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Praxisbeispiele aus der politischen Bildung<br />

Handlungsorientierung als Unterrichtsprinzip<br />

„Sehr geehrter Herr UN-Generalsekretär, liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

Abgeordnete, sehr geehrte Vertreter der Weltbank und der Weltpresse,<br />

ich möchte als Regierungschef der Region Arabien folgende Erklärung<br />

zur Lage der Nation abgeben ...“. Diese Worte sprudeln nicht<br />

etwa aus dem Mund eines hochrangigen UN-Vertreters, sondern am<br />

Rednerpult steht ein 16 Jahre alter Schüler einer 10. Klasse. Mit Engagement<br />

und deutlich erkennbarer persönlicher Betroffenheit nimmt er<br />

Stellung, macht Lösungsvorschläge, vertritt Interessen. Doch der Reihe<br />

nach ...<br />

Kurze Bestandsaufnahme<br />

Der Umgang mit der Politik in der Schule ist eine schwierige Sache.<br />

Das Fach Sozialkunde wird in der Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz<br />

eine Stunde pro Woche unterrichtet, zu wenig, so klagen<br />

Fachkolleginnen und -kollegen und das zu Recht. Andererseits<br />

bemängelt die Politik, das fehlende Interesse der Jugendlichen am<br />

politischen Prozess, und die neuste Shell-Studie scheint empirisch<br />

abgesichert den fortschreitenden Rückzug der Jugend ins Private<br />

anzuzeigen. Die künftigen Wählerinnen und Wähler sowie die<br />

Jungwähler entfernen sich immer weiter von der Politik, der junge<br />

Souverän, so scheint es, investiert sein Engagement lieber in die<br />

Befriedigung privater Interessen. Und um das Wehklagen zu vervollständigen,<br />

kommt auch von Schülerseite Kritik an der Politik:<br />

Politiker, so erklären manche Jugendliche, verfolgten ihre eigenen<br />

Interessen eher als die jener, von denen und für die sie gewählt<br />

worden seien; außerdem, so eine Schülerin neulich in meinem Unterricht,<br />

ändere eine Wahl ja ohnehin nichts. Angesichts der von<br />

den Medien gerne schlagzeilenträchtig ausgeschlachteten Skandale<br />

um Spendengelder und Müllverbrennungsanlagen, Bonusmeilen-<br />

und sonstigen Flugaffären verlieren Politiker als Berufsstand<br />

in den Augen der Jugend an Vorbildfunktion: „Ich möchte mich<br />

an der Politik nicht beteiligen, denn so wie die Politiker sein will<br />

ich nicht“, erklärte mir eine Schülerin, die ich ansprach, ob sie<br />

nicht bei den Wahlen zum Jugendparlament als Kandidatin mitmachen<br />

wolle. Es zeichnet sich eine Entwicklung ab, die keineswegs<br />

im Sinne der Bildungsverantwortlichen sein kann und es stellt sich<br />

die Frage, welchen Beitrag der Sozialkundeunterricht leisten kann.<br />

Angesichts der oben geschilderten Situation finden sich die Fachkollegen<br />

in einer unangenehmen Situation wieder. Sie sollen den<br />

Ansprüchen des Staates genügen und dazu beitragen, dass aus den<br />

politikerverdrossenen Jugendlichen mündige Bürger werden, die<br />

in der Lage sind, politische und gesellschaftliche Probleme zu er-<br />

kennen, zu politischen Themen zu recherchieren, sie sachgerecht<br />

zu beurteilen und daraus entsprechende Handlungsalternativen<br />

abzuleiten. Das alles in einer Stunde pro Woche und in einem Fach,<br />

das in der Sekundarstufe I (nur) drei Jahre lang unterrichtet wird.<br />

Doch lamentieren hilft nicht, und es bleibt die bereits gestellte Frage<br />

danach, welche Rolle der Sozialkundeunterricht im Kanon der<br />

Bemühungen um mündige Bürger spielen kann.<br />

Politik spannend machen oder warum Handlungsorientierung<br />

wichtig ist<br />

Die Erfahrung an unserer Schule hat gezeigt, dass Sozialkunde für<br />

Schülerinnen und Schüler dann spannend wird, wenn die Kolleginnen<br />

und Kollegen es schaffen, die Jugendlichen aus der Reserve<br />

zu locken, ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ihnen als<br />

„Entwicklungshelfer“ zur Seite anstatt als „Be-Lehrer“ gegenüber<br />

zu stehen. Es muss Aufgabe der Sozialkunde und damit der Lehrenden<br />

sein, die Jugendlichen entdecken zu lassen, dass Politik<br />

keineswegs ein Ereignis ist, das irgendwo nur nicht im eigenen<br />

Lebensumfeld stattfindet. Wenn Sozialkunde Schülerinnen und<br />

Schüler zum selbstständigen Beurteilen politischer Sachverhalte veranlassen<br />

soll, dann führt dieser Weg zweifellos über das Sammeln<br />

eigener Erfahrungen. Und dies geht eben nur, wenn die Schule<br />

ihnen im Rahmen des Unterrichts entsprechende handlungsorientierte<br />

Möglichkeiten bietet. Das allerdings ist schwierig angesichts<br />

des knappen unterrichtlichten Zeitansatzes. Unsere Schule hat aus<br />

diesem Grund die Teilnahme an einem „politischen“ Seminar für<br />

die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 10 in das Schulprogramm<br />

aufgenommen. Und so macht sich seit fünf Jahren jedes<br />

Jahr eine Klasse auf, um bei der Bundeswehr POL&IS zu spielen*<br />

...<br />

Das Planspiel POL&IS<br />

Entstehung<br />

Das Planspiel POL&IS (POLitik und Internationale Sicherheit)<br />

wurde ursprünglich von der Forschungsgruppe Simulationen e.V.<br />

der Universität Erlangen entwickelt. Die Bundeswehr, die das Planspiel<br />

zunächst zur politischen Bildung der Soldaten einsetzen wollte,<br />

stellte jedoch rasch fest, dass es ebenfalls im Rahmen der Arbeit<br />

der Jugendoffiziere geeignet war, Jugendliche für die komplexen<br />

Probleme der internationalen Sicherheitspolitik zu interessieren.<br />

So wurde das Planspiel Ende der 80er Jahre von der Bundeswehr<br />

mitsamt der Rechte zur kontinuierlichen Weiterentwicklung für<br />

die hauptamtlichen Jugendoffiziere angeschafft. Neben der Bundeswehr<br />

kaufte auch das Land Nordrhein-Westfalen das Planspiel<br />

für den Unterricht an Schulen.<br />

Bei POL&IS handelt es sich genauer betrachtet um eine Mischung<br />

aus Rollenspiel einerseits und streng formal vorgegebener, regelgebundener<br />

und datengesteuerter Simulation politischer und ökonomischer<br />

Situationen auf globaler Ebene andererseits. Das Planspiel<br />

eignet sich aus meiner Sicht frühestens für Schülerinnen und<br />

Schüler von Abschlussklassen der Sekundarstufe I sowie natürlich<br />

für alle Kurse der Oberstufe des Gymnasiums und der Berufsbildenden<br />

Schulen.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 6 /2003<br />

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