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LehrerInnenbildung dariat gegeben oder studienintegriert, können Routinen entwickelt und ausprobiert werden. Dies sollte umso leichter und gleichzeitig anspruchsvoller möglich sein, wenn die ReferendarInnen bereits Erfahrungen mit der Anwendung pädagogischer Kategorien auf konkrete Situationen und Handlungsweisen gemacht haben. Und es erfordert, dass weder in der wissenschaftlichen Ausbildung der Umgang mit der Praxis gescheut wird, noch dass diese auf die Ressource des in der wissenschaftlichen Ausbildung gelernten, eher abstrakteren Wissens verzichtet. Für die universitäre Phase der Lehramtsausbildung ergibt sich hier allerdings ein Problem. Auf der einen Seite bietet sie - außerhalb begleiteter schulpraktischer Studien (vgl. Müller 1997) - keinen geeigneten Raum, um strukturiert auf Einzelerfahrungen der Studierenden aus Praktika und ähnlichem einzugehen (auch wenn sie diese bereits in der ersten Phase ermutigen soll, in informellen Gesprächen untereinander solche Erfahrungen zu bearbeiten), auf der anderen Seite bedarf die Auseinandersetzung mit praxisrelevanten Themen, Situationen und Strategien jedoch eines Materials, dass gleichzeitig authentisch ist und doch „typische“ Situationen und Reaktionen schildert, die sich für die gründliche Bearbeitung, beispielsweise in einem Seminar, eignen. Einen prominenten Versuch hierzu stellte Jürgen Henningsens Aufsatz „Peter stört“ dar (Henningsen 1964). Hier geht es um einen einzelnen, hypothetischen Fall, der verschiedene Fortsetzungen erhält, die die Grundlage für eine Diskussion darstellen. Einiges lässt sich an dem Fall tatsächlich erarbeiten und es ist beabsichtigt, dass keine der Lösungen als „die richtige“ erscheint. Dennoch ist Henningsens Aufsatz - insbesondere heute, nach fast 40 Jahren - nur noch sehr begrenzt einsetzbar. Der Darstellung mangelt es (inzwischen) an Authentizität, zumal aus der Verschiedenheit der Fortsetzungen erkennbar ist, dass es sich nicht um einen realen Fall handelt. „Peter stört“ steht also eher für einen allgemeinen Einblick in den Umgang mit pädagogischen Fällen, als dass er als Übungsmaterial einsetzbar wäre. Wünschenswert erscheint hingegen eine Sammlung von zeitgemäßen und authentischen Fällen, in denen Situationen und Handlungen aus dem Schulalltag geschildert werden, die sich tatsächlich zugetragen haben und die exemplarisch für Unterrichtsgeschehen stehen. Auch hier geht es nicht darum, dass eine Verhaltensweise als die richtige für eine konkrete Situation herausgearbeitet wird, aber solche Fälle führen neben anderem vor, dass und wie sich Lehrkräfte in einer konkreten Situation entschieden haben zu handeln und dass sie und die Lerngruppe mit den Folgen des Handelns umgehen müssen und können. Derartige Fälle sollten dementsprechend von Lehrkräften sowie Tätigen in der außerschulischen Bildung geschildert werden (siehe Kasten). Durch die Bearbeitung authentischer und gleichzeitig exemplarischer Fälle aus einem größeren Pool von Beispielen könnte die universitäre Lehramtsausbildung in mehrfacher Hinsicht Gewinn ziehen: • Studierende erleben Praxisrelevanz, die darin besteht, dass sie sich schon Beispielfälle gesucht in der wissenschaftlichen Ausbildung mit „echten“ Fällen auseinander setzen. • Durch die Vielfalt der Fälle wird eine ebenso große Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten entfaltet und es kann sich zeigen, dass keine Handlung isoliert vom Fall als die richtige verallgemeinert werden kann. • Die Auseinandersetzung mit den Fällen bietet Raum, erziehungswissenschaftliches Wissen anzuwenden und damit gleichzeitig zu üben und auf seine Tauglichkeit zu prüfen. So wird der Umgang mit den Inhalten der wissenschaftlich-pädagogischen Ausbildung, der im Referendariat eigentlich nebenbei stattfinden soll, gezielt vorbereitet und geübt. Die Bearbeitung authentischer Fälle soll also einen Beitrag dazu leisten, die Verbindung zwischen Theorie und Praxis zu fördern, ohne einerseits einem von beiden ein Vorrecht oder eine höhere Bedeutung zuzusprechen oder andererseits beides zu einer konturlosen „Theopraxis“ zu vermischen. Literatur: Grell, Jochen und Grell, Monika: Unterrichtsrezepte. Weinheim 1996. Henningsen, Jürgen: Peter stört. In: Die deutsche Schule 1964: 617-632. Kaiser, Arnim und Kaiser, Ruth: Studienbuch Pädagogik. 10. Aufl., Berlin 2001. Müller, Hans-Hoachim: Praxis-integrierende Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Ein didaktisches Konzept zur Anbahnung von pädagogischer Handlungskompetenz. Heft 2 der Pädagogischen Materialien der Universität Kaiserslautern. Kaiserslautern 1997. An der Universität Kaiserslautern sollen authentische Fallbeschreibungen aus dem Schulalltag eingesetzt werden, um eine Brücke zwischen theoretischen Kategorien und dem Umgang mit tatsächlichen Situationen zu schlagen. Dazu benötigen wir Ihre Beispiele. Wir suchen Fallbeschreibungen zu Situationen, die Sie in Ihrer Praxis als Lehrende erlebt haben und die beispielhaft sind für ihr Arbeitsfeld, die Bedingungen dort etc. Wenn Sie praxisrelevantes Material zur Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern beisteuern möchten (das mit ihrer Einwilligung anonymisiert auch in Skripten oder in Buchform veröffentlicht wird), rufen Sie uns bitte an oder schreiben Sie uns eine E-Mail an: Henning Pätzold, Universität Kaiserslautern, Fachgebiet Pädagogik Postfach 3049, 67653 Kaiserslautern paetzold@rhrk.uni-kl.de, Telefon: 0631/205-4555 Als Gegenleistung bieten wir Ihnen eine fundierte Stellungnahme zu Ihrem Fall sowie den Zugriff auf weitere Materialien. Sollte Ihr Fall für eine Buchpublikation ausgewählt werden, erhalten Sie selbstverständlich ein Belegexemplar. 14 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 6 /2003
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