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Erinnerungen eines ETA-Arbeiters - Museums-Gesellschaft Grenchen

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leuchtete mir sofort ein. Eines Tages, es war schwül und heiss, liess der Meister ein Fass Bier<br />

auf den Estrich befördern und ich musste da den Boten spielen und die Arbeiter einer um den<br />

andern beten, sich auf den Estrich zu begeben. Dies alles geschah, ohne dass die Frau<br />

Meisterin etwas davon merkte. Nach einem Zahltag - er fand nur alle Monate statt - waren die<br />

Arbeiter sehr unzuverlässig. Entweder kamen sie gar nicht oder dann in betrunkenem<br />

Zustande. So musste ich auch nicht erschienene Arbeiter zu Hause holen. Die Meisterin hatte<br />

alle erdenklichen Schimpfnamen, so zum Beispiel "der Liebel, der faule Süffelhund kommt<br />

auch nicht und die Arbeit pressiert doch so". Hatte ich diesen zur Stelle gebracht, so flattierte<br />

sie ihm mit den Worten: “Es ist doch schön, dass du kommst, Gottlieb!" Ein anderer, den ich<br />

holen musste, nahm sich die Sache nicht so zu Herzen. Als ich an dessen Wohntüre<br />

vergeblich anklopfte, machte ich schliesslich die Türe auf, lief durch die Stube und traf<br />

denselben auf dem Balkon nur mit Hemd und Hose bekleidet gemütlich an der Sonne sitzend<br />

und eine Pfeife rauchend an. Als ich ihm die Botschaft mitteilte, er solle sofort ins Atelier<br />

kommen, denn die Arbeit sei pressant, erwiderte er ganz gelassen "nein, jetzt kann ich nicht<br />

kommen. Habe Rheumatismus, muss daher ein Sonnenbad nehmen. Vielleicht komme ich am<br />

Nachmittag." Ob sich der Arbeiter auch am Nachmittag dem Sonnenbade widmete? Kurz und<br />

gut, derselbe ist aber am Nachmittag auch nicht erschienen.<br />

Wieder war ein Zahltag, da begab sich ein Arbeiter vor Feierabend wegen einer wichtigen<br />

Angelegenheit fort, wie er sagte. Als derselbe nicht mehr erschien, da wetterte und schimpfte<br />

die Meisterin nach Noten. Da sagte ein anderer Arbeiter, er wisse schon, wo sich dieser<br />

aufhalte. Er wolle ihm schon Beine machen und ihn holen und flugs war auch dieser<br />

verschwunden. Dass jetzt die Meisterin fest glaubte, der erste Arbeiter werde vom andern<br />

sofort zur Stelle gebracht, so hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Auch der zweite<br />

Arbeiter blieb verschwunden. Da riss dem Vorarbeiter, der nebst der besseren Arbeit, wo man<br />

einigermassen nicht im Schmutz stand und die Büroarbeiten besorgte, die Geduld. Diesen<br />

zweien will ich den Meister zeigen, zog die Blouse über den Kopf und ging auf und davon. Nun<br />

atmete die Meisterin erleichtert auf und wartete und wartete. Es vergingen Stunden und kein<br />

Vorarbeiter mitsamt den weggelaufenen Arbeitern liessen sich blicken. Endlich, kurz vor<br />

Feierabend kam der Vorarbeiter, aber ohne die andern zwei und in welcher Verfassung: total<br />

betrunken! Diese Angelegenheit nahm ein jähes Ende, indem der Vorarbeiter sofort entlassen<br />

wurde. Dieser Vorarbeiter war sonst ein solider, stiller Mann und ich konnte gar nicht<br />

begreifen, dass dieser sich so plötzlich der Trunksucht ergeben konnte. Zum Besorgen der<br />

Büroarbeiten wurde ein Fräulein angestellt, doch die Büroarbeiten nahmen nicht so viel Zeit in<br />

Anspruch und nun musste sie auch die Kommissionen machen, denn an einer Maschine zu<br />

arbeiten schickte sich nicht für so ein Fräulein und so musste ich in den sauren Apfel beissen<br />

und auf einen Stuhl sitzen von 7 Uhr mogens bis 7 Uhr abends mit einer Stunde Unterbruch

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