Gesetzeskraft - Hans-Joachim Lenger
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was nicht $/arten darf, s/as nicht warten muß. LIm einen<br />
direkten und einfachen Stil zu wählen, um mich kurz zu<br />
halten, lassen Sie mich folgende Behauptung au{stellen:<br />
Eine gerechte, angemessene Entscheidung ist immer sofort,<br />
unmittelbar er{otd.erlich, "right<br />
away". Sie kann sich nicht<br />
zuerst eine unendliche Information besorgen, das grenzenlose<br />
lWissen um die Bedingungen, die Regeln, die hypothetischen<br />
Imperative, die sie rechtfertigen könnten.<br />
Selbst wenn sie über ein solches \üissen verfügen würde,<br />
selbst wenn sie sich die hierzu nötige Zeit ließe und das<br />
notwendige \fissen sich aneignete, so wäre trotzdem der<br />
Augenblick det Entscheidwng - so wäre trotzdem dieser<br />
Augenblick als solcber stets ein endlicher Augenblick der<br />
Dringlichkeit und der Überstürzung; zumindest, wenn<br />
man voraussetzt, daß er nicht die Konsequenz oder die lvirkung<br />
dieses theoretischen oder historischen Wissens, dieses<br />
Nachdenkens oder dieser Überlegung sein kann - sein darf,<br />
und daß er immer eine Unterbrechung der juridisch-,<br />
ethisch- oder politisch-kognitiven Überlegung, die ihm<br />
vorausgehen mul3 und vorausgehen sol/, darstellt. Der<br />
Augenblick der Entscheidung ist, wie Kierkegaard schreibt,<br />
ein §(lahn. Dies trifft vor allem auf den Augenblick der gerechten,<br />
angemessenen Entscheidung zt, die dte Zeit zetreißen<br />
und den verschiedenen Dialektiken trotzen muß. Ein<br />
Vahn (ist's). Auch wenn man von der Hypothese ausgeht,<br />
daß die Zeit und die Übe'legtheit, die Geduld des V/issens<br />
und die Meisterschaft unbegrenzt sind, ist die Entscheidung<br />
in ihrer Struktur endlich, so spät sie auch getroffen werden<br />
mag: dringliche, überstürzte Entscheidung, in der Nacht<br />
des Nicht-V/issens und der Nicht-Regelung. Diese Nacht<br />
ist nicht die eines Fehlens der Regel und des Vissens, sondern<br />
die einer erneuten Einrichtung oder Einsetzung der<br />
Regel, der definitionsgemäß kein rJ(/issen und keine Garantie<br />
vorausgehen. Könnte man einer wenig differenzierten<br />
und auf Eindeutigkeit angelegten Unterscheidung zwischen<br />
t4<br />
dem Performativen und dem Konstativen trauen (das damit<br />
argezeigte Problem kann ich an diesem Ort nicht behandeln),<br />
so müßte man die Irreduktibilität der überstürzenden<br />
Dringlichkeit, ja im Grunde die Irreduktibilität der Unbesonnenheit,<br />
der Ahnungslosigkeit, des Unbewußtseins -<br />
gleichgültig, welchen verständigen Grund und welches Geschick<br />
man darin erblickt - der performativen Struktur der<br />
Sprechhandlungen (speecb act) zuordnen, der performativen<br />
Struktur der Handlung als Justizakt oder Rechtstat; ob<br />
es sich dabei nun um ein gründendes, einrichtendes Performati!.um<br />
handelt oder um ein abgeleitetes, das bereits vorhandene<br />
Konventionen vorausserzr. Ein Konstativum kann<br />
angemessen, niemals aber gerecht sein. Da aber ein Performativum<br />
nur dann gerecht sein kann, wenn es auf Konvendonen<br />
gründet, also auf vorgängigen performativen Akten,<br />
die sichtbar oder verborgen sind, birgt es in sich stets eine<br />
plötzlich ausbrechende Gewalt und gehorcht nicht einfach<br />
den Erfordernissen der theoretischen Rationalität. Beruht<br />
nun jede konstative Aussage ihrerseits auf einer zumindest<br />
impliziten performativen Struktur ("ich sage Dir, daß . . . ,<br />
ich spreche mit Dir, ich richte mich an Dich, um Dir zu<br />
sagen, daß es wahr, daß es so ist, ich verspreche Dir, ich<br />
erneuere mein Versprechen, eincn Satz zu formulieren<br />
lfaire wne pbrase)und das, was ich sage, zu unterschteiben,<br />
wenn ich sage, daß . . . , wenn ich Dir die lüahrheit sage oder<br />
zu sagen versuche. , , usw."), so supponiert folglich die Dimension<br />
der Angemessenheit oder der lVahrheit theoretisch-konstativer<br />
Aussagen (in allen Bereichen, besonders<br />
in dem des Rechts) die Dimension der Gerechdgkeit performativer<br />
Aussagen, das heißt: sie supponiert deren wesentliche<br />
Überstürzung, der immer eine gewisse Asymmetrie<br />
und ein gewisser gewalsamer Zug anhaften. Ich bin versucht,<br />
das, was L6vinas in einer ganz anderen Sprache und<br />
in der Folge eines ganz anderen diskursiven Vorgehens sagt,<br />
in einem solchen Sinne zu verstehen; L6vinas behauptet,<br />
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