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H. Keller (Hrsg.): Lehrbuch Entwicklungspsychologie

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Tabelle 1: Deskriptive Statistik (Auszug) für den Beispieldatensatz<br />

Anteil der Gesamtzeit angegeben. Solche<br />

Werte sind in den beiden rechten Spalten der<br />

Tabelle oben angegeben.<br />

Abbildung 1 legt nahe, daß Trösten vorwiegend<br />

im Zusammenhang mit Weinen/<br />

Quengeln auftritt. Solche Zusammenhänge<br />

testet man häufig über Korrelationen etwa<br />

der Gesamtdauer der Variablen. Das ist aber<br />

irreführend, da die kumulierten Parameter<br />

(wie Gesamtdauer vom Weinen/Quengeln<br />

und Trösten) auch bei hoher Korrelation<br />

nicht in zeitlichem Zusammenhang aufgetreten<br />

sein müssen. Daher ist es vorzuziehen,<br />

die tatsächliche zeitliche Überlappung zu berechnen,<br />

oder die bedingten Wahrscheinlichkeiten<br />

von Trösten während Weinen/Quengeln<br />

und während der restlichen Zeit miteinander<br />

zu vergleichen. Ein solches Vorgehen<br />

erlaubt es, Faktoren als quasi-experimentelle<br />

Bedingungen einzuführen, die ihrerseits Ergebnisse<br />

der Beobachtungstätigkeit selbst<br />

sind. In solchen Fällen sollte sich der Untersucher<br />

allerdings durch graphische Inspektion<br />

seiner Daten davon überzeugen, daß die<br />

zugrundegelegten Zustände auch hinreichend<br />

lange vorkommen. Proportionale Meßgrößen<br />

von seltenen Ereignissen ergeben zwangsläufig<br />

verzerrte und nicht aussagekräftige Daten.<br />

In ähnlicher Weise kann man einzelne Ereignisse<br />

als Kriterium verwenden, um beispielsweise<br />

in den auf eine Vokalisation folgenden<br />

zehn Sekunden nach der durchschnittlichen<br />

Häufigkeit einer Antwort zu suchen.<br />

Vergleicht man bedingte Wahrscheinlichkeiten<br />

für aufeinanderfolgende passend gewählte<br />

Zeitintervalle, so erhält man Zeitfunktionen.<br />

Solche Zeitfunktionen können bei<br />

einer Langzeitbeobachtung Tagesrhythmen<br />

aufzeigen, wie das in einer Untersuchung von<br />

Leyendecker, Lamb, Schölmerich und Fracasso<br />

(1995) gezeigt werden konnte.<br />

Beobachtungsmethoden und Auswertungsverfahren<br />

Subjekt: 9 Dateiname: K009u 220 Zeit: 13:35:09<br />

Code-Name Code Häufigkeit t(Aktiv) t(mittel t(std) t%(krit) F/min.<br />

K-quengelt 123 72 6300.00 87.50 88.76 19.45 0.1334<br />

K-schreit 124 22 1890.00 85.91 80.34 5.84 0.0408<br />

M-körpl.-trösten 252 49 4830.00 98.57 98.93 14.91 0.0908<br />

M-vokal/verbal-trösten 253 50 5310.00 106.20 116.14 16.39 0.0926<br />

trösten 254 56 5670.00 101.25 114.92 17.51 0.1037<br />

quengeln/schreien 125 71 7620.00 107.32 110.36 23.53 0.1315<br />

Findet man bei einer solchen Analyse<br />

deutliche, aber nicht erwartete Effekte über<br />

die Beobachtungszeit (Abnahme oder Zunahme),<br />

so kann dies einen Hinweis auf einen<br />

möglichen Einfluß der Beobachtung auf das<br />

Verhalten darstellen. Treten am Anfang einer<br />

Beobachtungsepisode besonders viele responsive<br />

Vokalisationen auf, gegen Ende aber nur<br />

noch wenige, kann das ein Hinweis auf den<br />

Versuch der beobachteten Person sein, einen<br />

besonders guten Eindruck zu erwecken.<br />

Unter Umständen erfolgt erst mit Gewöhnung<br />

an die Situation eine Reduzierung auf<br />

einen längerfristig stabilen Wert. Es ist in<br />

jedem Fall zu empfehlen, die Möglichkeiten<br />

der graphischen Darstellung von Beobachtungsdaten<br />

zu nutzen, bevor weitere Analysen<br />

durchgeführt werden.<br />

10. Statistische<br />

Weiterverarbeitung<br />

von Beobachtungsdaten<br />

Im Gegensatz zu anderen Untersuchungsformen<br />

liegen bei Beobachtungsstudien – wie<br />

übrigens auch generell bei Längsschnittstudien<br />

in der <strong>Entwicklungspsychologie</strong> (!) – mehrere<br />

sogenannte ‹Datenrecords› für jede Untersuchungsperson<br />

vor. Während man zum<br />

Beispiel in einem Interview alle Fragen ein<br />

einziges Mal stellt und diese Antworten den<br />

Datensatz darstellen, wird bei Beobachtungen<br />

typischerweise eine Vielzahl von identischen<br />

Ereignissen (in unserem Beispiel: Weinen des<br />

Kindes oder Trösten der Mutter) festgehalten.<br />

Diese Besonderheit, die man in der Statistik<br />

auch als ‹hierarchische Datenstruktur› bezeichnet,<br />

wird noch zusätzlich kompliziert durch<br />

die zweite Besonderheit von Beobachtungs-<br />

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