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Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde - Welt der Arbeit

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TEIL I: EINE KRISE, EINE ZEITUNG, EIN ZIRKUS<br />

<strong>der</strong> unmittelbar vorher erlebten weltweiten Finanzmarktkrise<br />

schwer. Die Erinnerung an die<br />

globale Krise <strong>der</strong> großen Spekulation <strong>der</strong> Jahre<br />

2007 bis 2009 <strong>und</strong> die negativen realwirtschaftlichen<br />

Folgen standen noch im Raum. Ob<br />

die Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise als überw<strong>und</strong>en<br />

gelten durfte o<strong>der</strong> ob sie nur <strong>ihre</strong> offensichtliche<br />

Brisanz verloren hatte, darüber<br />

herrschten Anfang 2010 unterschiedliche Auffassungen<br />

<strong>–</strong> da brach die Griechenland- <strong>und</strong><br />

Eurokrise aus.<br />

3.1.1 Der Erzählkern, die Geschichte<br />

<strong>und</strong> die Botschaft<br />

Welche Darstellung <strong>der</strong> Ereignisse hat die<br />

<strong>„Bild“</strong>-Zeitung <strong>ihre</strong>m Publikum gegeben? Unüberlesbar<br />

hält sich die <strong>„Bild“</strong>-Berichterstattung<br />

für die gesamte Phase <strong>der</strong> Griechenland<strong>und</strong><br />

Eurokrise an ein bestimmtes Erzählmuster.<br />

Das ist <strong>der</strong> wesentliche Inhalt: Der griechische<br />

Staat steht vor <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit, weil<br />

‚die Griechen‘ über <strong>ihre</strong> Verhältnisse leben. Um<br />

einen Staatsbankrott zu vermeiden, will Griechenland<br />

finanzielle Hilfe von <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> damit<br />

auch von Deutschland. Aufgr<strong>und</strong> seiner Finanzprobleme<br />

bedroht Griechenland die Stabilität<br />

des Euros, <strong>der</strong> gerettet werden muss. Griechenland<br />

dürfte den Euro gar nicht haben, weil es<br />

sich den Zugang zur europäischen Währungsunion<br />

mit falschen Angaben erschlichen hat.<br />

Diesen Inhalt hat <strong>„Bild“</strong> nicht erf<strong>und</strong>en, sie<br />

findet ihn vor. Sie entfernt sich nicht vom Mainstream<br />

<strong>der</strong> massenmedialen Darstellungen in<br />

Deutschland, son<strong>der</strong>n sie verstärkt ihn. Die einzelnen<br />

inhaltlichen Elemente tauchen auch in<br />

vielen an<strong>der</strong>en deutschen Medien auf (vgl.<br />

Fritzsche 2010). Die unterschiedlichen Meinungsflüsse<br />

<strong>und</strong> Nebenarme <strong>der</strong> Berichterstattung<br />

in den Print-, Funk- <strong>und</strong> Online-Medien<br />

münden <strong>–</strong> nicht ausnahmslos, aber weit überwiegend<br />

<strong>–</strong> in diesen gemeinsamen Strom.<br />

Ob mit diesem Erzählkern die Griechenland-<br />

<strong>und</strong> Eurokrise zutreffend beschrieben<br />

wird, ob hier wesentliche Faktoren ausgeblendet<br />

bleiben, an<strong>der</strong>e Phänomene übermäßiges<br />

Gewicht bekommen, ist an dieser Stelle nicht<br />

die Frage. Für das Verständnis <strong>der</strong> <strong>„Bild“</strong>-Praxis<br />

kommt es darauf an zu sehen, dass sich die<br />

<strong>„Bild“</strong>-Macher im politischen Mainstream verankern<br />

<strong>und</strong> von diesem geschützten Platz aus<br />

operieren. Welche Blüten <strong>„Bild“</strong> im Verlauf <strong>der</strong><br />

Wochen <strong>und</strong> Monate aus dem Erzählkern auch<br />

heraustreibt, die Zeitung kann sich im Fall kritischer<br />

Einwände stets auf dieses Körnchen zurückziehen,<br />

das als Wahrheit überwiegend anerkannt<br />

ist. An <strong>der</strong> Banalität dieser Basis mag<br />

man rütteln, erschüttert wird sie dadurch nicht.<br />

Sie erlaubt im Gegenteil je<strong>der</strong>zeit die Reaktion<br />

<strong>der</strong> <strong>„Bild“</strong>-Macher: ‚Okay, vielleicht hier o<strong>der</strong><br />

dort ein bisschen stark übertrieben, das gehört<br />

zum Geschäft, aber in <strong>der</strong> Substanz doch zutreffend.‘<br />

Mit <strong>der</strong> Definition des Erzählkerns sind folgenreiche<br />

Festlegungen getroffen, aber mit<br />

welcher konkreten Politik in Deutschland <strong>und</strong><br />

in <strong>der</strong> EU auf die Krise reagiert werden soll, ist<br />

damit noch nicht entschieden. Die Frage etwa,<br />

ob es im europäischen <strong>und</strong> deutschen Interesse<br />

liegt, Griechenland möglichst schnell <strong>und</strong><br />

möglichst gründlich zu helfen, ist nicht beantwortet.<br />

Theoretisch wäre vorstellbar, dass auch<br />

<strong>„Bild“</strong> im Verlauf des Politikprozesses sein Pu-<br />

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