Untitled - AG Rötenberg
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Die Frauen äußerten beim JNZ vermehrt den Wunsch, ihr eigenes Geld verdienen zu<br />
wollen. Als mit Blick auf die spezifischen Stärken und Fähigkeiten der Frauen die Idee<br />
einer Ausbildung als Tagesmutter entstand, traten erhebliche Zweifel bei den Frauen<br />
auf. Der Großteil war in der Tradition der Großfamilie aufgewachsen und konnte mit<br />
dem Begriff „Tagesmutter“ rein gar nichts in Verbindung bringen. Die Kursleiterin beschrieb<br />
als eine der Hürden des Projektes, den Frauen den Sinn des Kurses verständlich<br />
zu machen. Hierbei spielte die Unterstützungsarbeit des JNZ eine große Rolle. In<br />
persönlichen Gesprächen, die durch das Vertrauensverhältnis der Mitarbeiterinnen des<br />
JNZ getragen wurden, konnte den Frauen die Gewissheit vermittelt werden, dass es<br />
primär um sie ginge und nicht um das Projekt an sich: sie würden die „Hauptdarstellerinnen“<br />
sein. Danach galt es in unzähligen Aufklärungsgesprächen, die Familien der<br />
Frauen, sowie die Ehemänner über das Projekt und die Inhalte zu informieren (vgl.<br />
Schwäbische Post, 08.02.2006).<br />
In Widersprüchen lebensweltorientiert zu arbeiten, bedeutet also auch, „immer in Bewegung<br />
zu bleiben“, sich nicht in scheinbar zutreffenden Bildern und Vorstellungen<br />
einrichten, um so die weibliche Lebensweise in ihren gesellschaftlichen Möglichkeitsrahmen<br />
der Produktion und Reproduktion zu verstehen und damit an den spezifischen<br />
Handlungsbedingungen für Frauen in sozialen Brennpunkten anzuknüpfen.<br />
Parteilichkeit:<br />
Die Ermöglichung des Projektes „Tagesmütter“ lag faktisch darin, die Frauen ins Zentrum<br />
der Aufmerksamkeit zu rücken. Dies setzte voraus, die spezifischen Realitäten der<br />
Frauen, ihr subjektives Erleben wahrzunehmen und mit Blick auf deren Auswirkungen<br />
zu interpretieren. Anhand dieses Vorgehens wird eine Haltung ersichtlich, die in feministischen<br />
Konzepten eine zentrale Vorraussetzung darstellt, die Parteilichkeit.<br />
Parteilichkeit kann definiert werden als eine „solidarische Grundhaltung, die Frauen<br />
und Mädchen ernst nimmt, ihnen Glauben schenkt, ihre Interessen als eigenständige<br />
und eigenlegitimierte akzeptiert und gezielt in den Vordergrund stellt. Parteilichkeit bedeutet,<br />
aufzuhören mit der Funktionalisierung von Frauen für die eigenen Interessen<br />
anderer und ihr Schicksal mit dem eigenen (als Frau) in Verbindung zu bringen. Parteilichkeit<br />
ist eine bewusste Entscheidung, sich auf Frauen zu beziehen“ (Bitzan 1993,<br />
268).<br />
Hinter dem Paradigma der Parteilichkeit steht die patriarchale Unterdrückung, von der<br />
im Grundsatz alle Frauen gleich betroffen sind. Somit kann Parteilichkeit als eine politische<br />
Haltung verstanden werden, in der sich alle Frauen gemeinsam gegen die Diskriminierung<br />
zur Wehr setzen, um ihren selbst bestimmten Raum in der Gesellschaft<br />
zurück zu erobern.<br />
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