NATURFREUNDiN - NaturFreunde Deutschlands
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KALENDERBLATT<br />
I Dieser aztekische Kalender oder<br />
Sonnenstein steht in Mexico City.<br />
Kalenderweisheit<br />
Wie Sonne, Mond und Papst Gregor unserem Leben Rhythmus geben<br />
bWas, schon wieder Weihnachten? Ging<br />
dieses Jahr nicht schneller rum als das vorige?<br />
Was früher Tage, Stunden oder Wochen dauerte,<br />
ist heute oft in Sekunden erledigt. Aber wir<br />
haben trotzdem nicht mehr Zeit zur Verfügung.<br />
Durch Uhr und Kalender lassen wir uns stärker<br />
unter Zeitdruck setzen als frühere Generationen.<br />
Die Messung von Zeit und ihre Einteilung in<br />
ein festes System sind eine wesentliche Voraussetzung<br />
für Geschichte, ebenso wie für die Organisation<br />
und die Planung unseres Lebens,<br />
zum Beispiel in der Landwirtschaft. Deshalb finden<br />
sich frühe Zeitbeobachtungen bereits in der<br />
Steinzeit, etwa im englischen Stonehenge und<br />
Hochkulturen wie in Ägypten oder Mesopotamien<br />
verfügten bereits über ausgefeilte Kalendersysteme.<br />
Schon früh nutzten die Menschen<br />
Astronomie, um ihre Zeitrechnung zu organisieren<br />
und den Jahreslauf kultisch zu feiern.<br />
Um die Zeit zu bestimmen, war es nötig, ein<br />
System mit regelmäßigen Rhythmen zu finden,<br />
das für jedermann sicht- und begreifbar war. Diese<br />
Anforderungen erfüllten am besten die astronomischen<br />
Erscheinungen, etwa der Tag, der<br />
durch die Drehung der Erde erzeugt wird, oder<br />
die Mondphasen. Der Umlauf der Erde um die<br />
Sonne sorgt in unseren Breiten für ausgeprägte<br />
Jahreszeiten und es dauert etwa 365 Tage, bis<br />
sich die Erde einmal komplett um die Sonne bewegt<br />
hat.<br />
Wie lange ein Jahr dauert ist dadurch festgelegt,<br />
aber leider nicht, wann es anfängt. Bis ins<br />
Mittelalter gab es deshalb ganz unterschiedliche<br />
Jahresanfänge. Am weitesten verbreitet war lange<br />
der 25. Dezember, aber auch am 1. oder 25.<br />
März, am 1. September und am Ostertag konnte<br />
ein neues Jahr beginnen.<br />
Für Historiker, die genaue Daten für geschichtliche<br />
Ereignisse feststellen wollen, macht<br />
das die Arbeit schwerer. Für Kalendervergleiche<br />
benutzen sie deshalb geologische oder astronomische<br />
Ereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche<br />
oder Sonnen- und Mondfinsternisse. Richtig<br />
schwierig wurde die ganze Sache im 17. Jahrhundert.<br />
Protestantische Länder wie England oder<br />
Schweden boykottierten noch jahrzehntelang<br />
die Gregorianische Kalenderreform, da sie ein<br />
katholischer Papst eingeführt hatte.<br />
Dabei war diese Reform, die im Jahr 1582<br />
endlich verwirklicht werden konnte, längst überfällig.<br />
Schließlich war der von Julius Cäsar 45 vor<br />
Christus eingeführte Kalender im Laufe der Zeit<br />
den Jahreszeiten immer mehr hinterher gehinkt.<br />
Diese Verschiebung entstand, weil Cäsar von einer<br />
Jahreslänge von genau 365,25 Tagen ausgegangenen<br />
war. Den in jedem Jahr „übrigen“ Viertel-Tag<br />
glich er durch einen Schalttag in jedem<br />
vierten Jahr aus. Leider war die julianische Zeitberechnung<br />
aber zu ungenau. Jeder Umlauf der<br />
Erde um die Sonne war in Wirklichkeit etwa 11<br />
Minuten kürzer als es der julianische Kalender<br />
berechnete. Im 16. Jahrhundert betrug die Differenz<br />
zwischen Kalender und Erdumlauf bereits<br />
zehn Tage.<br />
Die Gregorianische Reform sollte Ostern wieder<br />
auf seinen astronomisch festgelegten Platz<br />
bringen und den Frühlingsanfang auf den 21.<br />
März. Das erreichten die Reformer, indem sie<br />
zehn volle Tage in der Kalenderrechnung ausfallen<br />
ließen. Zusätzlich ergänzten sie die bishe-<br />
NATURFREUNDE AKTIV<br />
rige Schaltregel so, dass alle hundert Jahre kein<br />
Schaltjahr stattfinden sollte, mit einer Ausnahme<br />
nach jeweils 400 Jahren.<br />
Dieser Kalender setzte sich bis ins 19. Jahrhundert<br />
schließlich weltweit durch, auch in<br />
nicht-christlichen Ländern. Eine der wenigen<br />
Gesellschaften, die ihn nicht benutzen, sind die<br />
muslimischen Länder. Der Islam verwendet noch<br />
heute einen Mondkalender, dessen Jahr nur 354<br />
Tage hat. Er beginnt seine Zeitrechnung mit der<br />
Hedschra, der Flucht des Propheten Mohammed<br />
im Jahr 622 christlicher Zeitrechnung.<br />
Auf den Mond lässt sich in unserer Zeitrechnung<br />
vermutlich nur noch die Einteilung der Sieben-Tage-Woche<br />
zurückführen. Ein Rhythmus,<br />
der bereits aus dem babylonischen Kalender bekannt<br />
ist und den mancher Kalenderkundler auf<br />
die Existenz von sieben damals bekannten Himmelkörpern<br />
zurückführen: Sonne, Mond, Mars,<br />
Merkur, Jupiter Venus und Saturn. In unserer<br />
Tagesbenennung lässt sich das noch am Sonntag<br />
und am Montag erkennen, im Englischen<br />
hört man es besonders gut beim Saturday, dem<br />
Samstag. Und was hat das mit dem Mond zu<br />
tun? Es könnte sein, dass die Sieben-Tage-Einteilung<br />
aus dem Mondmonat von etwa 29 Tagen<br />
entstanden ist. Jede der vier Phasen des Mondes,<br />
Neumond, zunehmender Mond, Vollmond und<br />
abnehmender Mond, ist etwa sieben Tage lang.<br />
Fixiert hat die Sieben schließlich die Bibel: „Und<br />
am siebten Tage ruhte Gott aus.“<br />
Der letzte große Versuch, ein Jahr ganz anders<br />
einzuteilen, scheiterte im 19. Jahrhundert:<br />
Der Kalender der Französischen Revolution, in<br />
dem jede Woche zehn Tage hatte, setzte sich<br />
nicht durch.<br />
Und heute? Wir brauchen neue Schaltsekunden.<br />
Denn seit wir die Sekunde auf atomarer Basis<br />
messen, wird offenkundig, dass unsere Erde<br />
manchmal etwas unregelmäßig rotiert. Ein Tag<br />
hat so nicht immer ganz genau 86.400 Sekunden.<br />
Und damit keine Unstimmigkeiten auftreten,<br />
fügen die Astronomen deshalb am Ende<br />
mancher Jahre eine Sekunde ein. Oder sie lassen<br />
eine weg. c SIGRID FRANK-ESSLINGER<br />
4-2006 <strong>NATURFREUNDiN</strong> SEITE 25