Übersetzungskompendium Mittelhochdeutsch - Leinstein.de
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ÜBERSETZUNGSKOMPENDIUMMITTELHOCHDEUTSCH<br />
SEITE22<br />
Der junge Ratgeber<br />
Ein König hatte einen Ratgeber<br />
(und nach <strong>de</strong>ssen Ratschlägen wollte er leben)<br />
Er wur<strong>de</strong> Fürst genannt.<br />
An Leuten, Städten und Land<br />
hatte er einen gut fürstlichen Anteil.<br />
Der König hielt es für ein großes Glück,<br />
dass er einen solchen Nutzen von seinem Ratgeber hatte<br />
<strong>de</strong>r so tüchtig war und Ansehen hatte.<br />
Er trug sogar die Last <strong>de</strong>s Glücks,<br />
dass ihm nicht an<strong>de</strong>res fehlte<br />
in seinem Leben als die Jugend.<br />
Er hatte alle Tugen<strong>de</strong>n<br />
die einem E<strong>de</strong>lmann Lob einbringen<br />
ihm sehr reichlich Fülle gewähren.<br />
Deshalb war ihm <strong>de</strong>r König gewogen.<br />
Hätte er das Gold alle Könige,<br />
sogar das hätte er ihm überlassen,<br />
er wäre auch nicht an<strong>de</strong>rs damit verfahren,<br />
wenn es Nutzen und Ansehen wäre.<br />
Er kam makellos<br />
und mit großen Ansehen an <strong>de</strong>n Tag<br />
als er im Sterben lag.<br />
Da zeigte er die Kostbarkeit seines Verstan<strong>de</strong>s.<br />
Er schickte nach seinem Herrn.<br />
Zu diesem sagte er sogleich:<br />
Herr, ich habe nach gesandt:<br />
„Ich vermag nicht länger zu leben.<br />
Ich muss und will euch aufgeben<br />
mein Lehen und auch euer Gut.<br />
Dieses Land habe ich bisher gut behütet.<br />
Wenn ihr die Wahrheit sagt<br />
Verstand ist mehr wenn ihr euch verseht,<br />
wir haben es bei<strong>de</strong>, ihr und ich.<br />
Nun scheint mir das sehr angemessen,<br />
dass ich euch das befehlen lasst.<br />
Ich habe das eurige und das meinige<br />
durch eure Freundlichkeit gewonnen.<br />
Deshalb soll ich euch wohl gönnen<br />
was auch immer ihr danach damit macht<br />
Meinen Sohn und all mein Gut,<br />
Städte, Leute und Land,<br />
das sei euch Untertan.<br />
Alles, was mir nun zustößt,<br />
das strengt mich nicht beson<strong>de</strong>rs an,<br />
so dass ich von euch gehen wer<strong>de</strong>.<br />
Mein Herz war nie so voller Freu<strong>de</strong>,<br />
als wenn ich euch hörte und sah.<br />
Was auch immer freundliches zu alles Zeit geschah,<br />
das ist mir ganz durch euch geschehen.<br />
Das ich euch nicht mehr sehen wer<strong>de</strong>,<br />
Richard <strong>Leinstein</strong>