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Gärten auf Reisen<br />
Bertram Weisshaar<br />
In jeder Stadt findet man sie: kleine Baustellen, gleichsam temporäre Besetzungen<br />
des öffentlichen Raumes, die scheinbar über Nacht entstehen und nach<br />
wenigen Tagen bereits wieder verschwinden, auf dem Weg zu einem anderen<br />
Ort. Die Gruppe alias – Atelier für Spaziergangsforschung 1 fragte sich, ob so<br />
auch Gärten gebaut werden könnten. Sie dachte an Gärten, die reisen können<br />
und die wie Flaneure durch die Straßen vagabundierend den städtischen Raum<br />
auf seine mögliche Eignung als Gartenort untersuchen. Eine promenadologische<br />
Versuchsanordnung also.<br />
Wichtige Elemente dieser Forschungseinrichtung<br />
bildeten drei mobile Gärten und<br />
ein Bauwagen. Letzterer diente als Gartensalon,<br />
-bibliothek und -leihstation. Die Gartenmobile<br />
selbst bestanden aus umgerüsteten<br />
Einkaufswagen, verschiedenen Topfpflanzen<br />
und einer kuriosen Ansammlung mehr oder<br />
weniger sinnvoller Accessoires. Passanten<br />
konnten sich für den japanischen Garten,<br />
den Rosengarten oder den Kuriositätengarten<br />
entscheiden, diesen borgen und mit ihm<br />
auf der Suche nach einem temporären Gartenort<br />
die Stadt durchkämmen. 2<br />
Die Gärten kamen also in Bewegung. Und<br />
hier und dort entstand für jeweils kurze Zeit<br />
ein Garten: auf vermeintlich belanglosen<br />
Grün flächen, an vergessenen, unbewussten<br />
Orten am Straßenrand, in kleinen abgelegenen<br />
Winkeln im Gehwegbereich oder auf<br />
Baulücken – überraschende Gartenorte. Das<br />
kurzzeitige Auftauchen und wieder Verschwinden<br />
eines improvisierten Gartens an<br />
einem zuvor nicht für möglich gehaltenen<br />
Ort interpretiert das Gewohnte um. Das Alltägliche<br />
wird bedeutungsvoll und poetisch.<br />
Auch wenn an den ausgewählten Örtlichkeiten<br />
keinerlei Veränderungen erfolgten, so<br />
bleibt doch die Poesie, die geweckt wurde.<br />
Auch die sonst übliche Distanz zwischen<br />
Akteur und Rezipient, hier also zwischen<br />
Stadtgärtner und Stadtgartennutzer, wird<br />
bei einem solchen Experiment aufgelöst.<br />
Denkbar wurden Modelle, die die traditionellen<br />
Vorstellungen zu Stadtgärtnerei aufbrechen.<br />
Schon sahen wir öffentliche Grünflächen<br />
in der festen Hand experimenteller<br />
Gärtner. Wir stellten Fragen. Was autorisiert<br />
den Stadtgärtner? Könnte nicht auch jeder<br />
Städter auf öffentlichen Flächen gärtnern?<br />
Wer bestimmt, wie viel Garten ist genug für<br />
eine Stadt? Wir zogen los und suchten nach<br />
Antworten.<br />
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