6.ZT_Dezember_2012.pdf
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Persönlichkeitsentwicklung<br />
im 21. Jahrhundert<br />
Ich oder Selbst?<br />
(Integrations-)Gedanken zu Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung<br />
im 21. Jahrhundert<br />
Wer war ich?<br />
Wer bin ich?<br />
Wer will ich sein?<br />
Diese Fragen gelten als anthropologische Konstanten, um Dasein<br />
und Leben des Einzelnen wie ganzer Nationen und Kulturen<br />
zu verstehen.<br />
Erkenne Dich selbst?<br />
Selbsterkenntnis ist allerdings<br />
ein gewagtes<br />
Unternehmen, deren<br />
Ausgang schwierig<br />
und unabsehbar ist: wen sollen und<br />
können wir überhaupt erkennen?<br />
Wir glauben, uns selbst gut zu kennen.<br />
Doch die Psychologie der letzten<br />
Jahre hat diese Überzeugung als<br />
großen Irrtum entlarvt: Wenn es um<br />
unsere Eigenschaften und Kompetenzen<br />
geht, überschätzen wir uns<br />
meist erheblich.<br />
Wir müssen in unserem Dasein<br />
hundert- und tausendfach wichtige,<br />
weitreichende Dinge entscheiden,<br />
die unsere Zukunft und letztlich<br />
unser Lebensglück bestimmen: beispielsweise<br />
über Schule oder Schulfächer,<br />
Hobbies, Beruf, Wohnort,<br />
Freunde oder Lebenspartner.<br />
Wie wir uns in all diesen Fragen entscheiden,<br />
wird von unserem Selbstbild<br />
beeinflusst – also davon, wie<br />
wir unsere Talente und Schwächen<br />
einschätzen, wie gut wir unsere Fähigkeiten<br />
und unseren Charakter<br />
kennen. Dabei ist tiefe Selbsterkenntnis<br />
absolut wichtig: was kann<br />
ich?, was will ich?, wer bin ich? –<br />
was tut mir gut?<br />
Allerdings sieht es mit der Selbsterkenntnis<br />
insgesamt weniger gut<br />
aus. In den letzten Jahren haben<br />
Psychologen wichtige Lebens- oder<br />
Berufsentscheidungen genauer untersucht,<br />
verallgemeinerbares Resultat:<br />
Nur ausnahmsweise wissen<br />
Menschen über sich wirklich<br />
Bescheid: „Wir sind geradezu mit<br />
Blindheit geschlagen, wenn es um<br />
unsere Begabungen geht, um unsere<br />
psychischen und geistigen Fähigkeiten,<br />
um unsere Beliebtheit oder<br />
moralischen Qualitäten“, kommentiert<br />
Psychologe Heiko Ernst die<br />
Befundlage.<br />
Das eigentliche Grundproblem liegt<br />
für Entscheidungs- und Selbsterkenntnisforscher<br />
wie David Dunning<br />
in einer allgemeinen Neigung<br />
zur Selbstüberschätzung zusammen<br />
mit einem überzogenen Optimismus<br />
und der Illusion der Überdurchschnittlichkeit.<br />
So glauben<br />
beispielsweise über 80 Prozent der<br />
Autofahrer, dass sie im Strassenverkehr<br />
zu den besten fünf (!) Prozent<br />
zählen, fast drei von vier Selbstständigen<br />
der „Ich-AGs“ sind schon<br />
kurzfristig gescheitert, über 70<br />
Prozent der Studenten halten sich<br />
für ausgesprochen „führungsbegt“<br />
– nur zwei Prozent haben von sich<br />
eine andere Einschätzung –, 95 Prozent<br />
aller Professoren meinen, „weit<br />
Überdurchschnittliches“ zu leisten.<br />
Die Ergebnisse dieser und hunderter<br />
anderer Studien der letzten Jahre<br />
sind so eindeutig, dass sie die Psychologen<br />
nicht etwa mit persönlicher<br />
Eitelkeit erklären, sondern von<br />
einem psychischen „Systemfehler“<br />
Zukunft-Training 12/2011 43