Der Partizipationsmythos - Otto Brenner Shop
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DAS PARTIZIPATIONSVERSPRECHEN<br />
4. Das Partizipationsversprechen<br />
4.1. Soziale Medien zwischen<br />
Partizipation und Einbahnstraße<br />
<strong>Der</strong> Mythos: Was soziale Medien<br />
leisten sollen<br />
Die Entstehung des Mythos: Was die Literatur<br />
sagt. Seit Bertolt Brechts Radiotheorie wird<br />
fast jedes neues Medium euphorisch als Heilsbringer<br />
begrüßt, der mit besseren Kommunikations-<br />
und Partizipationsmöglichkeiten endlich<br />
das Demokratisierungsversprechen einlösen<br />
könne (vgl. Brecht 1967, Bd. 18: 134). Das war<br />
beim Internet nicht anders. Von Beginn an war<br />
es mit partizipatorischen Erwartungen verbunden<br />
(vgl. Emmer/Bräuer 2010: 311). So argumentieren<br />
Euphoriker, dass das Internet im<br />
Sinne von Habermas’ deliberativer Politik Prinzipien<br />
wie Zugangs- und Chancengleichheit der<br />
Diskursteilnehmer, Problematisierbarkeit aller<br />
Themen sowie den prinzipiellen Einbezug<br />
des Publikums und somit eine ideale Kommunikationssituation<br />
ermögliche (vgl. Thimm et al.<br />
2012: 295; Habermas 1962). Bereits beim Web<br />
1.0 sah man einen solchen Weg von der „Zuschauer-<br />
zur Beteiligungsdemokratie“ (Leggewie/Maar<br />
1998) voraus. Schlagworte wie Politik<br />
2.0, Demokratie 2.0, Medien 2.0 (vgl. Witte/<br />
Rautenberg/Auer 2010: 241) verwiesen darauf,<br />
dass die Anwendungsmöglichkeiten der sozialen<br />
Medien perfekt zu den kommunikativen<br />
Funktionen in der Politik passen (vgl. Witte/<br />
Rautenberg/Auer 2010: 241 f.). Das „Mitmachnetz“<br />
(Fisch/Gscheidle 2008: 356), so die Euphoriker,<br />
könne damit strukturelle Defizite der<br />
Demokratie wie Elitenbildung lösen helfen.<br />
Beispiele wie das GuttenPlag-Wiki oder<br />
die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe<br />
2008 und 2012 scheinen diese euphorische<br />
Haltung zu bestärken (vgl. Ritzi et al. 2012:<br />
3). Diese positiven Einschätzungen werden von<br />
einigen Nutzer-Befragungen zur Online-Partizipation<br />
gestützt. Ritzi et al. (2012: 23) sprechen<br />
von mehr als 80 Prozent junger Erwachsener,<br />
die sich im Internet mindestens schon<br />
einmal engagiert haben.<br />
Zunächst wollen wir grundsätzliche Fragen<br />
stellen: Wozu können das Internet allgemein<br />
und insbesondere die sozialen Medien im politischen<br />
Kontext genutzt werden? In der Regel<br />
unterscheidet man aus der Nutzerperspektive<br />
zwischen politischer Information, politischer<br />
Interaktion bzw. Kommunikation und politischer<br />
Partizipation (vgl. Hoecker 2002; Emmer/<br />
Wolling 2010: 38): Bürgerinnen und Bürger informieren<br />
sich über Politik, kommunizieren<br />
über Politik und wollen sich an politischen Entscheidungen<br />
beteiligen. Es wird schnell deutlich,<br />
dass soziale Medien und hier insbesondere<br />
ein soziales Netzwerk wie Facebook in<br />
hohem Maße geeignet zu sein scheinen, alle<br />
drei Nutzungsformen zu ermöglichen. Konkret<br />
können Verbände diese drei Nutzungsformen<br />
mit ihrem Facebook-Profil wie folgt bedienen:<br />
Sie können den Nutzern auf ihren Facebook-<br />
Profilen Informationen zu relevanten Themen<br />
bereitstellen.<br />
Sie können mit Mitgliedern, Unterstützern,<br />
Kritikern etc. auf ihrem Facebook-Profil diskutieren,<br />
aber auch Diskussionen zwischen<br />
Nutzern ermöglichen.<br />
Radiotheorie 10.0?<br />
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