H. Keller (Hrsg.): Lehrbuch Entwicklungspsychologie
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dadurch zustande kommen, daß die Ngandu<br />
gelegentlich nicht trösten, wenn das<br />
Kind weint, und die Aka gelegentlich trösten,<br />
wenn das Kind nicht weint. Man muß<br />
hier beachten, daß bei diesen Analysen<br />
beide «Fehlerzellen» gleichen Einfluß auf<br />
die berechnete Stärke des Zusammenhangs<br />
haben.<br />
10.2 Zeitabhängige Analysen<br />
Der oben beschriebene Analyseweg läßt sich<br />
relativ einfach auf solche Analysen erweitern,<br />
in denen gezielt die zeitliche Struktur der Interaktionen<br />
untersucht werden soll. Bei dem<br />
hier vorgeschlagenen Verfahren handelt es<br />
sich um eine Neudefinition der relativ bekannten<br />
Lag-Analyse (Gottman, 1979; Gottman<br />
& Bakeman, 1979; Sackett, 1978, 1979,<br />
1987), um die es in der Vergangenheit einige<br />
Diskussion gegeben hat (Allison & Liker,<br />
1982; Budescu, 1984, 1985). Aus unserer<br />
Sicht stellt das Verfahren eine sehr attraktive<br />
Möglichkeit zur Analyse zeitlicher Kontingenzen<br />
dar. Unser Vorschlag umgeht zudem<br />
die technischen Probleme, die die Diskussion<br />
lange prägten.<br />
Um den vorne vorgeschlagenen Ansatz zu<br />
verstehen, ist es hilfreich, sich noch einmal<br />
Tabelle 2 zu vergegenwärtigen. Die gewöhnliche<br />
Kreuztabellierung dieser Daten (Tab. 3)<br />
erbrachte, daß zwischen dem Mutter- und<br />
dem Kindverhalten eine positive Kontingenz<br />
besteht, allerdings haben wir noch keine Informationen<br />
über den zeitlichen Ablauf der<br />
Interaktionen berücksichtigt. Zu erwarten<br />
wäre jedoch eine zeitliche Struktur, in der<br />
Tabelle 4: Lag-Tabelle Weinen und Trösten<br />
Beobachtungsmethoden und Auswertungsverfahren<br />
z.B. die Mutter das Kind tröstet, nachdem dieses<br />
zu weinen begonnen hat, d.h., daß das<br />
Verhalten des Kindes zeitlich vor dem Verhalten<br />
der Mutter auftritt.<br />
Um diese Kontingenz abzubilden, müssen<br />
wir die Zeit explizit in die Modellierung der<br />
Daten integrieren. Dies geschieht, indem die<br />
beiden Variablen, das Kindverhalten und das<br />
Mutterverhalten, nicht nur einmal in der<br />
Analyse verwendet werden, sondern zweimal<br />
– und zwar in zwei Zeiteinheiten, t und t+1.<br />
Bezeichnen wir nun das Kindverhalten mit K<br />
und das Mutterverhalten mit M, dann erhalten<br />
wir für jedes Verhalten zwei Variable, Kt<br />
und Kt+1 für das Kind und Mt sowie Mt+1 für<br />
die Mutter. Eher technisch ausgedrückt bezeichnet<br />
man das Verhalten der beiden Akteure<br />
zum Zeitpunkt t+1 als ‹lagged behavior›<br />
und diese Art der Datenanalyse als Lag-Analyse.<br />
Alle größeren Statistik-Programme (SPSS,<br />
BMDP, SAS, SYSTAT etc.) beinhalten eine<br />
Funktion, mit der solche ‹lagged variables› erzeugt<br />
werden können. Die ursprüngliche Datenmatrix<br />
wird dadurch um zwei Variablen<br />
ergänzt und sieht dann in unserem Beispiel<br />
exemplarisch so aus (Tab. 4).<br />
Hierbei beinhalten dann die Variablen Kt<br />
und Mt in der ersten Zeile das Verhalten beider<br />
Akteure zu Beginn der Beobachtung, Kt+1<br />
und Mt+1 dagegen das Verhalten in der vorhergehenden<br />
Sekunde. Am besten läßt sich<br />
dies in kondensierter tabellarischer Form so<br />
darstellen, daß alle Kombinationen des Mutterverhaltens<br />
zu beiden Zeiteinheiten z.B. für<br />
die Zeilen, alle Kombinationen des Kindverhaltens<br />
für die Spalten (oder umgekehrt) verwendet<br />
werden, so das sich die folgende Tabelle<br />
ergibt (Tab. 5).<br />
Sekunde Kt Mt Kt+1 Mt+1<br />
0 0 0<br />
1 1 0 0 0<br />
2 1 1 1 0<br />
3 1 1 1 1<br />
4 1 1 1 1<br />
5 0 1 1 1<br />
6 0 0 0 1<br />
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