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Erinnerungen eines ETA-Arbeiters - Museums-Gesellschaft Grenchen

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Mag mich noch gut an <strong>Grenchen</strong> zu meiner Jugendzeit erinnern. Die Strohhütten waren bis auf<br />

zwei schon längst verschwunden. Dafür standen etliche Wohnhäuser mit Scheunen und<br />

Stallanbau, wo nebst der Fabrikarbeit die Landwirtschaft allerdings nur in beschränktem Masse<br />

betrieben wurde. Wenn die Eltern ihrer Arbeit nachgehen mussten, so war ich während dieser<br />

Zeit bei meinen Grosseltern an der Bachstrasse oder auch alte Bahnhofstrasse genannt. Der<br />

Grosseltern Wohnort war ein altes Bauernhaus mit einer alten gewölbten Rauchküche. Das<br />

Kamin fehlte, der Rauch musste sich seinen Weg selber suchen. Im pechschwarzen Gewölbe<br />

hängten die Bauern von ihrer Metzg Speckseiten, Hammen und Laffli auf zum Beräuchern.<br />

Alle Gegenstände wie Küchenschaft, Tisch, Kaffeemühle nahmen allmählich einen<br />

tiefschwarzen Farbton an. Am Abend, wenn die Grossmutter mit dem Zubereiten des<br />

Nachtessens beschäftigt war, wurde die Umgebung des Feuerherdes durch ein winzigkl<strong>eines</strong><br />

Oellämpchen notdürftig erhellt.<br />

Wenn der Rauchqualm sich nicht verziehen wollte, musste die Grossmutter öfters ins Freie<br />

fliehen und die Augen abtrocknen. "Es wird wieder anderes Wetter geben, dass der Rauch<br />

nirgends hin will", sagte sie. Auf der andern Seite der Küche wohnte eine Familie Vinzens<br />

Schild aus Staad, welche vorher auf dem Berg eine Sennhütte gepachtet hatte. Die Familie<br />

bestand aus Vater, Mutter, 3 Töchtern und einem Sohn. Zwei ältere Söhne waren schon vor<br />

etlichen Jahren nach Amerika ausgewandert, wo sie sich als Käser anwarben. Durch ihre<br />

Tüchtigkeit und strebsamen Fleiss hatten sie mit der Zeit so viel Geld erübrigt, dass sie eine<br />

Farm kaufen konnten. Es ging gar nicht lange, so bereiteten sich die Eltern, von ihren Töchtern<br />

unterstützt, auf die bevorstehende Reise übers Meer vor. Der Vater zeigte auf einer Karte den<br />

Kurs den das Schiff einschlagen werde und so merkte ich 5jähriger Knirps, dass da etwas<br />

wichtiges gespielt wurde. Kisten und Kasten wurden vollgestopft und die Mutter wollte es<br />

einfach nicht anders, alles musste mitgenommen werden, denn an jedem Stück klebte eine<br />

liebe Erinnerung an die Heimat. Schliesslich war alles so weit gediehen, dass der gesamte<br />

verpackte Hausrat in den bereitstehenden Bahnwagen verladen werden konnte. Am Vorabend<br />

gab es noch eine Abschiedsfeier im "Ochsen", wo es noch so recht nach Grenchnerart<br />

gemütlich zuging. Am folgenden Tag begleitete eine grosse Menge Leute die Amerika<br />

Auswanderer nach dem Bahnhof. Auf allen Gesichtern war Traurigkeit und Wehmut<br />

abzulesen. Als der Zug sich dem Bahnhof näherte, stimmten die Mädchen der scheidenden<br />

Familie das bekannte Lied von Silcher an: "Morgen muss ich fort von hier und muss Abschied<br />

nehmen...". Aller Augen füllten sich mit Tränen. Indessen war der Zug schon lange<br />

abfahrtsbereit und wartete nur noch auf die Amerikafahrer. Als das Lied zu Ende war wurde<br />

eingestiegen. Ein Pfiff der Lokomotive und der Zug setzte sich in Bewegung; noch ein letztes<br />

Winken und eine liebe Familie war uns für immer den Augen entrissen. Da ich noch ziemlich<br />

jung war, konnte ich die Sache noch gar nicht recht begreifen. Erst als ich die öde leere

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