6.ZT_Dezember_2012.pdf
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CHARAKTER<br />
&<br />
PERSÖNLICHKEIT<br />
„Nur wer sich selbst kennt, weiß was er anderen zumutet!“<br />
Wenn Prof.Hennig<br />
in seinem<br />
kurzen Beitrag<br />
zu den biologischen<br />
Grundlagen<br />
der Persönlichkeit schreibt, dass<br />
sich mit dem Begriff der Persönlichkeit<br />
zahlreiche Fragen verbinden,<br />
die nach wie vor von großem<br />
Interesse für letztlich jeden von uns<br />
sind, dann trifft dies um so mehr für<br />
das breite Angebot der publikumswirksamen<br />
Persönlichkeits-Analysen<br />
zu, die allzu oft, vermutlich aus<br />
Begeisterung für das eigene Produkt,<br />
als „einzigartig“ dargestellt<br />
werden und für sich beanspruchen<br />
„Persönlichkeit“umfassend zu beschreiben.<br />
Unabhängig von testtheoretischen<br />
Zweifeln die sich bei dem einen<br />
oder anderen Analysetool schon<br />
beim ersten Anschauen aufdrängen,<br />
kann aus Sicht des Personalentwicklers<br />
oder Trainers die Möglichkeit,<br />
durch verschiedene Fenster auf<br />
die vermutlich einzigartige Signatur<br />
der Persönlichkeit von Mitarbeitern<br />
oder Bewerbern schauen zu können,<br />
als durchweg zielführend und<br />
erfolgsversprechend interpretiert<br />
werden.<br />
Aus Sicht meiner Erfahrungen kann<br />
ich den parallelen Einsatz von Motivanalysen,<br />
Denk-und Verhaltensstiltools,<br />
Werteanalysen und vielem<br />
mehr nur empfehlen, wenn es darum<br />
geht, die vielen Facetten einer<br />
Persönlichkeit zu erfassen. (siehe<br />
auch Artikel zum Thema „onboarding“<br />
in der letzten ZT).<br />
Relativ neue und letztlich doch<br />
„alte“ Wege geht jetzt die Positive<br />
Psychologie und stellt einen „fast<br />
vergessenen Hauptdarsteller“ (Huber)<br />
in den Mittelpunkt der Betrachtung:<br />
den Charakter.<br />
Charakterstärken und Tugenden<br />
sind demnach Kerncharakteristiken<br />
des menschlichen Funktionierens.<br />
Moralphilosophen und religiöse<br />
Denker haben im Laufe der Geschichte<br />
verschiedene Tugenden<br />
vorgeschlagen, denen ein universeller<br />
(allgemeingültiger) Charakter<br />
zugeschrieben wird (vgl. Dahlsgaard,<br />
Peterson & Seligman, 2005;<br />
McCullough & Snyder, 2000).<br />
Charaktertypen bezeichnen schon<br />
seit der Antike in vielfältigen Beschreibungen<br />
und Festlegungen<br />
die Ausprägungen der unterschiedlichen<br />
Persönlichkeitsstärken von<br />
Menschen. Sie versuchen,- mit aus<br />
heutiger wissenschaftlicher Sicht<br />
abenteuerlich anmutende Vermutungen-<br />
Eigenschaften von Individuen<br />
einem bestimmten Typus<br />
zuzuordnen und dabei vor allem angeborene<br />
Eigenschaften der körperlichen<br />
und seelischen Verfassung zu<br />
beschreiben.<br />
In veraltetem Gebrauch findet sich<br />
für Typen von Charakteren auch das<br />
Wort Gemüt bzw. Gemütsart.<br />
Was heute als Lehre der Charaktertypen<br />
bezeichnet werden könnte,<br />
war in der Antike Gegenstand<br />
der sogenannten Naturphilosophie.<br />
Die Humoralpathologie der Hippokratiker<br />
aufbauend auf der Vier-<br />
Elemente-Lehre des Empedokles<br />
unterscheidet zwischen vier verschiedenen<br />
Charaktere, die begrifflich<br />
heute durchaus noch umgangssprachlich<br />
zur Beschreibung des<br />
Gemüts eines Mernschen verwendet<br />
werden: den Melancholiker, Choleriker,<br />
Sanguiniker und Phlegmatiker<br />
Diese Typologie durch Galenos fixiert,<br />
können wir auch bei Kant und<br />
Wilhelm Wundt wiederfinden. Von<br />
dem griechischen Naturphilosophen<br />
Theophrastos (3. Jahrhundert<br />
v. Chr.) stammt eine anschauliche<br />
Zukunft-Training 12/2011 53