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Anwaltsblatt 1998/02 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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..<br />

österr. Vergaberecht ,,vor dem<br />

EuGH"<br />

Die Grundlagen des Vergaberechts in Österreich sind rechtlich<br />

sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene geregelt. Kon-<br />

trolle und Rechtsschutz werden für den Bundesbereich gemäß<br />

dem Bundesvergabegesetz durch die Bundes-Vergabekontroll-<br />

kornmission als Schlichtungsinstanz und das Bundesvergabe-<br />

amt als Nachprüfungsinstanz wahrgenommen. Das Bundes-<br />

vergabeamt ist eine Kollegialbehörde mit richterlichem Ein-<br />

schlag gemäß Art 133 Z 4 B-VG und entspricht den Qualifikationen<br />

(Tribunalbegriff) nach Art 6 EMRK bzw Art 177 EGV.<br />

Der Verfassungsgerichtshof stellte wiederholt fest, daß das<br />

Bundesvergabeamt ein vorlagepflichtiges Gericht iSd Art 177<br />

EGV ist (so VfGH 11. 12. 1995, B 2300/95-18 und VfGH<br />

26. 6. 1997, B 3486/96-10).<br />

Auf Landesebene obliegt der Rechtsschutz im Vergabewesen<br />

den jeweiligen Landesvergabekontrollbehörden. Die diesbe-<br />

züglichen Regelungen sind unterschiedlich (Unabhängige Ver-<br />

waltungssenate in Niederösterreich, Burgenland und Kärnten,<br />

Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag in Wien, Tirol<br />

und Vorarlberg, durch besondere Landesverfassungsbestim-<br />

mungen weisungsfrei gestellte Landesbehörden als Nachprü-<br />

fungsorgane in Salzburg und Steiermark, Landesregierung<br />

und Unabhängiger Verwaltungssenat als Nachprüfungsorgan<br />

in Oberösterreich). Im Zusammenhang mit den Anforderungen<br />

der , Rechtsmittelrichtlinie" (RL 92/13/EWG) wurden auch<br />

schon von zwei Landesvergabekontrollbehörden Vorabent-<br />

scheidungsersuchen vorgelegt (Firma Köllensperger GmbH<br />

ua/Gemeindeverband Bezirkskrankenhaus Schwaz, Rs C-<br />

103/97 und Hospital Ingenieure Krankenhausplanungs-<br />

GmbH/landeskrankenhausanstalten-Betriebsgesellschaft, Rs<br />

C-258/97): da die , Rechtsmittelrichtlinie" in ihrer einschlägigen<br />

Vorschrift über die Anforderungen des Art 177 EGV<br />

hinausgeht, erscheint in diesem Zusammenhang der Richter-<br />

begriff klärungsbedürftig (der Verfassungsgerichtshof vertritt<br />

iedenfalls die Meinung, daß auf die Qualifikation des Richters<br />

im nationalen Recht verwiesen ist, VfGH 12. 6. 1996, B 24771<br />

95-14).<br />

in seinem bisher vierten Urteil in einem , österreichischen"<br />

Vorabentscheidungsverfahren beantwortete der EuGH erst-<br />

mals ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesvergabeamtes<br />

(Rs C-44/96, Mannesmann Anlagenbau-Austria AG/<br />

Strohal Rotationsdruck GmbH, Urteil vom 15. I. i 998): Im<br />

Rahmen eines die österreichische Staatsdruckerei involvieren-<br />

den Nachprüfungsverfahrens erschienen Inhalt und Grenzen<br />

der RL 93/37/EWG zur Koordinierung des Verfahrens zur<br />

Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABI L 199/1993,54) sowie<br />

der Begriff des ,,öffentlichen Auftraggebers'' auslegungsbedürftig<br />

:<br />

Der EuGH hielt grundsätzlich fest, daß eine Einrichtung des<br />

öffentlichen Rechts iSd Richtlinie eine Einrichtung ist, die zu<br />

dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse<br />

liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher<br />

.Art sind, die Rechtspersönlichkeit besitzt und eng mit dem<br />

Staat, Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des<br />

öffentlichen Rechts verbunden ist. Er beiaht das Vorliegen<br />

sämtlicher drei Tatbestandsmerkmale und stellt zudem fest,<br />

daß der Umstand, daß die Erfüllung von im Allgemeininteresse<br />

liegenden Aufgaben tatsächlich nur einen relativ geringen Teil<br />

der Tätigkeiten der Staatsdruckerei ausmache, keine Rolle<br />

spiele, solange sie weiterhin die Aufgaben wahrnehme, die sie<br />

als besondere Pflicht zu erfüllen habe. Der EuGH qualifiziert<br />

die Staatsdruckerei daher als Einrichtung des öffentlichen<br />

Rechts iSd Richtlinie und unterstreicht zudem, daß die Richtlinie<br />

nicht zwischen öffentlichen Bauauftrügen, die ein öffentlicher<br />

Auftraggeber vergibt, um seine im Allgemeininteresse<br />

liegenden Aufgaben zu erfüllen und Aufträgen, die in keinem<br />

Zusammenhang mit diesen Aufgaben stehen, unterscheidet.<br />

(Für die Gesamttätigkeit einer Einrichtung wie der Staatsdrukkerei<br />

war nach österreichischer Auffassung der Teil ihrer<br />

Tätigkeiten bestimmend, den sie zur Erfüllung gewerblicher<br />

Aufgaben ausübt.) Die Staatsdruckerei ist somit öffentlicher<br />

Auftraggeber iSd Richtlinie und die von dieser Einrichtung<br />

vergebenen Bauaufträge sind unabhängig von ihrem Wesen<br />

als öffentliche Bauaufträge iSd Richtlinie anzusehen. Nach<br />

Dafürhalten des EuGH kann ein Unternehmen allerdings nicht<br />

bereits dann als öffentlicher Auftraggeber betrachtet werden,<br />

wenn es von einem öffentlichen Auftraggeber gegründet wurde<br />

oder seine Tätigkeiten mit Geldmitteln finanziert werden,<br />

die aus Tätigkeiten eines öffentlichen Auftraggebers fließen.<br />

Ein Vertrag, der die in der Richtlinie genannten Voraussetzungen<br />

erfüllt, verliert seine Eigenschaft als öffentlicher Bauauftrag<br />

jedoch nicht allein dadurch, daß der öffentliche Auftraggeber<br />

seine Rechte und Pflichten auf ein Unternehmen überträgt,<br />

das kein solcher Auftraggeber ist. Anderes gelte nur,<br />

wenn das betreffende Vorhaben nachweislich von Anfang an<br />

in vollem Umfange dem Gesellschaftszweck des fraglichen<br />

Unternehmers entsprechen .würde und die Bauaufträge für<br />

dieses Vorhaben vom öffentlichen Auftraggeber nachweislich<br />

für Rechnung dieses Unternehmens vergeben wurden (die<br />

Prüfung obliegt dem nationalen Gericht).<br />

Dieses Urteil des EuGH ist das erste in einer Reihe seitens des<br />

Bundesvergabeamtes bzw von Landesvergabekontrollbehörden<br />

vorgelegter Vorabentscheidungsersuchen, die vielfach<br />

Fragen des Rechtsschutzes im Vergaberecht betreffen.<br />

Christine Stix-Hackl<br />

AnwB/ <strong>1998</strong>/2<br />

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