Gesetzeskraft - Hans-Joachim Lenger
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nung übersreigen. Benjamin glaubt an gewaltlose Verhältnisse<br />
zwischen Privatpersonen. Eine,,gewaltlose Einigung"<br />
(S. r9r) ist überall dort möglich, wo die "Kultur<br />
des Herzens.,<br />
den Menschen reine Mittel zur Übereinkunft an die<br />
Hand gibt. Bedeutet dies, daß man bei der Entgegensetzung<br />
des Privaten und des Öffentlichen stehenbleiben muß, um<br />
einen Bereich der Gewaltlosigkeit zu schützen? Die Dinge<br />
sind keinesfalls so einfach. lüeitere begri{fliche Aufteilungen<br />
un.rreißen in der Sphäre des Politischen selbst das Verhältnis<br />
von Gewalt und Gewaltlosigkeit. Man denke - Benjamin<br />
steht hier in derTradition eines Sorel oder eines Marx- an die<br />
Unterscheidung zwischen einem politiscben Ger.eralstrerk,<br />
der gewaltsam, gewalttätig isr, weil er einen Staat durch einen<br />
anderen zu ersetzen sucht (genannt sei jener Streik, der sich<br />
in Deurschland blitzhaft angekündigt hatte), und einemproletarischen<br />
Generalstr-eik, einer Revolution, die nicht bestrebt<br />
ist, den Staat stärker zu machen, sondern ihn zu<br />
beseitigen - den Staat und ebensowohl, Sorel zufolge, die<br />
Soziologen, "die<br />
eleganten Amateure von Sozialreformen<br />
[und die] Intellektuellen, die sich zum Beruf gemacht haben,<br />
für das Proletariat zu denken" (Zirat im Zitat; S. ry1,<br />
Eine andere Unterscheidung scheint noch radikaler zu<br />
sein und sich noch mehr einer Kridk der Gewalt als Mittel<br />
zu nähern. Sie setzt die Ordnung der Mittel der Ordnung<br />
der Mantfestation entgegen. Erneut handelt es sich um die<br />
Gewalt der Sprache, aber auch um die Erlangung der Gewaltlosigkeit<br />
durch eine gewisse Sprache, um das Ereignis<br />
der Gewaldosigkeit, das in einer gewissen Sprache stattfindet.<br />
Besteht das \lesen der Sprache in Zeichen, die man als<br />
Mittel der Mnterlung betrachten kann, oder in einer Manifestation,<br />
die nicht länger oder die noch nicht zu einer durch<br />
Zeichenverwendung geschehenden Mitteilung, die also<br />
nicht zur Mitteilung überhaupt und zur Mitel/Zweck-<br />
Struktur gehört?<br />
Benjamin möchte nachweisen, daß in der privaten §(elt<br />
, r r r, licrv,rltlosc Beilegung von Konflikten möglich ist, wenn<br />
,1r,. lr.rrltrrr tlcs Herzens, die Herzenshö{lichkeit, die Neirirrrrli,<br />
,li, li-icdcnsliebe, das Vertrauen herrschen. Die Unr,,,,,l,,rrq<br />
-.rl' eine Technik ziviler Übereinkunft- gibt<br />
,l.rlrrr ,l.rs ricfste Beispiel ab, Woran erkennt man nun, daß<br />
,1r,. t icrv,rlt lus den Privatbereich oder aus der "eigentlichen<br />
.rusgeschlossen ist? Benjamins Antwort mag über-<br />
"l'l,.rr.-<br />
, ,., lrr,rrrl rrnmuten. Belegt wird die Möglichkeit dieser Gerr<br />
.rlr l,,.,iqli.cir durch den Umstand, daß weder die Lüge noch<br />
,i,, ltcrr ug darin bestraftwerden. §/ederdas römischenoch<br />
,1 r., .rlrgt rrrlnische Recht bestrafen den Betrug. Einen Berr<br />
rr11 .rl' Str'.r{tat zu bewerten entspricht einem "Verfallspro-<br />
,,, li" l).rs nroderne Recht verliert das Vertrauen, das es zu<br />
..r, l, 'r.lbst<br />
hit, es verurteilt den Betrug nicht aus morali-<br />
.,, lrcrr ( ilünden, sondern weil es die Gewalt fürchtet, zu der<br />
, r ,lrL, ( )ptcr veranlassen mag. Diese könnten im Gegenzug<br />
,ir, l{telrtsordnung bedrohen. Der Mechanismus, der hier<br />
rrrr Wr.r li ist, bestimmt auch die Verleihung eines Streikr,<br />
, lrr s. Iis gcht darum, die schlimmste Gewalt durch eine<br />
rrr,l,rt.(icw:rlt in Grenzen zu halten. Benjamin scheint<br />
','rr , ircr gewaltlosen Ordnung zu träumen, die nicht nur<br />
,lr, l,r ir.rtcn Verhältnisse, sondern ebenfalls bestimmte ö{-<br />
l, rrrli, lrc Aneelegenheiten der Rechtsordnung (dem Recht,<br />
, rr r.rr llctrug zu bestrafen) entzieht. Zu solchen öffentlichen<br />
Arrli, lcqcnhciten, die sich der Rechtsordnung entziehen,<br />
z,rlrlr crrve der proletarische Generalstreik, von dem Sorel<br />
'.1,ri, lrr. Ller Generalstreik, der nicht einen Staat und ein<br />
rr,rrt.s l{ccht wieder zu (be)gründen sich anschickt; auch<br />
1','r t irrr rrrtc' cliplomarische Beziehungen, durch die Botschafr,r<br />
.rrr,rkrg zu den privaten Verhältnissen - Konflikte friedlr,<br />
lr rrnrl olrne Verträge regeln, zähler, dazt. In diesem<br />
l,.r/r( r.rr |ill sind die Schiedsgerichte gewaltlos, weil "jen-<br />
., rr. ,rllcr l{cchcsordnung und also aller Gewalt" (S. r9;).<br />
\\'rr rvcldcn bald sehen, warum diese Gewaltlosigkeit in<br />
, rrr, r lS rvisscn Affinität zur reinen Gewalt steht.