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Praxisbeispiele aus der politischen Bildung<br />

(Keine) Lust auf politische Bildung? -<br />

Neue Impulse durch die Verbindung von Live-Event mit praktischer Radioarbeit<br />

„Macht, Korruption, alte ineffiziente Strukturen, das verbinde<br />

ich mit Politik. Daher interessiere ich mich nicht dafür. Die Arbeit<br />

von Greenpeace ist für mich nicht politisch; die handeln,<br />

und zwar schnell, klar und kompromisslos.“<br />

Dieses Zitat eines von uns befragten jungen Mannes (Thorsten<br />

H., 26, Verwaltungsangesteller) unterstreicht die Thesen der neuesten<br />

Shell-Studie: Das Interesse der Jugendlichen an traditioneller<br />

Politik sinkt weiter. Die erlebte persönliche Distanz zur Politik zieht<br />

sich durch alle Milieus. Allein die Erwähnung des Wortes „politisch“<br />

hat eine abstoßende, im besten Fall neutrale Wirkung auf<br />

Jugendliche.<br />

Harte Zeiten für Jugendbildungsreferentinnen und -referenten, die<br />

ihre Produkte - nämlich Seminare zur politischen Bildung - anbieten.<br />

Wie können sie in Anbetracht dieser Erkenntnisse Jugendliche<br />

für aktuelle Themen begeistern, wie sie für Seminare interessieren?<br />

Sollten sie den Begriff „politisch“ tunlichst vermeiden, diesen<br />

nur noch der Form halber gegen Ende ihrer Veranstaltungen<br />

vorsichtig einfließen lassen, in der Hoffnung, dass die TeilnehmerInnen<br />

nicht fluchtartig den Raum verlassen?<br />

Die Erfahrungen mit der Veranstaltung „Wir machen Festivalradio“<br />

haben gezeigt, dass ein Bildungsangebot, das damit wirbt,<br />

über praktische Radioarbeit zu jugendadäquaten Themen verschiedene<br />

Kompetenzen zu vermitteln, durchaus Jugendliche anspricht.*<br />

Hier können die Heranwachsenden etwas zusammen mit anderen<br />

erleben, dabei Spaß haben und etwas Sinnvolles tun, was sie für<br />

ihre berufliche Lebensplanung nutzen können.<br />

Wie sich insbesondere Event und praktische Radioarbeit zu einem<br />

für Jugendliche und BildungsreferentInnen gleichermaßen spannenden<br />

Veranstaltungskonzept der politischen Bildung verbinden<br />

lassen, wollen wir anhand des durchgeführten Festival-Radioseminars<br />

aufzeigen. Für Seminaridee und Umsetzung zeichneten die<br />

beiden Autorinnen von Arbeit und Leben Rheinland-Pfalz und<br />

Haus am Maiberg verantwortlich.<br />

Radio meets Festival - ein Seminarkonzept entsteht<br />

Die Idee war, praktische Radioarbeit mit einem jugendkulturellen<br />

Event (Festival Open Ohr) in einem zweiteiligen Seminar zu verbinden.<br />

Im Vorbereitungsworkshop sollten Grundkenntnisse des<br />

Radiomachens vermittelt und in die Festivalthematik eingeführt<br />

werden. Während des Seminars auf dem Festivalgelände ging es<br />

darum, dass die Jugendlichen das Gelernte ausprobierten und umsetzten.<br />

Für Open Ohr als Thema und Veranstaltungsort eines Seminars<br />

der politischen Bildung sprach zum Einen, dass es weit über die<br />

Grenzen des Rhein-Main-Gebiets bei den Jugendlichen bekannt<br />

±<br />

Die Veranstaltung fand im Rahmen des bundesweiten Projekts „Radio<br />

Aktiv - Jugend strahlt aus“ statt, das der Bundesarbeitskreis Arbeit und<br />

Leben mit Standort in München und das Haus am Maiberg in Heppenheim<br />

(AKSB - Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke) von<br />

November 1997 bis Juni 2000 durchführten. Gefördert wurde das Projekt<br />

von der Stiftung Deutsche Jugendmarke e.V., Bonn.<br />

und beliebt ist. Es findet seit 25 Jahren jährlich auf der Mainzer<br />

Zitadelle statt. Das Gelände dort bietet neben Wiesen für große<br />

Veranstaltungszelte, Marktstände und fünf Open-Air-Bühnen verschiedenster<br />

Größe idealen Raum für Zeltplätze der BesucherInnen.<br />

Rund 300 Künstler und Referenten tragen zu einem aufklärerischen<br />

und kulturell vielfältigen Programm bei.<br />

Als Festival für „Beine, Bauch und Birne“, wie es der Kabarettist<br />

Helmut Ruge bezeichnete, bringt Open Ohr jedes Jahr hochaktuelle<br />

Themen zur Sprache, die von Konzerten verschiedenster Musikrichtungen,<br />

Theaterdarbietungen und Workshops ergänzt werden.<br />

Das Motto des Programms 1999 lautete „Macht und Gegenmacht“.<br />

Mit ihm wollten die Veranstalter zur Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema Macht generell, mit den veränderten Machtstrukturen<br />

im Land durch den Regierungswechsel sowie mit dem Kosovo-Krieg<br />

anregen. Darüber hinaus wurden Vorträge und Diskussionsrunden<br />

zu einer Reihe von Einzelthemen wie Frauenbewegung,<br />

Bioethik, Macht der Wissenschaft und zur Globalisierung<br />

angeboten.<br />

Dieses vielfältige Programm spiegelt das Ausdrucks- und Selbstverständnis<br />

von Open Ohr als politischem Festival wider und versprach,<br />

„spannenden Stoff“ für Radiobeiträge im Rahmen eines<br />

Seminars der politischen Bildung zu liefern.<br />

Mit dem Workshoptitel „Wir machen Festivalradio“ wollten wir<br />

das Interesse der Jugendlichen am Radiomachen wecken. Als ReporterInnen<br />

konnten sich die TeilnehmerInnen engagiert und „lustvoll“<br />

- so das Ziel der Veranstaltung - mit Motto, Geschichte und<br />

Besonderheiten des Festivals auseinandersetzen und ihre eigenen<br />

Meinungen und Einstellungen zum Event und den hier diskutierten<br />

Themen einbringen. Als ein weiteres Highlight des Seminars<br />

ermöglichten wir es den TeilnehmerInnen, täglich zwei Stunden<br />

auf der Frequenz zweier lokaler Bürgerradios zu senden.<br />

Hierfür benötigten die Jugendlichen journalistische und technische<br />

Grundkenntnisse sowie inhaltliches Backgroundwissen zum<br />

Festival. All dies wurde im Vorbereitungsworkshop vermittelt. Die<br />

Teilnahme an dieser Veranstaltung, die zwei Referenten in einer<br />

Bildungsstätte durchführten, war Bedingung für das Radiomachen<br />

auf dem Open Ohr. Für das Seminar auf dem Festivalgelände planten<br />

wir vier ReferentInnen ein. Die TeilnehmerInnenzahl beschränkten<br />

wir auf dreizehn, um den Jugendlichen eine intensive<br />

Begleitung durch die Referenten und ein effizientes Arbeiten zu<br />

ermöglichen.<br />

Nach Ankündigung des Seminarprogramms in den regionalen Tageszeitungen,<br />

im Festivalprogramm und von den Bürgerradios gingen<br />

auch die ersten Anmeldungen ein. Innerhalb von wenigen<br />

Tagen mussten wir eine Warteliste für die zahlreichen interessierten<br />

TeilnehmerInnen eröffnen und fragten uns erfreut: Gibt es sie<br />

etwa doch - die bildungs- und (mit)gestaltungswilligen Jugendlichen?<br />

Vorbereitungsseminar am Wochenende<br />

Eineinhalb Wochen vor Festivalbeginn startete das Vorbereitungsseminar<br />

mit sieben jungen Männern und sechs jungen Frauen,<br />

fast alle im Alter von sechzehn bis neunzehn Jahren. Bis auf zwei<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 6 /2003<br />

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