Untitled - AG Rötenberg
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damaligen Settlerinnen für die Geschichte der Gemeinwesenarbeit ein Exempel statuierten.<br />
Ihr Bezug auf die Beziehung zwischen Arbeits- und Lebensbedingungen und<br />
die pädagogische und politische Einflussnahme darauf kann als größter Verdienst der<br />
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Frauen um Jane Addams gewertet werdenF F. Die wichtigsten Leitgedanken von Hull<br />
House stellten folgende Funktionen dar: „Erstens unmittelbare Hilfe und gleichzeitig<br />
Forschungsarbeiten als Grundlage für sozialpolitische Vorstöße, zweitens soziale und<br />
kulturelle Bildung und Kompetenztraining für ein Überleben und Zurechtfinden in einem<br />
gnadenlosen urbanen Kontext und als drittes: soziale Reform“ (Brieland zit. in<br />
Staub-Bernasconi 1994, 41). Für Jane Addams und die Frauen von Hull House gab es<br />
weder die strikte Trennung der sozialpädagogischen Felder in Kinder- und Jugendhilfe,<br />
Erwachsenenarbeit oder Kulturarbeit noch die künstliche Separation zwischen Sozialpädagogik<br />
und Sozialpolitik. Alle Angebote, die sie für Kinder und Jugendliche gestalteten,<br />
hatten letzten Endes nur das Ziel, das Leben der Erwachsenen, konkreter:<br />
das Leben der berufstätigen Frauen zu erleichtern. Für jede Gruppe (Immigranten,<br />
Kinder, Frauen, Erwachsene) gab es speziell zugeschnittene Angebote (vgl. Müller<br />
1991, 76). Mit diesem Fokus auf die Arbeiterinnen der Nachbarschaft kann von einem<br />
ersten geschlechtsspezifischen Konzept in der Sozialen Arbeit gesprochen werden.<br />
Für die Gründung von Hull House spielte neben Jane Addams eigener Biographie<br />
nicht zuletzt die Tatsache eine Rolle, dass es den Collegeabsolventinnen in dieser<br />
Zeit weder gestattet war, ein autonomes Leben von ihren Familien und Ehemännern<br />
zu führen, noch einen einflussreichen Beruf auszuüben. So lässt Jane Addams auch<br />
„keinen Zweifel daran, dass auch ganz persönliche Ziele eine Rolle spielten, ja dass<br />
Hull House letztendlich ein Selbsthilfeprojekt von gebildeten Frauen war, die endlich<br />
gesellschaftlich relevante Arbeit leisten wollten und dass diese Selbsthilfe – teilweise<br />
im Unterschied zu heute – Hilfe und Denken an andere mit einschloss“ (Staub-<br />
Bernasconi 1994, 41).<br />
Jane Addams politische Aktivitäten konzentrierten sich primär auf den Kinderschutz,<br />
8<br />
das Frauenwahlrecht sowie die internationale FriedensbewegungF F. Ihre soziale Friedens-<br />
und Gesellschaftspraxis wurde jedoch vom Großteil der männlichen Gesellschaft<br />
ignoriert und bekämpft. Staub-Bernasconi spricht in diesem Zusammenhang<br />
von einem „sanfte(n) Entschwinden einer Nobelpreisträgerin“ (Staub-Bernasconi 1995,<br />
7 Eine von Jane Addams nicht beabsichtigte Wirkung der Settlement-Arbeit war die Professionalisierung<br />
des Sozialarbeiterberufes. Noch zu Lebzeiten lehnte sie die damit einhergehende<br />
Spezialisierung, Individualisierung und im Besonderen die Entpolitisierung der Sozialen Arbeit<br />
entschieden ab (vgl. Eberhardt 1995, 182).<br />
8 Im Jahr 1915 wurde sie zur Präsidentin des Internationalen Friedenskongresses sowie des<br />
Internationalen Frauenbundes für Frieden und Freiheit, der sich im selben Jahr in Den Haag<br />
gründete (vgl. Müller 1991, 93).<br />
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