Gesetzeskraft - Hans-Joachim Lenger
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Singularitäten. Die §Tiederholung ist die Möglichkeit der<br />
Einzigartigkeit des Einzigen, Einzigartigen - dessen paradoxale<br />
Iterabilität. Keine strenge Unterscheidung zwischen<br />
einem Generalstreik und einern partiellen Streik (in einer<br />
Industriegesellschaft fehlen wohl die Kriterien, die es ermöglichen,<br />
eine solche Unterscheidung zu treffen); keine<br />
strenge Unterscheidung - im Sinne Sorels zwischen einem<br />
politischen Generalstreik und einem proletarischen. Die<br />
Dekonstruktion ist auch ein Denken dieser dffirantielLen<br />
Kontamination, ein Denken, das in deren Notwendigkeit<br />
eingefaßt ist. Venn ich run einen Satz Benjamins hervorhebe,<br />
auf den ich hoffentlich später noch zurückkommen<br />
kann, so deshalb, weil ich gerade diese differantieLle Kontamination<br />
rm Sinne habe, diese Kontamination im Herzen<br />
des Rechts; es sei "erwas<br />
Morsches im Recht", schreibt Benjamin<br />
(S. r88). Dieses Morsche, 'Wurmstichige oderVerdorbene<br />
verurteilt oder ruiniert das Recht im voraus. Das Recht<br />
ist verurteilt, ruiniert, verfallen wie eine Ruine, ruinös -<br />
wenn man denn einTodesurteil über das Recht aussprechen<br />
kann, gerade dort, wo es auch um die Todesstrafe geht.<br />
Benjamin spricht nämlich in einem Absatz, der die Todesstra{e<br />
behandelt, von dem, was am Recht morsch, »rotten«<br />
ist.<br />
'!(enn jede Interpretation in sich Streik und Streikrecht<br />
birgt, so birgt sie ebenfalls Krieg undpo lemos. Der Krreg rst<br />
ein weiteres Beispiel für diesen dem Recht innewohnenden<br />
\Viderspruch. Es gibt ein Kriegsrecht (Schmitt klagt darüber,<br />
daß es nicht mehr als die Möglichkeit des Politischen<br />
selbst anerkannt wird). Dieses Recht geht mit den näm-<br />
Iichen Vidersprüchen einher, die das Streikrecht kennt.<br />
Dem Anschein nach erklären Rechtssubjekte den Krieg, um<br />
Gewalten zu sanktionieren, deren Zwecke natürlich anmuten<br />
(der andere möchte sich der Gebiete, der Güter, der<br />
Frauen bemächtigen; er will meinen Tod, ich töte ihn).<br />
Doch diese kriegerische Gewalt, die einer "raubenden<br />
Ge-<br />
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u.rlr" ,ilrnelr (S. r85), entfalter sich immer rm Inneren der<br />
l(,r lrtssplrärc. Sie ist eine Anomalie im Inneren d.er Rechtsr,rlr.ilrnisse,<br />
rrrit denen sie zu brechen scheint. Der Abl,rrrt<br />
lr rlcr ßeziehungen stellt hier die Beziehung dar. Der<br />
I llx rt litt stclrt weiterhin vor dem Gesetz. In den sogenannt,<br />
n l,rirnitiven Gesellschaften, die an dieser Stelle das Be-<br />
,l, rrtt.nrlc cher bloßlegen, macht die Friedensschließung<br />
,llr rtliclr, tlrrll der Krieg kein natürliches Phänomen ist. Kein<br />
l'r i, tlen l.i{lt sich ohne das symbolische Phänomen eines Zer<br />
, rr, r rr iclls schließen. Dieses Phänomen erinnert daran, daß<br />
,lcr Klieg bereits zeremonielle Züge trägt, Der Krieg reduzrcrt<br />
sich llso nicht auf den Zusammenstoß zweier rein<br />
l,lryrischer Interessen oder Kräfte (Gewalten). In dem<br />
l(,rrrr, tlcn das Begriffspaar Krieg und Frieden absteckt,<br />
r rr lr tl.rs Irriedenszeremoniell zwar jenes, was am Krieg nicht<br />
rr.rriir lich ist, ins Gedächtnis zurück; eine wichtige Parenrlr,,ic<br />
rvcist hier jedoch darauf hin, daß Benjamin eine bertrrrrrrtc<br />
Iledeurung des lVortes der<br />
"Frieden"<br />
Kortelation,<br />
,lir. jcrrcs 13cgriffspaar bildet, enrziehen möchte, vor allem<br />
rrrr llinblick auf Kants Begriff des ,ewigen Friedenso. Es<br />
lr,rrrrlclt sicir dabei um eine ganz andere »unmetaphorische<br />
r rr r,l p, r lit ische" Bedeutung; ihre Tragweite werden wir noch<br />
,'rrcsscn. Auf dem Spiel steht dabei das internationale<br />
lir't lrr: d.rs Ilisiko einer Verkehrung und Entartung, die parrrLrrl,ucn<br />
lnteressen dienen (mögen es staatliche Interessen<br />
.,, rrr .rlcr nicht), erfordert eine unendliche Wachsamkeit,<br />
I'r..,rrrrlcrs deshalb, weil es der Konstituion des Rechts sell,,<br />
r cinbcschrieben ist.<br />
ALrl clrs Kriegszeremoniell folgend, bedeutet das Frie-<br />
,l, rrszcrcmoniell, daß der Sieg ein neues Recht einsetzt, Der<br />
h r icg, tlcr Iür eine "ursprüngliche und urbildliche" Gewalt<br />
z r r N,r t Lr lzwecken (S. r 8 5) gehalten wird, ist tatsächlich eine<br />
r,,lrtsctzcncle Gewalt, In dem Augenblick, da man diesen<br />
1',,ririvcn, setzcnden, begründenden Charakter (an)erkennt<br />
{lirsctzt, begründet wird ein anderes Recht; positiv, set-<br />
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