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Die schöne Seiten

Es soll Menschen geben, die ihre Wohnzimmerwände mit falschen Buchrücken schmücken. Buchrücken, die in goldenen Lettern verkünden, dass man in den Büchern, die sie angeblich zieren, etwas über Madame Bovary, einen jungenWerther oder Zauberberge erfahre. Doch hinter den entzückenden Rücken klafft nichts als eine gähnende Leere aus billigem Karton. Viele würden sich eine solche Dreistigkeit wohl nie erlauben, schrecken jedoch nicht davor zurück, Bücher ins Regal zu stellen, in denen man tatsächlich blättern kann, deren Inhalt ihnen aber weitgehend unbekannt ist. Schliesslich kann, wer etwas auf sich hält, nicht ein ganzes Möbel mit Kristalltieren und Familienfotos füllen. Und vor der Leere des Regals fürchten sich mindestens so viele Menschen wie vor der Entdeckung ihrer

Es soll Menschen geben, die ihre Wohnzimmerwände mit falschen Buchrücken schmücken. Buchrücken, die in goldenen Lettern verkünden, dass man in den Büchern, die sie angeblich zieren, etwas über Madame Bovary, einen jungenWerther oder Zauberberge erfahre. Doch hinter den entzückenden Rücken klafft nichts als eine gähnende Leere aus billigem Karton. Viele würden sich eine solche Dreistigkeit wohl nie erlauben, schrecken jedoch nicht davor zurück, Bücher ins Regal zu stellen, in denen man tatsächlich blättern kann, deren Inhalt ihnen aber weitgehend unbekannt ist. Schliesslich kann, wer etwas auf sich hält, nicht ein ganzes Möbel mit Kristalltieren und Familienfotos füllen. Und vor der Leere des Regals fürchten sich mindestens so viele Menschen wie vor der Entdeckung ihrer

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Vonoben nach unten:<br />

Armband in Weissgold<br />

mit Brillanten.<br />

Ohrhänger<br />

in Weissgold mit<br />

Südsee-Zuchtperlen<br />

und Diamanten.<br />

Diverse Frauentypen<br />

werben für<br />

Christophe Graber:<br />

Lynn Kostner,<br />

Topmodel der<br />

achtziger Jahre,<br />

mit einem Collier<br />

aus Silberketten<br />

und Silberknospen<br />

mit Echsenprägung;<br />

Dame mit<br />

einem Weissgoldring<br />

mit Turmalin,<br />

Spinellen und<br />

Brillanten;<br />

Patrizia Guggenheim,<br />

Tochter des Schweizer<br />

Künstlers Varlin,<br />

mit Ohrhängern<br />

aus Ebenholz<br />

und grüner Jade.<br />

28 «z –die <strong>schöne</strong>n seiten» ausgabe 2/13<br />

▼<br />

Fortsetzung von Seite 27<br />

Kellner. Schliesslich erhält der junge<br />

Goldschmied eine gut bezahlteStelleals<br />

freischaffender Designer für Swatch: <strong>Die</strong><br />

limitierte Kollektion «Blow your time<br />

away» mit flauschigem gefärbtem Hasenfell,<br />

welches das Zifferblatt<br />

einfasst und es teilweise verdeckt,<br />

sorgt für Aufsehen<br />

und erzielt Jahre später<br />

an Auktionen vierstellige<br />

Beträge.<br />

1991 wird ein neues Ladenlokal<br />

an der Rämistrasse<br />

bezogen, und 1993 macht<br />

Christophe Graber erste Erfahrungen<br />

im Ausland: AufEinladung<br />

von Unicef präsentierterseine Entwürfe<br />

an einer VIP-Veranstaltung in<br />

den USA. Sie finden grossen Anklang,<br />

es entsteht eine Zusammenarbeit<br />

mit dem amerikanischen Luxuswarenhaus<br />

Neiman Marcus. Auch die internationale<br />

Presse wird auf ihn aufmerksam:<br />

An den Mailänder Modewochen<br />

ist er für einige Saisons mit einem<br />

Showroom präsent in einem prächtigen<br />

Palazzo an der Luxusmeile ViaMontenapoleone.<br />

Dort entdecken ihn bekannte<br />

Lifestyle-Journalisten wie Elsa<br />

Klensch von CNN oder Candy Pratts<br />

Price von der US-«Vogue», die augenblicklich<br />

Feuer und Flamme sind.<br />

Trotz steigendem Renommee und<br />

wachsendem Kundenkreis verzichtet<br />

Graber nach einigen Jahren auf die zeitraubenden<br />

Showroom-Präsentationen in<br />

Mailand und konzentriert sich auf die<br />

Schmuckkreation in Zürich. <strong>Die</strong> Inszenierung<br />

des Schmucks, von jeher ein<br />

wichtiger Aspekt für den Juwelier,findet<br />

in aufwendig produzierten Fotografien<br />

und Katalogen sowie in einem schlichten,<br />

jedoch edlen und stimmungsvollen<br />

Laden-Interieur im Salonstil eine eigene<br />

Sprache. Nur noch gelegentlich zeigt<br />

Christophe Graber seinen Schmuck im<br />

Ausland: in gezielten und sorgsam ausgewählten<br />

Veranstaltungen, wie etwa der<br />

Ausstellung im prächtigen Hôtel Marcel<br />

Dassault an den Pariser Champs-Elysées<br />

im Jahre 2009.<br />

KUNDEN AUS ALLER WELT<br />

2002 findet Graber in einem Geschäft<br />

an der Zürcher Fraumünsterstrasse eine<br />

neue, grössere Bleibe: In der beschaulichen<br />

<strong>Seiten</strong>strasse in unmittelbarer<br />

Nähe zum Paradeplatz fühlt er sich wohl.<br />

2010 wird ein Laden an der ViaMaistra<br />

in St.Moritz eröffnet. «Das Geschäft in<br />

St.Moritz ist aus dem Wunsch entstanden,<br />

zu expandieren und<br />

neue Kunden zu generieren,<br />

dabei aber<br />

dennoch unabhängig<br />

und selbständig zu<br />

bleiben. St. Moritz<br />

ist ideal. Während<br />

der Hochsaison reisen<br />

viele Leute aus Brasilien,<br />

Jordanien oder Istanbul<br />

an, darunter nicht<br />

nur das Klischee vom<br />

markenfixierten Jetset,<br />

sondern auch diskretere,<br />

kulturell interessierte Persönlichkeiten,<br />

die den Mut<br />

haben, etwas Gewagteres<br />

von einer weniger bekannten<br />

Markezutragen», so Graber.<br />

Seine Juwelen wirken im<br />

matten Weissgold, das Formen<br />

und Details bestens zur Geltung bringt,<br />

unscheinbarer als die funkelnden und<br />

glänzenden Kreationen berühmter Marken,<br />

sind jedoch oft aufwendiger konst-<br />

PORTRÄT<br />

ruiert. Jedes Stück ist auch auf der Rückseite<br />

sorgfältig ausgearbeitet und schön<br />

anzusehen, teilweise gar mit Steinen besetzt.<br />

Graber sagt: «Bei meinem Schmuck<br />

geht es nicht um sichtbaren Reichtum.<br />

Vielleicht ist es Ausdruck unserer Zeit,<br />

dass immer mehr Leute, die sich teure<br />

Schmuckstücke leisten können, sich<br />

nicht mit protzigen Kronjuwelen<br />

behängen möchten. Unsere Stücke<br />

kann man auch tragen, ohne viel<br />

Aufmerksamkeit zu erregen. Das<br />

ist unsere Nische, mittlerweile<br />

haben wir unsere Fans.»<br />

Fast jedes Graber-Stück ist<br />

unterdessen ein Unikat und<br />

wird von Hand gefertigt. Auf<br />

die Wahl der Edelsteine legt<br />

der Juwelier grossen Wert.<br />

Wasauf den ersten Blick wie<br />

ein Mondstein aussieht,<br />

stellt sich als ein Sternsaphir<br />

heraus; ein vermeintlicher<br />

Amethyst entpuppt<br />

sich als ein wertvoller Burma-Spinell.<br />

Gängige Steine wie<br />

etwa Aquamarin, Citrin oder Granat gehören<br />

nicht zu Grabers erster Wahl; es ist<br />

das Rare, das ihn fasziniert. Erst unter<br />

den präzisen Anweisungen des Schmuckmachers<br />

erhalten viele Steine ihren endgültigen<br />

Schliff.<br />

PHANTASTISCHE KREATIONEN<br />

Der einstige Einmannbetrieb ist heute<br />

zu einem Team mit fünf hochqualifizierten<br />

Goldschmieden geworden. Selbst<br />

legt der Meister in seiner Werkstatt in<br />

Zürich-West kaum noch Hand an, er ist<br />

jedoch in jeden Arbeitsschritt involviert.<br />

So eigentümlich seine Entwürfe auch<br />

sind, Christophe Graber sieht sich selber<br />

nicht als Künstler.Schliesslich sollen<br />

die Sachen tragbar sein. Nach ersten<br />

Zeichnungen wird im Atelier von Hand<br />

ein dreidimensionales Modell inWachs<br />

gefertigt. <strong>Die</strong> digitale 3-D-Technologie<br />

sei zwar sehr faszinierend und äusserst<br />

praktisch, doch gehe bei der Arbeit am<br />

Computer einiges an Kreativität verloren.<br />

<strong>Die</strong> Entstehung eines Schmuckstückes<br />

beschreibt der Schmuckdesigner<br />

als einen Problemlösungsprozess: «Am<br />

Anfang steht eine Idee, doch es gibt<br />

unzählige Wege, wie man zum Resultat<br />

kommt.»<br />

So entstehen phantastische Schmuckstücke<br />

wie zum Beispiel der faustgrosse<br />

Armreif in Gestalt einer Languste mit<br />

schimmernden Augen aus Chrysoberyll.<br />

Das rund 500 Gramm schwere Stück<br />

wurde aus unzähligen hohl gegossenen<br />

Einzelteilen zusammengesetzt. Derzeit<br />

wird an einem barocken Armschmuck<br />

von ähnlichen Ausmassen gearbeitet.<br />

Schon seit über einem halben Jahr tüftelt<br />

dasTeam daran, und dasObjekt verwandelt<br />

sich ständig: eine architektonische<br />

Konstruktion mit verschiedenen floralen<br />

Elementen und Ebenen, in die<br />

man teilweise hineinsieht.<br />

«Wir nehmen uns<br />

bei der Kreation grosse<br />

Freiheiten, auch bei Aufträgen.<br />

<strong>Die</strong> Fertigung<br />

eines Schmuckstückes<br />

dauert inder Regel mehrere<br />

Monate, gewisse Arbeiten<br />

gar ein Jahr. Ich<br />

will mich einfach nicht<br />

unter Druck setzen lassen.<br />

Doch als detailversessene<br />

Person muss ich mich irgendwann<br />

einmal zufriedengeben<br />

und sagen: ‹So,<br />

jetzt ist es aber genug!›»<br />

Kim Dang<br />

● www.christophegraber.com<br />

FOTOS: MATHIASZUPPIGER,STEFAN INDLEKOFER,HANS-RUEDI ROHRER,KATHARINA LÜTSCHER

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