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LehrerInnenbildung<br />

lage dafür sind die sich rasant verkürzenden<br />

Halbwertzeiten des Wissens,<br />

die das Modell einer vorbereitenden<br />

Aus-Bildung schon längst<br />

haben obsolet werden lassen. Zu offensichtlich<br />

ist die Fragwürdigkeit<br />

einer Vermittlung von Kenntnissen,<br />

die häufig bereits nach drei Jahren<br />

in wesentlichen Teilen veraltet oder<br />

gar obsolet sind. Und auch die prognostischen<br />

Bildungsbedarfsstudien<br />

der letzten Jahre haben uns eigentlich<br />

immer wieder bloß gezeigt, wie<br />

wenig wir im Grunde genommen<br />

darüber wissen, wie die Arbeitsplätze<br />

und Lebenssituationen beschaffen<br />

sein werden, für die wir die nachwachsende<br />

Generation vorzubereiten<br />

versuchen. Aus diesem Prognosedefizit<br />

der Bedarfsforschung wurde<br />

in der beruflichen Bildung die<br />

Konsequenz gezogen, sich immer<br />

stärker auf die Förderung von Selbstlern-<br />

sowie Sozial- und Methodenkompetenzen<br />

zu beziehen und nicht<br />

alle Anstrengungen auf das<br />

Hinterhereilen hinter den sich wandelnden<br />

Bedarfslagen der betrieblichen<br />

Praxis zu konzentrieren.<br />

Sicherlich kann man vermuten, dass<br />

z.B. in der Lehrerausbildung die<br />

Halbwertzeiten des Wissens sich<br />

weniger dramatisch verkürzen als in<br />

den technologienahen Bereichen beruflicher<br />

Praxis. Gleichwohl zeigt ein<br />

Blick in die jüngeren lern- und<br />

schultheoretischen Debatten, dass<br />

auch hier vieles nicht mehr gilt. So<br />

hat die neuere lerntheoretische Forschung<br />

die Zweifel an der Effektivität<br />

und Nachhaltigkeit der vorherrschenden<br />

Methodenpraxis in unseren<br />

Schulen deutlich genährt und<br />

das Verständnis für den Sachverhalt<br />

geschärft, dass Kompetenzbildung<br />

bei Lernern nur gelingt, wenn die<br />

systematische Förderung ihrer<br />

Selbsterschließungsstrategien zur<br />

zentralen Intention schulischen Unterrichts<br />

wird, welcher zudem reichhaltig<br />

arrangierte Lernumgebungen<br />

zu präsentieren habe, in denen Wissen<br />

durch die Subjekte selbsttätig<br />

angeeignet und Problemlösungshandeln<br />

systematisch geübt werden können.<br />

Damit verbunden ist eine<br />

grundlegender Rollenwandel der<br />

Lehrenden, welche sich von linearen<br />

Vorstellungen einer Vermittelbarkeit<br />

von Inhalten lösen und zu Ermöglichern<br />

vernetzter Lernkontexte<br />

wandeln müssen, in denen auch die<br />

Nutzung multimedialer Möglichkeiten<br />

eine wichtige Lernressource<br />

darstellt (vgl. Arnold/Schüßler<br />

2003). Die Bildungspraxis der Zukunft<br />

wird - nach allem, was wir<br />

derzeit absehen können - kaum noch<br />

etwas mit der frontalunterrichtlichen<br />

Wissensmast, dem überflüssigen<br />

Lehren und den linearen Lehr-<br />

Lernkurzschlüssen früherer und<br />

heutiger Zeiten gemeinsam haben 2 ,<br />

weshalb man mit Recht die Frage<br />

stellen darf, ob ein dominanter Bezug<br />

auf die heutige Praxis wirklich<br />

geeignet ist, auf diese gewandelte<br />

Praxis der Zukunft vorzubereiten.<br />

„Theorie ohne Praxis ist<br />

leer - Praxis ohne Theorie<br />

ist blind!“<br />

Die augenblickliche Praxisbezugs-<br />

Euphorie geht mehr oder weniger<br />

unverhohlen mit einem antitheoretischen<br />

Affekt einher. Ausdruck findet<br />

dieser u.a. in einer Kritik der<br />

„praxisfernen Ausbildung“ an den<br />

Universitäten und wissenschaftlichen<br />

Hochschulen. Zwar lässt sich<br />

nicht leugnen, dass manche Borniertheit<br />

der Praxis ihr Pendant in<br />

einer praxisabstinenten oder gar arroganten<br />

Wissenschaft findet, doch<br />

ist vor simplifizierenden Schwarz-<br />

Weiß-Zeichnungen zu warnen.<br />

Denn so, wie es die wissenschaftlich<br />

informierten Bemühungen mancher<br />

Kollegien in den Schulen gibt, in<br />

Kooperation mit Universitätspädagogen<br />

die Lernkultur ihrer Schulen<br />

zu innovieren und sich dabei auch<br />

mutig von außen betrachten zu lassen,<br />

so gibt es auch die Universitätsvertreter,<br />

die sich in ihrem Bemühen,<br />

den wissenschaftlichen Blick<br />

auf die Praxis bei ihren Studierenden<br />

zu entwickeln, von konkreten<br />

Problem- und Fragestellungen der<br />

Bildungswirklichkeit leiten lassen<br />

(vgl. u.a. Müller 1997) und dieses<br />

ebenfalls evaluieren und dokumentieren<br />

- beide frei nach dem Motto<br />

„Aus Fehlern lernen!“.<br />

Solche Schnittmengen, die größer<br />

sind, als das bisweilen klingt, gilt es<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold, Lehrstuhl für Pädagogik (insbesondere<br />

Berufs- und Erwachsenenpädagogik) und Leitung des Zentrums<br />

für Fernstudium und Universitäre Weiterbildung an<br />

der Universität Kaiserslautern. Neuere Veröffentlichungen:<br />

Schulpädagogik kompakt. Berlin 2002 (mit H. Pätzold);<br />

Humanistische Pädagogik. Emotionale Bildung nach Erich<br />

Fromm. Frankfurt 2003.<br />

noch deutlicher in den Blick zu rücken.<br />

So könnte die vereinseitigende<br />

Rhetorik, wie die des „Nun vergesst<br />

mal schön...!“ überwunden<br />

werden und sich ein Verständnis entwickeln,<br />

dass den unterschiedlichen<br />

Handlungslogiken von Praxis und<br />

Wissenschaft Rechnung zu tragen<br />

vermag. Beide dienen nämlich -<br />

strukturell notwendig! - unterschiedlichen<br />

Zwecken, wie u.a. die wissenssoziologische<br />

und erziehungswissenschaftlichen<br />

Professionalitätsdebatten<br />

deutlich herausgearbeitet haben<br />

(vgl. Bommes u.a. 1996; Dewe<br />

1991; Combe/ Helsper 1996). Während<br />

es der Wissenschaft darum zu<br />

tun ist, komplexitätsangemessene<br />

Sichtweisen zu entwickeln und die<br />

Bewusstheit der Systemik und Konstruiertheit<br />

sozialer Kontexte zu stärken,<br />

weshalb „die kritische Analyse<br />

bis ins Detail“ des Gegebenen und<br />

das „Probedenken in anderen Köpfen“<br />

ihre wesentlichen Verfahren<br />

sind, folgen Praxis und praktische<br />

Ausbildung (z.B. in der LehrerInnenausbildung)<br />

notwendig einer anderen<br />

Handlungslogik: Ihr Ziel kann<br />

und darf es nicht sein, komplexitätserweiternd<br />

zu wirken. Es geht vielmehr<br />

um Vereindeutigung, Komplexitätsreduktion<br />

sowie um die unmittelbare<br />

Anwendung und Erprobung<br />

in Gestaltungskontexten.<br />

Die Professionalitätsdebatte hat<br />

deutlich gezeigt, dass die Professio-<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 6 /2003<br />

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