Untitled - AG Rötenberg
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4.4 Was bleibt: Widersprüche<br />
85<br />
In der Philosophie werden WidersprücheF<br />
F als die Wurzel aller Bewegung, als alles<br />
Lebendige überhaupt, gesehen. (vgl. Bitzan 1993, 263). Basierend auf diesem Grundverständnis<br />
können anhand von Widersprüchen gewünschte und gezielte Veränderungen<br />
bewirkt werden, vorausgesetzt, dem jeweiligen Handeln liegt ein bewusster und<br />
rationaler Umgang mit diesen zu Grunde. Betrachten wir unseren alltäglichen Umgang<br />
mit Widersprüchen, so kann in der Regel ein grundlegendes Streben nach einer Auflösung<br />
dieser festgestellt werden. Im Alltag stellt dieses Handlungsmuster einen meist<br />
notwendigen und bewussten Umgang dar, der im weiteren Sinne als eine produktive<br />
Handlung zur Durchsetzung eigener Interessen bezeichnet werden kann.<br />
Die zu Beginn dieser Arbeit beschriebenen weiblichen Lebenslagen (vgl. Kapitel 1.31.)<br />
können als ein Konglomerat an Widersprüchlichkeiten verstanden werden, das in der<br />
Geschlechterhierarchie sowie der individualisierten Gesellschaft seinen Niederschlag<br />
findet. Das Leben von Frauen kann daher faktisch als (privates) Arrangement in Widersprüchen<br />
bezeichnet werden. Die Schwierigkeit, die in den vorherrschenden Widersprüchlichkeiten<br />
der jeweiligen Frauenleben liegt, ist die, dass dieses Arrangement<br />
nicht wie gewohnt, aufgelöst werden kann. Denn jede Art von Entscheidung, die zu<br />
einer Auflösung der Grundproblematik führen könnte, jede Art von Befreiungsidee –<br />
„einseitig, defizitär, mit Verzicht, Unbehagen, Missachtung oder Einsamkeit behaftet“<br />
ist (Bitzan 1993, 263). Die Schwierigkeit kann daher in der „Uneindeutigkeit“ gesehen<br />
werden, denn je stärker sich frau mit ihrer traditionellen Rolle identifiziert, desto subjektloser<br />
wird sie durch die Sorge um andere. Durchbricht sie jedoch die „alten“ Vorstellungen<br />
von Weiblichkeit, umso mehr wird sie Sanktionen und Missachtung erfahren.<br />
Diese Paradoxie aufzudecken stellt einen bedeutenden „Entzauberungsmoment“<br />
86<br />
dar, der zugleich als Grundstein feministischerF<br />
F und in diesem Sinne auch aktivierender<br />
weiblicher GWA verstanden werden kann.<br />
85 „Widerspruch - Wechselwirkung zweier koexistierender Gegensätze, die einander bedingen,<br />
zugleich aber als Gegensätze einander ausschließen, die sich also untereinander im Verhältnis<br />
der Einheit und des Widerstreits, des ´Kampfes´ befinden…Während der logische Widerspruch<br />
nur in der Sphäre des Denkens existiert, ist der dialektische Widerspruch den Dingen, Prozessen,<br />
Systemen usw. der objektiven Realität selbst eigen und stellt die Quelle aller Bewegung,<br />
Veränderung und Entwicklung dar..“ (Buhr/Klaus 1976 zit. in Bitzan 1993, 262). Der Gedanke<br />
des Widerspruchs wurde zunächst durch Hegel und dann in der marxistischen Lehre vom dialektischen<br />
Materialismus ausformuliert (vgl. Bitzan 1993, 262).<br />
86 In Anlehnung an Bader u.a. wird „Feminismus“ in der vorliegen Arbeit als politisches Programm<br />
verstanden, das eine „Entzauberung“ strukturell bedingter Widerspruchsdimensionen<br />
und die Entwicklung eines kollektiven Selbstverständnisses von Frauen als kollektives Subjekt<br />
sowie die Befreiung aus männlichen Zuschreibungen bewirken soll, und damit untrennbar mit<br />
radikaler Herrschaftskritik verbunden ist (vgl. Bitzan 1993, 264).<br />
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