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„Fällige“ Praxisrelevanz<br />

Möglichkeiten einer Fallorientierung in der Lehrerbildung<br />

- Von Hennig Pätzold -<br />

Pädagoginnen und Pädagogen, die tagtäglich in der Praxis des Lehrens und<br />

Erziehens stehen, haben es jedes Mal aufs Neue mit einzigartigen Situationen<br />

zu tun, die in dieser Form noch nie da gewesen sind. Gleichzeitig gleichen<br />

sich viele Situationen in gewissen Punkten, es gibt „typische“ Fälle, die<br />

man schon kennt oder zu kennen glaubt.<br />

Solche Situationen werden nicht<br />

nach ihrer Einzigartigkeit beurteilt<br />

und behandelt, sondern danach, was<br />

sie mit bekannten, zum Beispiel früher<br />

erlebten Situationen gemein haben.<br />

Hier greifen dann Routinen, es<br />

laufen sogenannte Skripts (Kaiser<br />

2001: 138ff) ab.<br />

Nun stellt sich natürlich die Frage,<br />

inwieweit man auf einzigartige Situationen<br />

mit standardisierten Antworten<br />

reagieren kann - wobei<br />

allerdings ein Skript auch nicht als<br />

ein völlig starr ablaufendes Ritual<br />

verstanden werden darf, vielmehr<br />

bestimmt es eine Art von „Korridor<br />

von Möglichkeiten“, innerhalb dessen<br />

eine Anpassung an die jeweilige<br />

Situation möglich ist. So mag man<br />

auf eine Verständnisfrage eines Schülers<br />

routiniert mit entsprechenden<br />

Antworten reagieren, dennoch kann<br />

die Antwort in der Ausführlichkeit,<br />

dem Ton und vielem anderen situationsspezifisch<br />

variieren. Noch wichtiger<br />

ist allerdings die Möglichkeit,<br />

aus dem Skript „aussteigen“ zu können,<br />

wenn es sich insgesamt als nicht<br />

angemessen erweist (weil beispielsweise<br />

die Frage auf etwas ganz anderes<br />

als inhaltliche Erklärungen abzielte).<br />

In gewisser Weise stehen die Routinen<br />

und der Umgang mit ihnen im<br />

Zentrum der Ausbildung von LehrerInnen<br />

und auf ihre Art markieren<br />

sie auch den (zum Teil rhetorisch<br />

überhöhten) Unterschied oder sogar<br />

Gegensatz zwischen einer wissenschaftlichen<br />

Ausbildung in der ersten<br />

Phase und einem praxisorientierten<br />

Referendariat (der oft aus einem<br />

vergangenheitsorientierten Praxisverständnis<br />

herrührt, vgl. den Artikel<br />

von Rolf Arnold in diesem Heft).<br />

In der ersten Phase wird immer<br />

wieder auf die Vielfalt der möglichen<br />

Einzelfälle hingewiesen. Jeglicher<br />

Eindruck der Routinisierung muss<br />

vermieden werden oder bedarf<br />

zumindest einer sorgfältigen Begründung<br />

(die selten so elegant gelingt<br />

wie bei Grell und Grell: „Unterricht<br />

ist ein komplexes Geschehen. Und<br />

deshalb brauchen wir Rezepte“,<br />

1996: 48). An Stelle der Bildung von<br />

Routinen wird abstrahiert. Es geht<br />

also weniger um die Fähigkeit, in einer<br />

Situation ein Rezept zur Hand<br />

zu haben, um unmittelbar reagieren<br />

zu können (auch wenn dies in der<br />

ersten Phase der Ausbildung von<br />

Lehrkräften auch eine Rolle spielt),<br />

LehrerInnenbildung<br />

sondern darum, Maßstäbe und Kategorien<br />

zu gewinnen, anhand derer<br />

eine Situation erfasst werden und<br />

angemessenen Handlungen gefunden<br />

oder Vorschläge hierzu beurteilt<br />

werden können. Die Gewichtung in<br />

der zweiten Phase ist eine andere.<br />

Hier wird Unterricht für die AnwärterInnen<br />

nach kurzer Zeit zur täglichen<br />

Aufgabe und die Vielfalt möglicher<br />

Situationen wird zum Problem,<br />

das sich scheinbar nur durch<br />

die Aneignung von Routinen beherrschen<br />

lässt, die unmittelbares Handeln<br />

ermöglichen. Zeit für die Reflexion<br />

oder die Beurteilung der Situation<br />

bleibt allenfalls dann, wenn<br />

eigentlich alles vorbei ist, und auch<br />

dann drängen sich bereits neue Erfordernisse<br />

dazwischen.<br />

Man sieht: Eigentlich passt beides<br />

gut zueinander - wenn in dieser (vereinfachten)<br />

Darstellung in der ersten<br />

Phase Kategorien und Maßstäbe<br />

entwickelt und angeeignet werden,<br />

so können sie in der zweiten Phase<br />

helfen, Routinen oder „Rezepte“ zu<br />

beurteilen und Erfahrungen mit deren<br />

Anwendung zu reflektieren. In<br />

der Praxis, sei sie durch das Referen-<br />

Staatlich anerkannte Ausbildung<br />

in<br />

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie<br />

für Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten<br />

nach dem Psychotherapeutengesetz<br />

Institut für<br />

Psychotherapie und Psychoanalyse<br />

Rhein-Eifel<br />

Bachovenstraße 4 · 53489 Sinzig<br />

Tel. 0 26 42 / 98 06 65 · Fax: 98 06 70 · Institut.Rhein.Eifel@t-online<br />

Auch im Internet: www.institut-rhein-eifel.de<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 6 /2003<br />

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