und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht
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Traugott Holtz, Die Offenbarung des Johannes<br />
Einleitung 1<br />
Einleitung<br />
1. Das Problem der Gattung<br />
Der Offenbarung des Johannes wird in der Regel sowohl in den Bibelausgaben<br />
als auch in der wissenschaftlichen Beurteilung ihrer literarischen<br />
Eigenart mit Blick auf das übrige Neue Testament eine singuläre Stellung<br />
zugewiesen; sie wird einer eigenen, spezifischen Gattung zugeordnet, den<br />
„Apokalypsen“. Das erste ist zweifellos berechtigt, das zweite hingegen<br />
problematisch. Trotz intensiver <strong>und</strong> durchaus anregender Versuche ist es<br />
nicht gelungen, eine literarische Gattung „Apokalypse“ überzeugend zu<br />
definieren. Der Name der „Gattung“ ist aus dem ersten Wort unseres Textes<br />
abgeleitet, in dem es indessen keine literarische Bedeutung hat oder<br />
beansprucht, sondern den Inhalt dessen benennt, was im Folgenden von<br />
dem Verfasser des Buches bezeugt wird, „Offenbarung (d.h. Enthüllung<br />
der wahren Wirklichkeit) Jesu Christi“. Freilich ist das Wort (in Abhängigkeit<br />
von Offb) hernach zu einer Bezeichnung für Schriften geworden,<br />
indessen für Texte sehr unterschiedlicher literarischer Gestalt, hat also<br />
inhaltliche, nicht gattungsdefinierende Bedeutung (s. z.B. die „Apokalypsen“<br />
des Jakobus, Petrus, Adam in den Nag-Hammadi-Texten). Eine auch<br />
nur umrißhafte gemeinsame Form für die Texte, auch für die, die sich<br />
ausdrücklich „Apokalypse/Offenbarung“ nennen, ist nicht erkennbar.<br />
Und das gilt ebenso für vorchristlich-jüdische Schriften, die wir so nennen<br />
(Dan, 1Hen oder gar Jub, TestXII). Nur durch literarkritische Operationen<br />
lassen sich aus ihnen Texte gewinnen, die einer zuvor definierten<br />
Gattung „Apokalypse“ entsprechen.<br />
Doch auch wenn man der Annahme, es habe in der Zeit um die Entstehung<br />
der Offb im jüdisch-christlichen Bereich eine eigenständige literarische<br />
Gattung „Apokalypse“ gegeben, skeptisch gegenübersteht, darf man<br />
doch nicht übersehen, daß es in ihrem literarischen <strong>und</strong> historischen Umfeld<br />
zahlreiche <strong>und</strong> gewichtige Texte gab, die entweder in sie prägendem<br />
Maße oder doch in bestimmten Teilen Partien enthalten, die wir als „apokalyptisch“<br />
bezeichnen. Sie haben Enthüllungen über die Welt <strong>und</strong> ihre<br />
Geschichte in deren Beziehung zu Gott <strong>und</strong> seiner Welt zum Inhalt, die<br />
dem gleichsam normalen Blick verborgen sind <strong>und</strong> dabei von einer ihnen<br />
gemeinsamen Beurteilung solcher Beziehung (wenigstens in ihrer Gr<strong>und</strong>lage)<br />
geprägt sind. Sie finden sich in Schriften der verschiedensten Arten<br />
<strong>und</strong> Gattungen der jüdisch-christlichen Literatur, in einem frühesten<br />
Beispiel in der sog. „Jesaja-Apokalypse“ Jes 24–27 (vgl. Sach 9–14), in den<br />
© 2012, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />
ISBN Print: 9783525513873 — ISBN E-Book: 9783647513874