Kiegsberichte Theodor Hepp - Europeana 1914-1918
Kiegsberichte Theodor Hepp - Europeana 1914-1918
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Der Grundfehler der Politik Wilhelms II war ja bekanntlich die Tatsache, im<br />
Gegensatz zu Bismarck das seitherige freundschaftliche oder mindestens<br />
korrekte Verhältnis zu England durch sein Krügertelegramm und ganz<br />
besonders seine Flottenpolitik so völlig zerstörte, dass England sich der<br />
Einkreisungspolitik unserer Nachbarn anschloss. Doch versuchte England noch<br />
einmal zu einer Verständigung mit uns zu kommen, indem es durch Lord<br />
Halden unserem Kaiser Vorschläge über die beiderseitigen Flottengrößen und<br />
unsere Kolonialpolitik unterbreiten ließ, die jedoch vom Kaiser abgelehnt<br />
wurden, womit die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgleich endgültig<br />
begraben wurde. Hierzu sei kurz ein interessantes persönliches Erlebnis<br />
eingeschaltet, das mir die nähere Bekanntschaft mit diesem Herrn und seinem<br />
damaligen Adjutanten Mr. Churchill vermittelte. Die beiden Herren waren<br />
vom Kaiser als Entschädigung für ihr ergebnisloses Bemühen zum Kaisermanöver<br />
eingeladen worden, das ich gemeinsam mit meinem Vetter<br />
Schirmer (damals noch Hauptmann bei der Artillerie Prüfungskommission in<br />
Berlin) in Zivil mitmachte, weil wir dabei in täglicher Verbindung mit einem<br />
Freund von ihm, dem Generalstabsoffizier 1A auf der Gegenseite vom Kaiser,<br />
über die höhere Führung von Truppen einiges lernen wollten. Wir bekamen<br />
nun von diesem Herrn jede Nacht den Situationsbericht, waren also dauernd<br />
eingehendst über die jeweilige Lage orientiert, wobei wir zufällig eines<br />
morgens in aller Frühe auf einem der besten Überblicke über das<br />
Manövergelände gewährenden höchsten Steinriegel auf die beiden<br />
Engländer stießen, denen ein deutscher Generalstabsoffizier beigegeben<br />
war, den Vetter Hermann Schirmer persönlich kannte. Nach gegenseitiger<br />
Vorstellung bemühten Sich diese Beiden fast nur um den Lord, während ich<br />
mich etwa 5 Stunden lang mit unserem ganz unbedeutend aussehenden,<br />
aber später so berühmt gewordenen Feind Winston Churchill unterhielt und<br />
ihm die sich gerade an diesem Tage hochdramatisch zuspitzende Situation<br />
erklärte, in dem von dem Führer, Generaloberst von Bock und Pollach mit 2<br />
Armeekorps die 3. des Kaisers von der Flanke her aufgerollt und größtenteils<br />
gefangen und kampfunfähig gemacht wurden. Selbstverständlich wurde er<br />
zum Dank dafür nachher sofort pensioniert.<br />
Doch nun zurück zu den Folgen der vergeblichen Bemühungen von Lord<br />
Haldan um eine Verständigung. Mit der Rückendeckung durch England<br />
wurde das russisch-französische Bündnis weiter gefestigt, sodass nach dem<br />
Besuch von Poincaré beim Zaren ganz intensiv gerüstet wurde. Es wurde<br />
unserem Generalstab sehr bald bekannt, das Russland seine sibirischen Korps<br />
an seine Westgrenze verlegte und das Eisenbahnnetz in Polen fieberhaft<br />
ausbaute und das Frankreich mit England ihre Meeres- und Flottenstärke in<br />
beschleunigtem Tempo vermehrten. Man hätte nun glauben müssen, dass<br />
bei dieser furchtbaren Bedrohung durch unsere 3 mächtigen Nachbarn auch<br />
für unser Deutsches Landheer alles nur Mögliche getan würde, um für die mit<br />
Sicherheit vorauszusehende kriegerische Auseinandersetzung genügend<br />
vorbereitet zu sein. Aber fast nichts geschah. Mit einem ganz unbegreiflichen,<br />
um nicht zu sagen sträflichen Leichtsinn des Kaisers und seiner ihm<br />
umgebenen Berater, wurden alle diese Warnungszeichen ignoriert und nicht<br />
nur das, der Kaiser schrieb zudem in unbegreiflicher Verblendung noch<br />
Kriegsberichte aus dem ersten Weltkrieg von <strong>Theodor</strong> <strong>Hepp</strong> Seite 4 von 45