bürgers verletzt sein muss. Die Bestimmung, wonach alle<br />
Gesetze vom Grossen Rat einer doppelten Beratung unterworfen werden müssen, ist eine das<br />
Gesetzgebungsverfahren betreffende Vorschrift, die sich nur an den Grossen Rat richtet und keine Rechte der<br />
Stimmbürger begründet. Deren verfassungsmässig gewährleistete Mitwirkung (…) besteht im Initiativ- und<br />
Referendumsrecht.<br />
Die Grossräte werden durch die Verletzung (…) ausschliesslich in ihrer Eigenschaft als Behördenmitglieder berührt<br />
und als solchen stehen ihnen keine verfassungsmässigen Rechte zu, BGE 91 I 114.<br />
Der Begriff des verfassungsmässigen Rechts ist bundesrechtlicher Natur; (…) es sind diejenigen<br />
Verfassungsbestimmungen, die dem Bürger einen Schutzbereich gegen staatliche Eingriffe sichern wollen.<br />
Allgemeine Anweisungen an den Gesetzgeber, in einem bestimmten Bereich tätig zu werden, vermögen dem<br />
Einzelnen keinen Anspruch auf richterliche Durchsetzung des Gesetzgebungsauftrages zu geben, anders nur, wenn<br />
die Verfassung dem Gesetzgeber vorschreibt, welchen Anforderungen er nachkommen muss.<br />
Das Rechtsschutzinteresse des Bürgers daran, dass nicht eine beliebige Besteuerung 39 auf dem Weg der<br />
Gesetzgebung eingeführt wird, ist derart wichtig, dass die Annahme nahe liegt, die Verfassung habe dem Bürger auch<br />
einen Rechtsbehelf dagegen gewähren wollen, BGE 104 Ia 284.<br />
BGE 108 Ia 157 E 3: Die Beschwerdeführer sehen im streitigen Kreditbeschluss der Politischen Gemeinde Eglisau eine Verletzung<br />
des vom Bundesrecht und von Art. 16 KV gewährleisteten politischen Stimmrechts.<br />
a) Einer Garantie, die in einer Kantonsverfassung verankert ist, kommt nur dann eigene Tragweite zu, wenn sie ein ausgedehnteres<br />
Recht als die Bundesverfassung gewährt (BGE 104 Ia 435 E. 2). Das ist in bezug auf Art. 16 KV nicht der Fall. Das Bundesgericht<br />
kann sich daher im vorliegenden Fall darauf beschränken, die Vereinbarkeit der Kreditbewilligung mit dem eidgenössischen<br />
Verfassungsrecht zu überprüfen.<br />
BGE 114 Ia 331; heute BV 8 III Satz 2: En revanche, contrairement à l'interdiction des discriminations en matière de rémunération<br />
(art. 4 al. 2, 3 e phrase, Cst.; ATF 113 Ia 110 et les références), la règle précitée ne s'adresse pas aux particuliers mais à l'Etat; elle ne<br />
produit pas d'effet horizontal direct (direkte Dritt- oder Horizontalwirkung; sur cette notion, cf. ATF 111 II 254 et les références) dans<br />
les rapports entre personnes privées. D'où il suit que la recourante n'a pas qualité pour s'en prévaloir directement en l'espèce à<br />
l'appui d'un recours de droit public dirigé contre une décision rendue dans une affaire opposant deux particuliers.<br />
BGE 123 I 27 : Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf Art. 18 KV/SO. Nach dessen Abs. 1 hat jeder<br />
"Anspruch auf Rechtsschutz"; Abs. 2 räumt den Parteien einen Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Behörden und<br />
Verwaltung sowie auf einen begründeten Entscheid innert angemessener Frist ein. Zu den verfassungsmässigen Rechten im Sinne<br />
von Art. 113 Abs. 1 Ziff. 3 BV und Art. 84 Abs. 1 lit. a OG, deren Verletzung mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden kann,<br />
gehören auch durch die Kantonsverfassung gewährleistete Rechte, soweit ihnen der Charakter von Freiheitsrechten, d.h. von<br />
individualrechtlichen Garantien zum Schutze des Bürgers zukommt (BGE 121 I 267 E. 3a S. 269, mit Hinweisen). Dies ist hier der<br />
Fall, weshalb der Beschwerdeführer geltend machen kann, der angefochtene Beschluss verletze ihn in seinen durch Art. 18 KV/SO<br />
garantierten prozessualen Rechten. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist deshalb einzutreten.<br />
Auch Sozialrechte 40 , d.h. Rechte auf Leistung, sind verfassungsmässige Rechte, vgl. BV 12, 7 und Kerngehalt von BV<br />
10. Bei Leistungsansprüchen ist jedoch erforderlich, dass diese justiziabel sind, d.h. normativ hinreichend bestimmt,<br />
sodass sie vom Richter mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und Verfahren konkretisiert und durchgesetzt<br />
werden können. Das Grundrecht auf Existenzsicherung erfüllt diese Bedingungen der Justiziablität.<br />
Grundrechtsträger sind – da es menschenrechtlich begründet ist – Schweizer als auch Ausländer.<br />
In der nBV sind die Grundrechte des Bundes in einem geschlossenen Katalog zusammengefasst, BV 7 ff. Auch<br />
aus anderen Teilen der Verfassung werden jedoch verfassungsmässige Rechte abgeleitet, so das Prinzip der<br />
Gewaltenteilung, der Vorrang des Bundesrechts, BV 49 I, die Gebührenfreiheit auf Strassen, BV 82 III und das<br />
Legalitätsprinzip im Abgaberecht, BV 127 I.<br />
Die von der EMRK gewährleisteten Rechte haben verfassungsrechtlichen Inhalt und werden Verfassungsrechten<br />
gleichgestellt. Sie werden mittels der Verfassungsbeschwerde, nicht mit der Staatsvertragsbeschwerde geschützt.<br />
Bei widersprechenden Normen gilt das Primat des Völkerrechts; ausnahmsweise geht das Bundesrecht vor, wenn der<br />
Gesetzgeber die Verletzung internationalen Rechts bewusst in Kauf genommen haben könnte. Kontrovers ist<br />
allerdings, ob Bundesgesetze entgegen BV 191 auf ihre Übereinstimmung mit der EMRK überprüft werden dürfen; vom<br />
Bundesgericht in BGE 117 Ib 369 E 2 e a.E. bejaht.<br />
38<br />
„Das Bundesgericht ist nur zum Schutz der verfassungsmässigen Rechte der Bürger eingesetzt, nicht auch zum Schutz der<br />
Verfassung überhaupt, BGE 104 Ia 284.“<br />
39<br />
I.c: KV 62 IV (SO): Geringe Vermögen sowie von jedem Einkommen ein zum Leben unbedingt notwendiger Betrag sind steuerfrei.<br />
40<br />
Leading case: BGE 121 I 367: Ausgeschaffte Angehörige der Tschechoslowakei reisen erneut ein, können nicht zurückgeschafft<br />
werden in die neu geschaffene Tschechei, ausser sie selbst würden ein Gesuch stellen.<br />
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Seite 43 von 50<br />
II. Konkordate, OG 84 I lit. b<br />
Ob ein Konkordat nur gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen den Kantonen oder Recht oder Privaten begründet,<br />
ist für die Beantwortung der Eintretensfrage unwesentlich. Nach dem OG kann jeder Bürger wegen Verletzung eines<br />
Konkordates Beschwerde führen, sofern er dadurch in seinen persönlichen, rechtlich geschützten Interessen verletzt<br />
zu sein behauptet.<br />
III. Staatsverträge, OG 84 I lit. c<br />
Die Staatsvertragsbeschwerde gemäss OG 84 I lit. c kann sich auch gegen kantonale Erlasse richten. Der<br />
Beschwerdeführer kann sich dabei aber nur auf Bestimmungen berufen, welche unmittelbar anwendbar (selfexecuting)<br />
sind. Dies setzt voraus, dass die angerufene staatsvertragliche Regelung inhaltlich hinreichend bestimmt<br />
und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides bilden zu können.<br />
IV. Bundesrechtliche Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der<br />
Bundesbehörden 41 , OG 84 I lit. d.<br />
V. Stimmrechtsbeschwerde 42 , OG 85 lit. a<br />
Die politischen Rechte umfassen das Recht, an Abstimmungen teilzunehmen, Initiativen und Referendumsbegehren zu<br />
unterschrieben, sowie das aktive und das passive Wahlrecht. Mit der Stimmrechtsbeschwerde kann die Verletzung<br />
sämtlicher im Zusammenhang mit den politischen Rechten stehenden Vorschriften gerügt werden. Dazu zählen<br />
namentlich Wählbarkeits- und Unvereinbarkeitsvorschriften.<br />
Es besteht jedoch kein Anspruch des Bürgers darauf, dass eine kantonale Initiative, die ggf. nicht in Übereinstimmung<br />
mit dem übergeordneten Recht steht, überprüft wird, sofern das kantonale Recht die Behörde dazu nicht verpflichtet,<br />
da ansonsten die Spezialität der Stimmrechtbeschwerde im Unterschied zur allg. Verfassungsbeschwerde entfiele.<br />
Die Rüge, dass die Exekutive ihre Rechtssetzungskompetenz überschritten habe, betrifft nicht die Garantie des<br />
politischen Stimmrechts der Bürger, sondern hat Bezug auf das verfassungsmässige Recht der Gewaltentrennung;<br />
deshalb Verfassungsbeschwerde und Legitimation nach OG 88 und nicht Stimmrechtsbeschwerde und (breitere)<br />
Legitimation nach OG 85 lit. a, BGE 105 Ia 359.<br />
Mit der Stimmrechtsbeschwerde kann durchgesetzt werden, dass ein Erlass oder Verwaltungsakt, der formell dem<br />
fakultativen oder obligatorischen Referendum untersteht, diesem Mitwirkungsrecht auch wirklich unterstellt wird;<br />
(…) dass die Abstimmung korrekt durchgeführt und deren Ergebnis richtig ermittelt wird.<br />
Sie ist aber nicht zur Anfechtung von Erlassen oder Einzelakten der Exekutive bestimmt, die (…) zum vorneherein<br />
nicht der Volksabstimmung unterliegen können und auch nicht die konkrete Durchführung einer Abstimmung oder<br />
Wahl betreffen. Enthält eine Verordnung oder ein Einzelakt der Verwaltung Vorschriften, die richtigerweise<br />
Gegenstand eines dem Referendum unterliegenden Gesetzes sein müssten, so ist nicht die<br />
Stimmrechtsbeschwerde, sondern gestützt auf OG 84 I lit. a die StaBe wegen Verletzung der Gewaltentrennung zu<br />
ergreifen, BGE 105 Ia 359.<br />
Erlass / Verwaltungsakt der dem<br />
Referendum unterläge<br />
ihm aber nicht unterstellt ist<br />
Erlass / Verordnung der Exekutive,<br />
der an sich nicht dem Referendum<br />
unterliegt, materiell aber Vorschriften<br />
enthält, die dem Referendum unterlägen<br />
Stimmrechtsbeschwerde Verfassungsbeschwerde<br />
Behördliche Interventionen in die Meinungsbildung zu Sachabstimmungen sind zulässig, bspw. Abstimmungserläuterungen.<br />
Eine unerlaubte Beeinflussung liegt vor, wenn die Behörde die Pflicht zu objektiver Information verletzt,<br />
d.h. falsch informiert oder sich sonst wie verwerflicher Mittel bedient.<br />
Wird eine unzulässige Einflussnahme der Behörde auf die Meinungsbildung festgestellt, hebt das Bundesgericht eine<br />
Abstimmung nur auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich sind und das Ergebnis wahrscheinlich<br />
beeinflusst haben könnten. Kriterien: Schwere des Mangels, Grösse des Stimmunterschiedes<br />
Informationen von privater Seite können nur ausnahmsweise 43 zur Aufhebung einer Abstimmung führen, denn sie<br />
stehen unter der Meinungs- und Pressefreiheit.<br />
Dem einzelnen Mitglied einer Behörde kann weder die Teilnahme am Abstimmungskampf noch die freie Äusserung zu<br />
einer Gesetzes- oder Sachvorlage untersagt werden. Unzulässig ist aber, dass sie ihrer Intervention einen amtlichen<br />
Anstrich geben und den Anschein erwecken, es handle sich um eine offizielle Verlautbarung einer Behörde.<br />
VI. Armenrechtsbeschwerde [Verfahrensprivilegien im Haftpflichtfall der Post, Eisenbahn, Dampfschiffe]<br />
41<br />
Betrifft nicht Kompetenzstreitigkeiten Bund-Kanton ( OG 83 lit. a), sondern innerhalb des Bundes.<br />
42<br />
Bis zur Justizreform (BV 189 I lit. f) ist OG 85 lit. a nur auf kommunale und kantonale Akte anwendbar; auf eidgenössischer Ebene<br />
sind die Rechtsmittel des BPR massgebend.<br />
Legitimation gemäss OG 85 lit. a; jeder an der Abstimmung oder Wahl stimmberechtigte Bürger<br />
43<br />
So später Zeitpunkt offensichtlich unwahre Informationen Unmöglichkeit des Bürgers, sich zuverlässiges Bild zu generieren<br />
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VII. Schiedsbeschwerde, OG 85 lit. c und IPRG 191 I<br />
§ 5 – Verhältnis der StaBe zu anderen Rechtsmitteln<br />
I. Absolute Subsidiarität, OG 84 II<br />
Seite 44 von 50<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, OG 97 ff.<br />
Für die Frage, ob die VGB zulässig sei oder nicht, kommt es nicht auf die formal erhobenen Rügen an, sondern<br />
vielmehr darauf, ob die Grundlage der Verfügung dem öffentlichen Recht des Bundes oder dem kantonalen Recht<br />
angehört.<br />
Für die Annahme einer kantonalrechtlichen Verfügungsgrundlage ist erforderlich, dass dem kantonalen Recht<br />
im betreffenden Sachgebiet gegenüber den bundesrechtlichen Vorschriften selbständige 44 Bedeutung<br />
zukommt. Trifft dies zu, ist nicht die VBG, sondern die StaBe wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte<br />
des Bürgers, insbesondere der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, zu ergreifen.<br />
Falls dagegen die Grundlage der Verfügung nicht im selbständigen kantonalen Recht, sondern in einer<br />
vorrangigen Vorschrift des Bundesrechts liegt 45 , ist die VGB gegeben, BGE 118 Ib 131.<br />
Berufung in Zivilsachen, OG 43 I<br />
Wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger ist die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten. Die<br />
Rüge, bspw. verletzen Bundesgesetze (vorsorgliche Massnahmen nach ZGB 28) die Verfassung, ist infolge BV<br />
191 ausgeschlossen.<br />
Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, BStP 269<br />
Wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger ist die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten.<br />
Wird geltend gemacht, StGB 204 müsse im Licht von EMRK 10 anders ausgelegt werden, so wird eine Verletzung<br />
von Bundesrecht – StGB – geltend gemacht, weshalb die Eidg. NiBe zu erheben ist.<br />
II. Relative Subsidiarität, OG 86<br />
Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges<br />
Rechtzeitige Erhebung der Rügen vor den kantonalen Instanzen (TuG im Prozess)<br />
Dass entsprechende Begehren [der ausländische Angeklagte könne dem Prozess nicht folgen] im kantonalen<br />
Verfahren gestellt worden seine, wird vom Bf nicht behauptet. Somit erfolgen alle diese erst im nachhinein geltend<br />
gemachten Vorbringen verspätet, BGE 118 Ia 466.<br />
Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges<br />
Letztinstanzlich ist ein Entscheid erst, wenn die Rüge, die Inhalt der staatsrechtlichen Beschwerde sein soll, bei<br />
keiner kantonalen Instanz mehr angebracht werden kann. Es darf daher kein ordentliches oder ausserordentliches<br />
kantonales Rechtsmittel 46 mehr zur Verfügung stehen.<br />
Der Entscheid einer unteren Instanz kann mitangefochten werden, wenn entweder der letzten kantonalen Instanz<br />
nicht sämtliche vor Bundesgericht erhobenen Rügen unterbreitet werden konnten, oder wenn solche Rügen zwar<br />
von der letzten kantonalen Instanz zu beurteilen waren, jedoch mit einer engeren Prüfungsbefugnis, als sie dem<br />
Bundesgericht zustehet. [Dorénaz-Praxis]; BGE 125 I 493.<br />
Ausnahmen:<br />
Interkantonale Doppelbesteuerung, OG 86 II<br />
Arrest auf Vermögen ausländischer Staaten<br />
Praxis des Bundesgerichts<br />
Vom Erfordernis der Ausschöpfung der kantonalen Instanzen kann abgesehen werden,<br />
- wenn ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit eines kantonalen Rechtsmittels bestehen<br />
- oder wenn die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges eine leere, zwecklose Formalität wäre.<br />
Dies darf aber nicht leichthin angenommen werden. Der Grundsatz der relativen Subsidiarität bezweckt nicht<br />
nur die Entlastung des Bundesgerichts, sondern dient auch der kantonalen Souveränität.<br />
Anwendungsfälle:<br />
I. Wenn eine untere Instanz nach Weisungen der Rechtsmittelinstanz entschieden hat<br />
II. Es genügt jedoch nicht, wenn vorauszusehen ist, wie der Entscheid der Rechtsmittelinstanz ausfällt. Nur<br />
wenn die oberste Instanz in der gleichen Sache ihre Meinung bereits klar zum Ausdruck gebracht hat,<br />
kann hierauf verzichtet werden.<br />
44<br />
Was i.c. nicht der Fall war: Die kantonale VO über die Besuche in Strafanstalten war unselbständig, dieser Bereich war bereits<br />
durch eine VO zum StGB durch den Bund geregelt.<br />
45<br />
Bzw. sich darauf stützen müsste, dies fälschlicherweise aber nicht tut.<br />
46<br />
Die Wiedererwägung ist grundsätzlich ein blosser Rechtsbehelf, kann aber zum Rechtsmittel (weil Anspruch auf materielle<br />
Behandlung) werden, sofern sich die Umstände seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben (bei nachträglicher<br />
Fehlerhaftigkeit) oder wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen oder Beweismittel namhaft macht, die im früheren Verfahren<br />
nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war oder keine Veranlassung bestand (bei<br />
ursprünglicher Fehlerhaftigkeit) [Abgeleitete Praxis aus BV 29 I]<br />
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§ 6 – Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit und Beschwerdelegitimation, OG 88<br />
Seite 45 von 50<br />
I. Parteifähigkeit<br />
Natürliche Personen Grundsätzlich Mündigkeit; jedoch: BV 11 II; BV 15 I i.V.m. ZGB 303 III<br />
Juristische Personen des Privatrechts<br />
Juristische Personen des öffentlichen Rechts<br />
Spezialgesetzgebung bspw. Stockwerkeigentümergemeinschaft, Erbengemeinschaft<br />
II. Prozessfähigkeit<br />
Natürliche Personen Grundsätzlich Urteilsfähigkeit und Mündigkeit<br />
Urteilsfähigkeit für um der Person willen zustehende Rechte<br />
Juristische Personen des Privatrechts Organe bestellt<br />
Juristische Personen des öffentlichen Rechts<br />
III. Beschwerdelegitimation<br />
Trägerschaft des angerufenen Rechts<br />
Die staatsrechtliche Beschwerde ist ein Rechtsmittel zum Schutz der Träger verfassungsmässiger Rechte gegen<br />
die Übergriffe der Staatsgewalt. Der Umstand, dass der Bf im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte, ist nicht<br />
entscheidend.<br />
Ausländer: Keine Niederlassungsfreiheit, kein Ausweisungsverbot, kein Gleichbehandlungsgebot BV 37 II<br />
Nur Wirtschaftsfreiheit, wenn Niederlassungsbewilligung bzw. Aufenthaltsbewilligung mit Anspruch auf Verlängerung<br />
Iur. Person: keine Religionsfreiheit, ausser Personen, die selber religiöse Tätigkeiten ausüben.<br />
Betroffenheit in der Privatsphäre<br />
Zur staatsrechtlichen Beschwerde befugt sind Bürger und Korporationen, wenn sie durch den angefochtenen<br />
Hoheitsakt in einem ihnen persönlich zustehenden Individualrecht betroffen sind.<br />
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die angefochtene Verfügung lediglich Befugnisse und Obliegenheiten<br />
zum Gegenstand hat, die einem Bürger in seiner Eigenschaft als Beamter oder Mitglied 47 einer Behörde<br />
zukommen.<br />
Verletzung rechtlich geschützter Interessen<br />
Allgemein<br />
Gemäss ständiger Rechtsprechung kann nur die Verletzung in rechtlich geschützten Interessen gerügt<br />
werden, zur Verfolgung bloss tatsächlicher oder zur Geltendmachung allgemeiner öffentlicher Interessen ist<br />
die StaBe nicht gegeben. Die angerufenen rechtlichen Interessen können durch kantonales oder<br />
eidgenössisches Gesetzesrecht oder auch durch spezielles Grundrecht geschützt sein.<br />
Willkürbeschwerde 48<br />
Gewährt das kantonale Recht 49 dem Beamten keinen Anspruch auf Wiederwahl, ist die Wahlbehörde grundsätzlich<br />
frei, das Dienstverhältnis nach Ablauf der Amtsdauer zu erneuern. Verzichtet sie darauf, greift diese<br />
Massnahme nicht in die rechtlich geschützten Interessen des Beamten i.S.v. OG 88 ein. Aus BV 8 folgt kein<br />
selbständiger Anspruch auf willkürfreies Handeln des Staates, BGE 107 Ia 182.<br />
Kündigungsgründe frei Freies Ermessen, keine Willkür<br />
Kündigungsgründe umschrieben Willkürbeschwerde möglich<br />
Tritt eine obere Instanz auf eine Aufsichtsbeschwerde nicht ein oder weist sie sie ab, ist keine staatsrechtliche<br />
Beschwerde möglich, da kein Anspruch auf einen Bescheid der Behörde besteht, BGE 102 Ia 197.<br />
Insofern eine Milderung stellt die Tatsache dar, dass der Betroffene bei fehlender Legitimation in der<br />
Sache selbst mittels StaBe doch die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen kann, deren<br />
Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt, BGE 121 I 271.<br />
Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann der Beschwerdeführer eine Verletzung<br />
der Verfahrensgarantien geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das<br />
nach OG 88 erforderliche rechtlich geschützte Interesse (…) ergibt sich aus der Berechtigung, am Verfahren<br />
teilzunehmen, die besteht, sofern dem Bf im kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt.<br />
Das Bundesgericht prüft die Auslegung und Anwendung der kantonalen Verfahrensvorschriften auf Willkür,<br />
deren Vereinbarkeit mit den Minimalanforderungen der BV jedoch frei.<br />
Nichteintreten; Verweigerung der Akteneinsicht oder Verweigerung von Beweisanträgen können gerügt<br />
werden, nicht aber die Beweiswürdigung.<br />
47<br />
I.c. wehrte sich eine Richterin gegen ihre Ablehnung im Prozess; eine Befugnis, die ihr aufgrund ihrer Stellung als Justizbeamtin<br />
zukommt.<br />
48<br />
Somit mangels Anspruch keine Willkürbeschwerde im Bereich Wahl und Wiederwahl von Beamten, fakultative Staatsbeiträge,<br />
Aufenthaltsbewilligungen, Einbürgerungen, Steuererlasse, Begnadigungen.<br />
49<br />
Allerdings kann auch Gewohnheitsrecht einen Anspruch begründen.<br />
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Legitimation bei der Begünstigung Dritter<br />
Bei Erlassen 50<br />
Seite 46 von 50<br />
Zur Erhebung einer Beschwerde ist berechtigt, wer durch den Erlass zumindest virtuell betroffen ist.<br />
Das Bundesgericht geht davon aus, dass die Einräumung von Privilegien grundsätzlich den<br />
Nichtbegünstigten diskriminiere. Dieser hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung eines<br />
diskriminierenden Erlasses, wenn die Diskriminierung ihn in seinem Privatbereich betrifft und er sich in einer<br />
vergleichbaren Sachlage befindet wie die vom Erlass Begünstigten.<br />
Bei Verfügungen 51<br />
Der Beschwerdeführer muss nicht notwendigerweise Adressat der angefochtenen Verfügung sein.<br />
Er kann zur StaBe auch legitimiert sein, wenn er geltend macht, durch die angefochtene Anordnung werde<br />
ein Dritter widerrechtlich begünstigt. Der Bf muss sich aber auch hier auf eigene, durch Gesetzes- oder<br />
spezielle Verfassungsnormen geschützte Interessen berufen können, welche durch den<br />
drittbegünstigenden Entscheid beeinträchtigt werden.<br />
Die massgebenden Vorschriften, wonach die aus Lotteriegeldern stammenden Fondsmittel lediglich für<br />
wohltätige und gemeinnützige Zwecke verwendet werden dürfen, dienen lediglich allgemeine öffentlichen<br />
Interessen, sie haben nicht das ziel, allfällige Konkurrenten oder sonstige Dritte vor Nachteilen zu schützen.<br />
Wohl verpflichtet aber die Glaubens- und Gewissensfreiheit den Staat – im Sinne eines individualrechtlichen<br />
Anspruches – zur konfessionellen und religiösen Neutralität.<br />
Ob dieses Gebot tatsächlich verletzt ist, ist eine materielle Frage.<br />
Baubewilligung 52<br />
Eigentümer benachbarter Grundstücke sind befugt, eine Baubewilligung anzufechten, soweit sie<br />
die Verletzung von Bauvorschriften geltend machen, die ausser den Interessen der Allgemeinheit<br />
auch oder in erster Linie dem Schutz der Nachbarn 53 dienen.<br />
Auch hier muss aber dargetan werden, dass sie sich im Schutzbereich der Vorschriften befinden<br />
und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Bauten betroffen werden.<br />
Anfechtung einer drittbegünstigenden Verfügung durch einen Konkurrenten 54<br />
Die geltend gemachte Gefährdung der öffentlichen Gesundheit kann keine Legitimation begründen,<br />
weil sie StaBe nicht zur Durchsetzung öffentlicher Interessen dient.<br />
Dritte sind zur StaBe gegen die Erteilung einer Bewilligung nur legitimiert, wenn sie die<br />
verfassungswidrige Anwendung einer drittschützenden Norm rügen.<br />
Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen kann erst angerufen werden, wenn<br />
geltend gemacht wird, man würde selbst rechtsungleich behandelt. Solange jedoch nicht<br />
vorgebracht wird, ihnen sei selbst der Betrieb einer Versandapotheke nicht bewilligt worden, sind<br />
sie nicht legitimiert.<br />
Anfechtung eines Vergabeentscheides (Submission)<br />
Der Zuschlag erfolgt durch eine Verfügung und das Binnenmarktgesetz weist drittschützende<br />
Wirkung auf, BGE 125 II 95: „cette nouvelle législation tend en effet à protéger les<br />
soumissionnaires, ceux-ci pouvant se prévaloir des garanties de concurrence, d’impartialité,<br />
d’égalité et de transparence qui régissent la procédure de passation des marchés publics.<br />
Stimmrechtsbeschwerde<br />
Siehe BGE 105 Ia 359<br />
Die Rüge, dass die Exekutive ihre Rechtssetzungskompetenz überschritten habe, betrifft nicht die<br />
Garantie des politischen Stimmrechts der Bürger, sondern hat Bezug auf das verfassungsmässige<br />
Recht der Gewaltentrennung; deshalb Verfassungsbeschwerde und Legitimation nach OG 88 und<br />
nicht Stimmrechtsbeschwerde und (breitere) Legitimation nach OG 85 lit. a, BGE 105 Ia 359.<br />
50 Ein Ehepaar wehrte sich gegen Steuerprivilegierungen für unverheiratete Paare.<br />
51 I.c. erhielt der Verein „InfoSekta“ CHF 75'000 aus einem Fonds des Kt. Zürich. Scientology u.a. wehrten sich dagegen.<br />
52 StaBe gegen Bewilligung eines „Fixerstüblis“: Die Verletzung des BetmG schützt öffentliche Interessen; ebenso wenig kann aus der<br />
Tatsache, dass zuwenig Toiletten vorhanden sind (Baupolizei), keine Legitimation abgeleitet werden, BGE 118 Ia 116.<br />
Jedoch kann die Legitimation aus selbständigem kantonalem Verfassungsrecht abgeleitet werden.<br />
53 Bspw. Vorschriften über immissionsbeschränkende Nutzung, Baudichte, Ausnützungsziffer; nicht aber Vorschriften über die<br />
ästhetische Einordnung von Bauten, die ausschliesslich öffentlichen Interessen dienen, BGE §§1 Ia 89 E 1b.<br />
54 I.c. erhielt ein Apotheker eine Bewilligung für eine Apotheke mit Versandhandel; andere Apotheker wehrten sich dagegen.<br />
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Erfordernis der Aktualität<br />
OG 88 erfordert, dass der Bf ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung seiner Beschwerde und an<br />
der Aufhebung des angefochtenen Entscheides hat.<br />
Nach OG 88 entfällt somit mit der Entlassung aus der Haft ein aktuelles Interesse an der Behandlung einer<br />
Haftbeschwerde.<br />
Es wird ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses verzichtet, wenn sich die<br />
aufgeworfene Frage jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte und an deren<br />
Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht.<br />
BGE 118 Ia 490:<br />
Art. 88 OG sowie Art. 40 OG i.V.m. Art. 72 BZP; aktuelles praktisches Interesse als Voraussetzung der Anfechtung eines<br />
Prüfungsentscheides mittels staatsrechtlicher Beschwerde.<br />
1. Hat ein Examenskandidat die Prüfung im zweiten Versuch bestanden, verfügt er nicht mehr über ein aktuelles praktisches<br />
Interesse an einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen den ersten negativen Prüfungsentscheid. Dies gilt unter der<br />
Voraussetzung, dass die Frage der Widerrechtlichkeit Bestandteil eines selbständigen Haftungsprozesses sein kann, selbst im<br />
Hinblick auf die allfällige Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen<br />
2. Auch wenn die fehlende Legitimation in der Sache die Rüge der formellen Rechtsverweigerung nicht ausschliesst, befreit dies<br />
nicht davon, dass wenigstens ein aktuelles praktisches Interesse an der formellen Rüge bestehen muss (E. 2).<br />
Virtuelles Betroffensein bei der Anfechtung von Erlassen<br />
Zur Anfechtung von Erlassen ist jedermann legitimiert, auf den die als verfassungswidrig bezeichnete Bestimmung<br />
künftig einmal 55 angewendet werden könnte. Es genügt, dass der Bf virtuell unter den Erlass fällt, er braucht nicht<br />
bereits praktisch davon betroffen zu sein.<br />
Auch die Möglichkeit, künftige Anwendungsakte mit StaBe anzufechten und dabei vorfrageweise die<br />
Verfassungsmässigkeit des Erlasses in Frage zu stellen, schliesst nicht aus, dass schon der Erlass als solcher<br />
durch den virtuell Betroffenen sofort dem Verfassungsrichter unterbreitet werden kann. Die staatsrechtliche<br />
Beschwerde gegen allgemeinverbindliche Erlasse steht damit der Popularbeschwerde sehr nahe. Die Legitimation<br />
fehlt nur, wenn der Erlass nur auf eine bestimmte Kategorie von Personen anwendbar ist und der Bf dieser nicht<br />
angehört. [Minelli, BGE 99 Ia 264; 102 Ia 205]<br />
Einschränkung durch BGE 102 Ia 205:<br />
Grundsätzlich wird aber vorausgesetzt, dass der Erlass für den Bf verbindlich ist, d.h. der Bf im betreffenden<br />
Kanton wohnt und damit dessen Territorialhoheit untersteht. Die Praxis lässt aber Ausnahmen zu; so wer bei der<br />
Ausübung der Erwerbstätigkeit von diesem Erlass betroffen sein könnte. Eine minimale Wahrscheinlichkeit, dass<br />
der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Erlass einmal betroffen werden könnte, muss somit in jedem Fall<br />
vorhanden sein.<br />
Die rein rechtlich gegebene Möglichkeit, den Wohnsitz zu verlegen begründet – ohne glaubhafte Anzeichen einer<br />
diebbezüglichen Absicht – keine Legitimation.<br />
Besonderheiten betreffend Verbände und politische Parteien<br />
Beschwerde von Verbänden anstelle der Mitglieder<br />
Ideelle Verbandsbeschwerde im Gesetz vorgesehen, bspw. USG, NHG<br />
Egoistische Verbandsbeschwerde 56 Juristische Person<br />
Statutarische Bestimmung: Schutz der Mitglieder<br />
Legitimation der Mitglieder<br />
Direktes / Virtuelles Betroffensein mehrerer Mitglieder<br />
Stimmrechtsbeschwerde von politischen Parteien<br />
Politische Parteien sind befugt, kantonale Abstimmungen und Wahlen mit staatsrechtlicher Beschwerde nach OG<br />
85 a anzufechten, sofern sie im betreffenden Kanton tätig sind und sich als juristische Person konstituiert haben.<br />
Ebenso sind es sonstige politische Vereinigungen, namentlich ad hoc gebildete, aber mit juristischer<br />
Persönlichkeit versehene Initiativ- oder Abstimmungskomitees.<br />
Verbände mit anderen Zielsetzungen und anderer Mitgliederstruktur als Parteien sowie andere Gruppierungen,<br />
deren Mitglieder nicht ausschliesslich stimmberechtigte Bürger des betreffenden Gemeinwesen sind, können<br />
indessen nicht als eigentliche politische Vereinigungen betrachtet werden und sind daher nicht zur<br />
Stimmrechtsbeschwerde legitimiert. 57<br />
55<br />
Erlasse über Beschränkung der Bootslänge auch von Nicht-Bootseigentümern, Erlass über Taxibetrieb auch von Nicht-Taxihalter,<br />
Steuergesetz auch von Nicht-Steuerpflichtigem, Hundetaxe auch von Nicht-Hundehalter usw.<br />
56<br />
DJS (Demokratische Juristen Schweiz) können kt. Gefängnisreglement anfechten, nicht aber Bestimmungen über ausländerrechtliche<br />
Inhaftierung.<br />
Apothekerverein SH wehrt sich gegen Bewilligung der Selbstdispensation eines Arztes: Nur 5 Apotheker wohnen im Umkreis des<br />
Arztes; entspricht einem Drittel der Mitglieder des Apothekervereins SH: Dies genügt aber zur Legitimation.<br />
57<br />
Wäre dann aber nicht zumindest die egoistische Verbandsbeschwerde möglich ?<br />
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Juristische Personen des öffentlichen Rechts<br />
Die StaBe ist ein Rechtsmittel zum Schutz der Träger verfassungsmässiger Rechte gegen Übergriffe der<br />
Staatsgewalt. Solche Rechte stehen grundsätzlich nur dem Bürger zu, nicht aber dem Gemeinwesen als Inhaber<br />
hoheitlicher Gewalt.<br />
Öffentlichrechtliche Korporationen wie Kantone und Gemeinden oder ihre Behörden können gegen Akte<br />
anderer Staatsorgane die sie als Träger hoheitlicher Befugnisse betreffen, demnach i.a.R. keine<br />
staatsrechtliche Beschwerde ergreifen. Eine Ausnahme besteht nur betreffend der durch das kantonalen<br />
Recht gewährten Autonomie- oder Bestandesgarantie 58 .<br />
Öffentlichrechtliche Korporationen sind aber zur StaBe legitimiert, wenn sie nicht hoheitlich handeln, sich auf<br />
dem Boden des Privatrechts bewegen oder sonst wie als dem Bürger gleichgeordnete Rechtssubjekte 59<br />
auftreten und durch den angefochtenen Akt wie eine Privatperson betroffen werden.<br />
Entscheidend dabei ist die Rechtsnatur des Verhältnisses, das der Auseinandersetzung zugrunde liegt.<br />
Zusammenfassung der Rechtsprechung in BGE 113 Ia 336:<br />
1.- a) Une corporation de droit public a qualité pour former un recours de droit public lorsqu'elle se trouve<br />
affectée par la décision attaquée de la même manière que n'importe quel particulier. Elle peut alors invoquer,<br />
au même titre qu'un particulier, une violation des droits constitutionnels et soulever de façon indépendante le<br />
grief de violation de l'art. 4 Cst. En revanche, lorsque la décision attaquée l'affecte en sa qualité de personne<br />
morale de droit public, elle peut seulement faire valoir par cette voie une atteinte à son existence, à son<br />
territoire ou à son autonomie. Elle peut en outre se plaindre de la violation de son droit d'être entendue, à<br />
condition que ce grief soit en rapport étroit avec celui tiré de la violation de l'autonomie ou de la violation du<br />
droit à l'existence. Pour que le recours soit recevable, il suffit alors à la recourante d'invoquer que le droit<br />
cantonal lui garantit le droit à l'existence ou une certaine marge d'autonomie dans le domaine envisagé, et<br />
que la décision attaquée viole ce droit ou cette autonomie. C'est en revanche une question de fond que de<br />
déterminer si la recourante jouit effectivement d'autonomie dans le domaine en cause ou d'un droit à<br />
l'existence, et si cette autonomie ou ce droit ont été violés (ATF 111 Ia 251 ss, 109 Ia 44, 107 Ia 178).<br />
Weitere Fragen<br />
Wenngleich die Eigentumsgarantie und die Wirtschaftsfreiheit nach neuerer Rechtsprechung auch faktische<br />
Vorteile schützen, ist für die Eintretensfrage der Staatsrechtlichen Beschwerde nach wie vor eine Verletzung<br />
rechtlich geschützter Interessen erforderlich.<br />
58 Deren materieller Gehalt aber für das Eintreten irrelevant ist.<br />
59 bspw. als Steuerpflichtige oder Gebührenpflichtige.<br />
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§ 7 – Kognition des Bundesgerichts<br />
Die Kognition ist nach h.L. ein materiell-rechtliches Problem.<br />
I. Eintretensfrage<br />
Von Amtes wegen und mit freier Kognition werden Eintretensvoraussetzungen geprüft.<br />
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II. Überprüfung von Erlassen 60<br />
Die Verfassungsmässigkeit eines allgemeinverbindlichen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle erfolgt<br />
mit freier Kognition.<br />
Eine Aufhebung erfolgt nur, wenn eine kantonale Norm sich einer verfassungs- oder konventionskonformen Auslegung<br />
entzieht, nicht aber wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist. Zudem spielt die Möglichkeit und<br />
Wahrscheinlichkeit, anlässlich einer konkreten Normenkontrolle gegen die Norm vorzugehen, eine Rolle.<br />
III. Überprüfung von Entscheiden<br />
Auslegung kantonaler Gesetze und Verordnungen<br />
Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigungen durch kantonale Behörden werden nur auf Willkür hin überprüft.<br />
Ebenso steht dem Bundesgericht bei der Anwendung und Auslegung des kantonalen Rechts nur eine Willkürprüfung<br />
zu; es hebt den angefochtenen Entscheid nur auf, wenn kantonale Vorschriften in unhaltbarer Weise ausgelegt und<br />
angewendet wurden.<br />
Es erfolgt jedoch eine freie Prüfung, ob die aus BV 29 ff. abgeleiteten Garantien eingehalten sind.<br />
Willkür liegt nicht vor, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar vorzuziehen wäre, sondern erst,<br />
wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm<br />
oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken<br />
zuwiderläuft.<br />
Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht ihn nicht abschliessend ordnet, sondern<br />
ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche<br />
Entscheidungsfreiheit einräumt. Soweit nicht die Handhabung von kantonalem oder eidgenössischem<br />
Verfassungsrecht zur Diskussion steht, erfolgt nur eine Willkürprüfung<br />
Eine freie Prüfung erfolgt jedoch bei<br />
Schweren Freiheitsbeschränkungen<br />
Öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit und gesetzliche Grundlage werden frei,<br />
Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigungen werden weiterhin nur auf Willkür geprüft.<br />
Stimmrechtsbeschwerde<br />
Das Bundesgericht überprüft alle kantonalen und kommunalen Normen frei, die den Inhalt des Stimm- und<br />
Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen.<br />
Auslegung und Anwendung des kantonalen Verfassungsrechts<br />
Auslegung dun Anwendung des kantonalen Verfassungsrechts wird frei überprüft.<br />
Verletzung von Konkordaten<br />
Konkordate und Staatsverträge werden frei überprüft, eine im Zusammenhang damit erhobene Willkürbeschwerde hat<br />
keine selbständige Bedeutung, BGE 115 Ia 214.<br />
Würdigung örtlicher Verhältnisse / technischer Fragen<br />
Die Frage, ob ein Grundrechtseingriff durch ein öffentliches Interesse gedeckt ist und ob dieses die privaten Interessen<br />
überwiege, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei.<br />
Doch auferlegt es sich Zurückhaltung, wenn die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt,<br />
welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken als das Bundesgericht, und soweit sich<br />
ausgesprochene Ermessensfragen stellen; selbst wenn ein Augenschein erfolgt ist.<br />
Tatfragen<br />
Soweit reine Sachverhaltsfeststellungen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das<br />
Bundesgericht – unabhängig davon, ob es sich um eine schweren oder leichten Eingriff handelt – nur ein, wenn die<br />
tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz willkürlich sind.<br />
60 Eine kantonale Regelung, die Strafgefangene zur Arbeit anhält, verstösst gegen Bundesrecht: StGB 39 Ziff. 3 I sieht die<br />
Arbeitspflicht nur subsidiär vor; wenn der Strafgefangene sich selbst keine Arbeit beschafft.<br />
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§ 8 – Beschwerdefrist und Beschwerdeschrift<br />
Seite 50 von 50<br />
I. Beschwerdefrist, OG 89<br />
Bei Erlassen erfolgt der Fristenlauf ab der nach kantonalem Recht massgeblichen Eröffnung oder Mitteilung des<br />
angefochtenen Hoheitsaktes. Bei Erlassen, welche dem fakultativen Referendum unterstehen ab der<br />
Bekanntmachung, dass der Erlass infolge unbenütztem Ablauf des Referendums zustande gekommen sei.<br />
Bei Verfügungen erfolgt der Fristenlauf für Dritte ab dem Zeitpunkt, ab dem sie von der Verfügung tatsächlich Kenntnis<br />
erhalten.<br />
II. Einlegestelle, OG 89 I und 32 IV OG<br />
III. Beschwerdeschrift, OG 90 I<br />
Sie muss die Anträge des Beschwerdeführers enthalten, OG 90 I lit. a.<br />
Ebenso eine kurze Begründung, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. Rechtssätze inwiefern verletzt sind, OG 90<br />
I lit. b. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen.<br />
Pauschale Vorbringen genügen nicht.<br />
IV. Noven<br />
Neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen sind grundsätzlich unzulässig, d.h. das Bundesgericht muss vom<br />
Sachverhalt ausgehen, wie er dem angefochtenen Entscheid zugrunde gelegt wurde, es sei denn, der Bf weise nach,<br />
dass die kantonale Instanz unrichtige oder unvollständige tatsächliche Feststellungen getroffen hat.<br />
Neue Tatsachen und Beweismittel können ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn diese im kantonalen<br />
Verfahren nicht von Bedeutung waren und deshalb nicht vorgetragen werden konnten. Nova sind ferner zulässig, wenn<br />
sie eine rechtlichen Gesichtspunkt betreffen, der erstmals im letztinstanzlichen kantonalen Entscheid aufgegriffen<br />
wurde. Schliesslich sind Nova zulässig bei staatsrechtlichen Beschwerde, die nicht die Erschöpfung des kantonalen<br />
Instanzenzuges voraussetzen.<br />
§ 9 – Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde<br />
I. Zuständige Abteilung<br />
Reglement für das Schweizerische Bundesgericht, Art. 12 I lit. a OG<br />
II. Instruktionsverfahren, OG 91<br />
III. Vernehmlassung, OG 93<br />
IV. Vorsorgliche Massnahmen, OG 94<br />
V. Beweisverfahren, OG 95<br />
VI. Beurteilung der Beschwerde<br />
a. Beschränkung auf den angefochtenen Hoheitsakt<br />
b. Beschränkung auf die gerügte Verfassungsverletzung 61<br />
VII. Besondere Verfahren, OG 36a und b<br />
Offensichtlich unzulässige, begründete oder unbegründete Rechtsmittel<br />
Zirkulationsweg bei Einstimmigkeit<br />
§ 10 – Das Urteil<br />
I. Nichteintreten<br />
II. Gutheissung oder Abweisung<br />
Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur; d.h. mit ihr kann nur die Aufhebung des<br />
angefochtenen Entscheides, nicht aber der Erlass positiver Anordnungen verlangt werden. Eine Ausnahme ist nur<br />
gerechtfertigt, wenn der verfassungsmässige Zustand nicht bereits mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheides<br />
herzustellen ist.<br />
§ 11 – Kosten, Vollzug, Revision<br />
I. Kosten, OG 149 ff.<br />
II. Vollzug, OG 39<br />
III. Revision, Erläuterung<br />
61 Der Unterschied zwischen der StaBe und der VGB besteht darin, dass bei der StaBe nur ausdrücklich erhobene und einer der<br />
strengen Anforderungen von OG 90 I lit. b genügenden Weise begründete Rügen geprüft werden, bei der VGB dagegen die<br />
Bundesrechtskonformität des Entscheides von Amtes wegen und ohne Bindung an die Beschwerdebegründung.<br />
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