EZB-Zinssenkung - GELD-Magazin
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TARGET-SALDEN WISSEN<br />
Target-Salden als Falle im Euro-System<br />
Die Euro-Länder können über die Zentralbanken Forderungen und Verbindlichkeiten untereinander ausgleichen.<br />
Die <strong>EZB</strong> fungiert dabei als Clearingstelle mit Verrechnungskonten. Bei Krisenländern ist ein negativer<br />
Saldo entstanden, den sie den Überschussländern schulden. Das Volumen ist inzwischen ein Problem.<br />
Wolfgang Freisleben<br />
In Europa geistert immer wieder ein nebuloser<br />
Begriff durch den Blätterwald:<br />
Die Target2-Salden. Er betrifft jene Salden<br />
in der zweiten Generation des Trans-European<br />
Automated Real-time Gross Settlement<br />
Express Transfer Systems (TARGET),<br />
die die Verrechnung der Zentralbanken im<br />
Euro-Raum untereinander transparent<br />
machen.<br />
Wenn aus einem Land Zentralbankgeld<br />
in ein anderes Land überwiesen wird, entstehen<br />
Verbindlichkeiten und Forderungen<br />
gegenüber der Europäischen Zentralbank<br />
(<strong>EZB</strong>), die als Clearingstelle mit dem täglichen<br />
Abrechnungszeitpunkt 24 Uhr fungiert.<br />
Bei der belasteten Notenbank entsteht<br />
ein negativer TARGET2-Saldo als Verbindlichkeit<br />
gegenüber der <strong>EZB</strong> und bei der<br />
empfangenden Notenbank entsteht ein positiver<br />
TARGET2-Saldo als Forderung gegenüber<br />
der <strong>EZB</strong>.<br />
Das Ausmaß dieser Verrechnung wird<br />
von Ökonomen seit Ausbruch der Finanzkrise<br />
kritisch beäugt. Denn der private Kapitalzufluss<br />
in europäische Krisenländer<br />
verwandelte sich in einen Kapitalabfluss.<br />
Die GIPS-Länder – also Griechenland, Irland,<br />
Portugal und Spanien – haben bis zum<br />
Ende des Jahres 2010 für rund 340 Milliarden<br />
Euro verzinsliche Target-Verbindlichkeiten<br />
gegen die <strong>EZB</strong> angesammelt. Diese<br />
Verbindlichkeiten sind im Wesentlichen<br />
seit der zweiten Jahreshälfte 2007 entstanden,<br />
als der Interbankenmarkt das erste Mal<br />
zusammengebrochen war.<br />
Die dadurch entstandenen Verschiebungen<br />
wurden zunächst nicht erkannt,<br />
weil es von der <strong>EZB</strong> bis heute keine zusammenfassende<br />
Statistik zu den Target-Salden<br />
gibt. Diese werden erst aus den Bilanzen der<br />
nationalen Notenbanken und Daten des<br />
IWF berechnet. Ende 2010 wies die Statistik<br />
der Deutschen Bundesbank bereits Forderungen<br />
an andere Notenbanken in der Höhe<br />
von mehr als 300 Milliarden Euro auf. Bis<br />
Februar 2011 erhöhten sich diese Target-<br />
Forderungen gegen die <strong>EZB</strong> auf 321 Milliarden<br />
Euro. Mit anderen Worten: Die Bundesbank<br />
war bereits direkt Großgläubiger<br />
der <strong>EZB</strong>, indirekt natürlich jener Länder,<br />
die einen negativen Target-Saldo gegenüber<br />
der <strong>EZB</strong> hatten.<br />
VIER LÄNDER ALS GLÄUBIGER DER<br />
ÜBRIGEN 13<br />
Im Februar 2013 wiesen nur Deutschland,<br />
Luxemburg, die Niederlande und<br />
Finnland einen positiven Target-Saldo als<br />
Gläubiger aus – und zwar 880,37 Milliarden<br />
Euro. Österreich (mit 40,56 Milliarden),<br />
Griechenland, Zypern, Portugal und die übrigen<br />
der 17 Euro-Länder waren Netto-<br />
Schuldner mit insgesamt 918,26 Milliarden<br />
Euro.<br />
2012 gab es eine nächste Welle der Kapitalflucht<br />
in Europa, die an steigenden TAR-<br />
GET2-Salden und zunehmender Refinanzierung<br />
der Banken bei den Notenbanken<br />
zu erkennen war. Die Fluchtgelder blähten<br />
das Volumen der Refinanzierungskredite<br />
zur eigenen Geldversorgung in den europäischen<br />
Krisenländern bis auf 866 Milliarden<br />
Euro im Mai 2012 auf. Die Zentralbanken<br />
mussten also de facto die Kapitalversorgung<br />
der Geschäftsbanken übernehmen, konnten<br />
dies aber nur durch Gelddrucken. Die<br />
Target-Kredite stellten somit die offiziellen<br />
Rettungskredite in den Schatten. Solange<br />
die Währungsunion erhalten bleibt, ist das<br />
kein Problem. Doch sobald ein Land austritt<br />
oder die Eurozone überhaupt zerfällt,<br />
sitzen die Gläubiger-Zentralbanken in der<br />
Falle. Sie müssten sich an der Europäischen<br />
Zentralbank (<strong>EZB</strong>) schadlos halten, die aber<br />
lediglich mit 31 Milliarden Eigenkapital<br />
ausgestattet ist.<br />
Das <strong>EZB</strong>-System gibt den Krisenländern<br />
also eine Kreditkarte mit einem unbegrenzten<br />
Überziehungskredit in die Hand.<br />
Die Möglichkeit, sich Güter und Vermögenswerte<br />
in anderen Ländern auf Pump zu<br />
besorgen, indem man einfach nur bei der<br />
<strong>EZB</strong> anschreiben lässt, erzeugt eine verhängnisvolle<br />
Pfadabhängigkeit der Politik,<br />
die in jeder Krise zu neuen Konzessionen<br />
gegenüber den Krisenländern zwingt.<br />
MAI 2013 – <strong>GELD</strong>-MAGAZIN ° 25