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Gesetzeskraft - Hans-Joachim Lenger

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ohne Statut eines Textes, von dem man meinen kann, daß er<br />

ein dekonstrukdver Text ist. ein Dekonstruktions-Text, der<br />

Text dessen, was davon - von ihm selber - bleibt. Der Text<br />

entzieht sich nicht dem Gesetz, das er formuliert. Er ruiniert<br />

sich selber, steckt sich selber an, kontaminiert sich, er<br />

wird zum Gespenst seinerselbst. Doch über diese Ruine der<br />

Signatur läßt sich noch mehr sagen.<br />

Vas die Strenge der Unterscheidung zwischen den beiden<br />

Gewalten bedroht, ist im Grunde das Paradoxon der Iterabilität.<br />

Diese bewirkt, daß der Ursprung sich ursprünglich<br />

wiederholen und entstellen muß, um seinen Geltungsanspruch<br />

erheben und sich erhalten zu können. Sofort gibt es<br />

Polizei, die Polizei aber macht Gesetze, die begnügt sich<br />

nicht damit, ein Gesetz anzuwenden, so, als wäre es zuvor,<br />

ohne sie kraftlos. Diese lterabilität schreibt die Erhaltung in<br />

die wesentliche Struktur der (Be)gründung, der Setzung<br />

ein. Bei diesem allgemeinen Gesetz oder dieser allgemeinen<br />

Norwendigkeit handelt es sich nicht um ein modernes Phänomen,<br />

vielmehr gelten sie a priori, mag Benjamin auch<br />

recht daran tun, Beispiele dafür zu geben, deren Spezifizität<br />

auf irreduktible \üeise modern ist. Die Iterabilität verhindert<br />

mit aller Strenge (oder strikt betrachtet), daß es reine<br />

und große Gründer, Stifter, Gesetzgeber gibt ("große"<br />

Dichter, Denker oder Staatsmänner- in dem Sinnc, in dem<br />

Heidegger r93J von solchen Männern redet, einem analogen<br />

Schema folgend, das sich an dem unabwendbaren, verhängnisvollen<br />

Opfer der Gründenden ausrichtet).<br />

Die Ruine ist in meinen Augen nichts Negatives, kein<br />

negativer Gegenstand.25 Zunächst einmal ist sie offensichtlich<br />

kein Gegenstand, kein Ding. lch würde gerne (vielleicht<br />

mit Benjamin oder im Gefolge Beniamins, vielleicht<br />

aber auch gegen ihn), eine kurze Abhandlung über die Liebe<br />

z1 Vgl. Jacques Denida,,llinoires d'aoeuglc. L'aüopo,t/ait etdutrcs tti,es lEr'<br />

inn«ungen ei.es Blindm Das Selbstbildnis und and€re Ruine.l' RiunioD<br />

des Musaes Natio"aux, Pi.;s I99o.<br />

92<br />

rrr ,l,,rr l(Lrirrcn, übcr die Ruinenliebe abfassen. IW'as kann<br />

rrr,rr, ,l, nrr .,,nst licbcn? Man kann ein Denkmal, eine Bau-<br />

.rr t, r,rrr ( jcbriude, eine lnstitution nur in dem Maße lieben,<br />

rrr,l, r, rrr.rrr ..lic prckäre Erfahrung ihrer Zerbrechlichkeit<br />

rrr,r,lrtr sic sintl nicltt immer da-gewesen, sie werden nicht<br />

rr,,rrr, '<br />

,l.r .cin, sic sind endlich. Als Sterblicher Iiebe ich sie<br />

11,rr.rrr ,lolr.rlb, ich licbe ihr Sterbliches, ich liebe sie - sterblr,<br />

lr. , rr,llielr, durch ihre Gebun und ihren Tod hindurch,<br />

,llr,lr ,1,r. (iespcnst oder den schattenhaften Umriß ihrer,<br />

rrr, rrrr'r l{rrilc. die sie schon sind oder schon andeuten. \J(/ie<br />

',, ,ll, rr ic krrnl nran anders lieben als in solcher Endlichkeit?<br />

\\i rlrr,r rviilrle sonst - wie würde anders das Recht zu lieben,<br />

I,r ,lr, l.ichc dcs Rechrs und des Rechten, (uns zu)komh,<br />

lrrtrr rvil zur Sache selbst zurück, das heißr zum Ge-<br />

,1r'r»t1 rlicser Text ist nimlich eine Gespenstergeschichte.<br />

\\ rr l.,irrrrcn clem Gespenst und der Ruine ebensowenig ausrr,.r,<br />

lr, rr rvic der Frage nach dem rhetorischen Status dieses<br />

r, \rr( ll('n lircignisses. V'elcher (sprachlichen) Figuren be-<br />

,lr, rrr rr si. h für seine Exposition (für seine Darlegung und<br />

Arrrrcrzung), für scine innere Explosion oder lmplosion?<br />

All,, ,,rr,rrpl.rlischen Figuren oder Gestalten der Rechtsgesinguläre<br />

Metonymien, will sagen: sie sind Figur.n,<br />

(icsr.rlten, die keine Grenzen kennen, losgelassene<br />

',.rlr 'rrr,l<br />

l\l,,lili,lrlicitcn der Übertragung, Figuren ohne Figuren.<br />

N, lrrrr, n wir clas Beispiel der Polizei, lndiz einer gespensti-<br />

', lrlrr ( icwrlt, weil sie Setzung und Erhaltung vermischt<br />

,rr r,l .r rrr rlicsern Grund nur um so gewalttätiger wird. Nun -<br />

,1,, 1',,lizci, tlie auf solche \(l'eise die Gewalt kapitalisiert, ist<br />

,,', lrr .. irrl.rch nur die Polizei, Sie besteht nicht bloß aus unil.rrrrirrtr.rr<br />

l)olizisten, die zuweilen einen Schutzhelm tra-<br />

1i, rr, l,crv.rllnet sind und sich in Form einer zivilen Struktur<br />

,,r1i,rrrnicrcn, dcrcn Vorbild das Militär ist und der kein<br />

\rrcrl'rlr'lrt zuelkannt wird. Die Polizei rstper definitionem<br />

rl,,l r ,urw(\cncl! dort vertreten, wo <strong>Gesetzeskraft</strong> exisriert.<br />

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