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[ Der nachfolgende Text entstand 2011 unmittelbar im Nachgang<br />
des Kolloquiums und wurde erstmals veröffentlicht auf dem<br />
Webblog spaziergangswissenschaft.de ]<br />
Bertram Weisshaar: Für euch scheint sowohl das Thema Tourismus<br />
als auch die kritische Auseinandersetzung mit der Stadt<br />
Stuttgart wichtig. Was reizt euch dabei? Warum spielt Tourismus<br />
für euch eine solche Rolle?<br />
Kaspar Wimberley: Nach mehreren Jahren, in denen wir als nomadische<br />
Künstler in der Rolle des Besuchers und außenstehenden<br />
Beobachters praktizierten, suchten wir die Herausforderung, in<br />
der Stadt zu arbeiten, in der wir leben. Uns interessierte, was Tourismus<br />
in Stuttgart bedeutet und wie wir eine Möglichkeit finden<br />
könnten, die bestehenden Hierarchien zu unterlaufen und einen<br />
Dialog über die (potenzielle) Rolle des Tourismus und des Touristen<br />
zu entwickeln. Mich interessiert vor allem, wie Tourismus<br />
soziale und kulturelle Zustände reflektiert – sowohl die des Urlaubsziels<br />
als auch die des Herkunftsortes des Reisenden – und<br />
wie Tourismus präsentiert, verpackt, vermittelt und konsumiert<br />
wird. Wie werden unsere Erwartungen und Eindrücke dadurch beeinflusst?<br />
Kunst des Spazierenführens<br />
Arttours im Spannungsfeld von Kunstpraxis und Tourismusmarketing<br />
Bertram Weisshaar, Kaspar Wimberley<br />
Bei dem TALK WALKs Kolloquium in Leipzig berichtete Kaspar Wimberley von<br />
den Projekten und Stadtspaziergängen, die er gemeinsam mit Susanne Kudielka<br />
unter dem Label Arttours in Stuttgart vermittelt und kuratiert. Sie selbst beschreiben<br />
die Arttours als alternative Stadtführungen durch Stuttgart, die von Künstlern<br />
aus den verschiedensten Sparten entwickelt werden. Die Touren geben den<br />
Besuchern die Möglichkeit, die Stadt neu zu entdecken, zu definieren und zu<br />
verstehen. Während einige Künstler die Tour auf Ihre eigene subjektive Wahrnehmung<br />
zurückführen, ermöglichen andere Führungen ihren Teilnehmern die<br />
Stadt selbst zu erkunden. Die traditionellen Erwartungen einer Stadtführung sollen<br />
so erweitert und teilweise umgekehrt werden.<br />
BW: Bleiben wir zunächst bei dem „offiziellen Bild“ der Stadt Stuttgart,<br />
wie es beispielsweise durch die Stuttgart Marketing GmbH<br />
verbreitet wird. Durchaus erfolgreich übrigens – Stuttgart gehört<br />
zu den zehn am meisten besuchten Städten Deutschlands. Man<br />
könnte also fragen: Was stört euch an dieser Bild-Vermittlung?<br />
KW: Zunächst ist Stuttgart die achtgrößte Stadt Deutschlands und<br />
die Mehrzahl der Besucher sind Geschäftsreisende. Doch uns stört,<br />
dass die Stadt zum Unternehmer wird und dass das Bild der Stadt<br />
und deren Erkundung zu einem Produkt erklärt wird. Das Unternehmen<br />
Stuttgart Marketing GmbH und der Verband Region Stuttgart<br />
präsentierten beispielsweise im Jahr 2008 das Video Stuttgart<br />
- Enjoy the city (www.youtube.com/watch?v=vrMkFCStOew) und<br />
vermittelten darin ein ganz bestimmtes Bild der Stadt. Bei denjenigen,<br />
die Stuttgart nicht kennen, entstehen konkrete Erwartungen,<br />
für Stuttgart-Kenner hingegen ist das Video eher fragwürdig.<br />
Anders als in dem Video suggeriert wird, besteht diese Stadt natürlich<br />
nicht nur aus Glanz und Glamour, Weinbergen, Hochkultur<br />
und Automobilindustrie. Vergleicht man das Video mit Werbefilmen<br />
anderer deutscher Städte, stellt es doch eine Ausnahme dar<br />
und erinnert eher an den Trailer von Dubai. Welche Auswirkung<br />
hat ein solcher Trailer und solches Werbematerial auf das Erlebnis,<br />
die Wahrnehmung und die Entscheidungen eines Besuchers?<br />
Wenn ein Erlebnis, in diesem Fall eine Stadt, vermarktet wird, wird<br />
das reale Erlebnis möglicherweise reduziert oder ersetzt durch<br />
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